Chefinfo Magazin 8-22

GRÜNE GEWINNER D A S M A G A Z I N D E R F Ü H R U N G S K R Ä F T E OK TOB E R 2 0 2 2 DAGMAR HÜTTHALER GERHARD DREXEL MARKUS MANZ OKTOBER 2022 / 32. JG. / NR. 8/ 2,50 EURO, ÖSTERREICHISCHE POST AG, GZ 02Z031559 M, ZIELGRUPPEN-ZEITUNGSVERLAGS GMBH, ZAMENHOFSTRASSE 9, 4020 LINZ Christian Stadler Geschäftsführer Morgentau LIEFERKETTEN KANN EUROPA VON CHINA UNABHÄNGIGER WERDEN? INDUSTRIE Was wir von Italien lernen können FINANZEN UNTERNEHMEN ZU VERSCHENKEN PERSONAL WAS GUTE ARBEITGEBER AUSZEICHNET BIOMARKT. Warum trotz Rekordinflation die hochpreisige Biosparte weiter zulegen konnte. LEADERSHIP MEHR SPIRITUELLE MANAGER VORREITER MEHR TIERWOHL AM TELLER MINDSET MEHR SPIN-OFFS AN DEN UNIS

Neuson Real GmbH Zollamtstraße 7 | A-4020 Linz | Tel. 0732 673500 office@neuson-real.com www.neuson-real.com IHRE NEUE IMMOBILIE 2022 P R O V I S I O N S F R E I F Ü R M I E T E R OBJEKT 3 Attraktive Bürofläche Linz Stadt Lage: Raimundstraße, 4020 Linz Mietfläche: ca. 900 m². Ausstattung: Klima, Qualitätsböden, Lift, Parkplätze etc. Großraum- oder Einzelbüros – Innenausbau nach Wunsch! Bus und Straßenbahn fußläufig erreichbar Miete: auf Anfrage. HWB: 88 kWh/m²a, fGEE 0,93 Ein Campus für innovative Unternehmen Lage: Linz Zentrumvis-à-visWifi OÖ, BT 2: 400m² (2022); BT 1: 2.000m² (ab 2023), teilbar; BT 3 & 4: je 5.800 m² (ab 2024), teilbar, MIETERWÜNSCHE können noch berücksichtigt werden! Benefits: Konferenzzentrum, Restaurant, Nahversorger, Kinderbetreuung, Hotel, direkte Anbindung an Straßenbahn, Bus und Autobahn, Miete: auf Anfrage, HWB: 16 kWh/m²a, fGEE: 0,78 OBJEKT 1 Büroflächen im TECHBASE LINZ Bürohaus 1210 Wien, Strebersdorf Erstbezug – Ausbau nach Mieterwünschen Lage: 1210 Wien, Strebersdorf Direkte Autobahnanbindung, Bus, Bahn Mietfläche: ab 670 m² bis 4.800 m²; individuelle Raumaufteilung, top Ausstattung, Klima, Parkplätze Miete: auf Anfrage. HWB: 83 kWh/m²a, fGEE 1,51 OBJEKT 4 Gewerbepark Franzosenhausweg Linz Moderne Bürofläche Linz Süd Lage: Franzosenhausweg, Linz. Mietfläche: ca. 350 m² Hochwertige Ausstattung, Klima, Lift, ausreichend Parkplätze Gute Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz Miete: auf Anfrage. HWB: 123 kWh/m²a, fGEE: 2,58 OBJEKT 2

Cyrus Rahmat Tel.: 0732 650350-22 | Mobil: 0664 1006505 | E-Mail: cyra@cyra.at Cyra Immobilien GmbH | Berggasse 23 b | A-4040 Linz | www.cyra.at B E R A T U N G | V E R M I T T L U N G | P R O J E K T E N T W I C K L U N G Neubau Gewerbe-/Logistikhalle zu vermieten Adresse: Rehbergerstraße, Ried im Traunkreis Größe: 6.500 m² Halle oder 2 x 3.250 m², Höhe: 12 Meter Büro nach Bedarf. Bezug: 2024 Mietkonditionen: auf Anfrage Moderne Lagerflächen in St. Pölten auf 3 Ebenen zu vermieten Adresse: Karl-Pfeffer-Gasse 4, 3100 St. Pölten Lagerfläche: 11.441 m² Büro. Nebenflächen: 622 m² Lagerkapazität: ca. 19.000 – 22.000 Paletten. Sofort verfügbar! Mietkonditionen: auf Anfrage OBJEKT 4 OBJEKT 3 OBJEKT 2 Moderne Gewerbeimmobilie in Ennser Toplage zu vermieten Adresse: Dr. Theodor Körner Straße 4, 4470 Enns Größe Halle: 1.865 m², Höhe: 8,50 Meter Größe Büro: 560 m², 35 – 50 Pkw-Stellplätze Mietbeginn: 1. März 2023, Mietdauer: 7 – 10 Jahre HWB: 74 kWh/m²a Mietkonditionen: auf Anfrage OBJEKT 1 Neubauprojekt in Traum-Aussichtslage mit 16 Eigentumswohnungen und 32 Tiefgaragenplätzen in Kirchschlag bei Linz Adresse: Kirchschlag 17, 4202 Kirchschlag bei Linz Wohnungen in den Größen 47 m², 65 m², 76 m², 87 m², 92 m² und 2 Dachterrassenwohnungen mit 105 m² und 115 m² Die Wohnungen im Erdgeschoß haben Eigengärten. Niedrigenergiebauweise: Klasse A++. Hochwertige Ausstattung Fertigstellung: Q1/2024. HWB: 37 kWh/m²a Kaufpreis: auf Anfrage OBJEKT 5 Moderne Gewerbe-Liegenschaft nach Neubau zu vermieten (Q1/2 2023) Adresse: 4061 Pasching Größe Halle: 5.600 m², 8,5 Meter hoch UKB, 7 Tonnen Bodenbelastbarkeit, 5 Rampen und 5 ebenerdige Tore Mietkonditionen: auf Anfrage

4 | CHEFINFO | 8/2022 COVERFOTOS: PHOTOPOINT - CLEMENS PÜRSTINGER, LUKAS BECK, SARAH KATHARINA, HÜTTHALER KG, SCCH Industrielle Überflieger Besuch einer Delegation aus Oberösterreich in Mailand, dem industriellen Herz Italiens. Statistik und Zukunft Gespräch mit Johann Lefenda über Zukunftsprognosen und Demografie. Glokalisierung Kann sich Europa von Russland und China wirklich unabhängiger machen? Aller Laster Ende Brummis sorgen für ein Drittel der Emissionen im Verkehr. Doch der grüne Lkw kommt. 24 30 32 36 Wirtschaft Akutes Blasen-Leiden Die gefeierte Fintech-Branche steckt in ihrer schwersten Krise. War alles nur eine Blase? Firma zu verschenken Der milliardenschwere Sportartikelhersteller Patagonia wurde von seinem Gründer verschenkt. Luxusjachten boomen Die Auftragsbücher der Jachtwerften sind voll – trotz obszöner CO2-Bilanz. 44 52 54 68 72 74 Eigene Mitarbeiter als Recruiter Zufriedene Mitarbeiter und deren Mundpropaganda locken die meisten potenziellen Bewerber an. Was ist ein guter Arbeitgeber? Spirituelle statt technokratischer Manager fordert Spar-Aufsichtsratspräsident Gerhard Drexel. Newplacement statt Kündigung An einer anderen Stelle im Unternehmen einsetzen: So lassen sich Human Resources halten. 24 54 Inhalt Finanzen Personal/HR 74 Grüner Gewinner der Teuerung Die Unabhängigkeit von Kunstdünger und weniger Bedarf an Energie in der Verarbeitung lassen die Preise für Biolebensmittel nur halb so stark steigen wie die für konventionelle. 14 Coverstory 68 Doris Palz Managing Director Great Place to Work

8/2022 | CHEFINFO | 5 FOTOS: CHET_W / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, ALESSIO MARINI / PA / PICTUREDESK.COM, SINA SCHULDT / DPA / PICTUREDESK.COM, SCYTHER5 / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, LUKAS BECK, PIXABAY, LAND OBERÖSTERREICH, DOMINIK KUHN / UNSPLASH Klaus Schobesberger Chefredakteur Heizschwammerl-Verbot k.schobesberger@chefinfo.at Die Weltgeschichte ist voll von verrückten Gesetzen. 1781 verbot etwa Preußenkönig Friedrich der Große die Einfuhr von Kaffee und in Folge auch das Kaffeerösten. Sein Ziel: Die Handelsbilanz sollte nicht unnötig durch teure Importe belastet werden. „Preußen zuerst“, lautete die königliche Vorgabe. Um das Gesetz durchzusetzen, wurde der neue Berufsstand des Kaffeeschnüfflers eingeführt, der Gesetzesbrecher mit feiner Nase überführen sollte. Ganz in diese Tradition fällt auch das „Heizschwammerl-Verbot“ von Energie- und Umweltministerin Leonore Gewessler. Wirte und Eventveranstalter, die um den Energiekostenzuschuss bei der Regierung ansuchen, dürfen den Außenbereich nicht heizen. Abgesehen davon, dass Heizschwammerl mit Butan- oder Propangas, ein Erdölabfallprodukt, betrieben werden, sollte eine Ministerin in der größten Energiekrise der zweiten Republik ihre Bürger nicht mit Sinnlosigkeiten frotzeln. Viel Gewinn beim Lesen dieser Ausgabe wünscht Ihnen Editorial IMPRESSUM: Eigentümer und Medieninhaber: Zielgruppen-Zeitungsverlags GmbH. Redaktionsanschrift: Zamenhofstraße 9, 4020 Linz, Tel.: +43 (0)50 6964-0, E-Mail: redaktion@chefinfo.at. Herausgeber: Peter Lengauer. Geschäftsführung: Mag. Johanna Lengauer, Hans Huber. Chefredaktion: Klaus Schobesberger. Redaktion: Jürgen Philipp Bakk. Komm. MBA, Jessica Hirthe, Verena Schwarzinger. Verlagsverkaufsleitung: Christian Schüttengruber. Anzeigen: Mirijam Mayer, Isolde Kainz, Roswitha Lang, Romana Gerard, Gerold Rachlinger. Artdirector: Thomas Bruckmüller. Artdirector-Stv.: Cindy Mair. Grafik: Julia Pargfrieder, Julian Kastenhuber, Rebecca Falmbigl. Bildbearbeitung: Andrea Laban, Frank Garzarolli. Korrektur: Mag. Dorrit Korger. Druck: Radin print d.o.o., Sveta Nedelja, Kroatien. Abo-Hotline: Tel.: 0506964-4091. E-Mail: abo@chefinfo.at. Internet: www.chefinfo.at. Gültig ist die Preisliste 2022. Im Sinne einer leichteren Lesbarkeit werden geschlechtsspezifische Bezeichnungen überwiegend in männlicher Form verwendet. moments ● CHEFINFO ● WEEKEND MAGAZIN ● Corporate Publishing CHEFINFO IST EIN PRODUKT IM 82 Energiespartipps Auch Unternehmen können einen wichtigen Beitrag zum Energiesparen leisten. Energie/Umwelt Lifestyle 88 Dem Herbst entfliehen Kulinarische Entdeckungsreise durch ein angesagtes Urlaubsland. 88 82

6 | CHEFINFO | 8/2022 FOTOS: HERMANN WAKOLBINGER , PHILIPP HORAK, JAQUELINE GODANY, DUNCAN. WIKIOEDIA, ULLSTEIN BILD, FRANZ NEUMAYR / PICTUREDESK.COM Radar VOLTfactory#01: Vorzeigewerk der Miba Batteriewerk. Mit dem ersten Batteriewerk in Bad Leonfelden baut das Unternehmen das Geschäftsfeld „Elektrifizierung“ weiter aus. Bisher wurden bereits 80 Millionen Euro investiert. Für das neue Werk werden 100 neue Mitarbeiter gesucht. Auf 3.900 Quadratmetern werden jährlich 500 Megawattstunden Energie produziert. Das entspricht rund 50 Millionen Batteriezellen, mit denen rund 10.000 elektrische Mittelklasseautos bestückt werden können. Anton Zeilinger (77) Nobelpreis für Quantenphysiker Experimente mit verschränkten Quantenzuständen ebneten den Weg für Quanteninformation-basierende Technologien. Sucharit Bhakdi (75) Mikrobiologe mRNA-Impfstoffe würden die Gefäßwände von Geimpften und deren Ungeborenen zerstören - Falschaussage und Verschwörungstheorie. Svante Pääbo (67) Nobelpreis für Medizin Die Gene des Neandertalers beeinflussen bis heute die menschliche Gesundheit, bestätigt der Evolutionsforscher. Ulrike Beate Guérot (58) Politikwissenschafterin Der Einmarsch in die Ukraine ist eine „Grenzüberschreitung“ - nicht nur ihre abstruse Meinung über Putin polarisiert. TOP DOWN Mister Nobel: gefeierte Wissenschaft Mister No-Nobel: gefallene Wissenschaft Georg Knill, Präsident Industriellenvereinigung „Gesunde Unternehmen unterstützen, nicht jene, die schon in der Verlustzone sind.“ Dahin gesagt

8/2022 | CHEFINFO | 7 Woran arbeiten Sie gerade? Thomas Prantner, ORF-TVthek-Gründer, launcht gemeinsammit der fitness company group Fernsehen-on-Demand via App auf Technogym-Geräten. Fitnessuhren und andere Gadgets tragen die Österreicher beim Sport. Jetzt können Sportler im Fitnessstudio erstmals am Sportgerät via App auf die ORF TVthek zugreifen. Mehr als 25.000 TechnogymGeräte in Studios in ganz Österreich stehen dem ORF nun zur Ausweitung der Multimediastrategie zur Verfügung. Pro Tag werden die unterschiedlichsten Geräte in Studios oder auch in Wellnesshotels von rund 220.000 Sportlern genutzt. Während des Workouts kann ab sofort das gesamte Video-on-DemandAngebot des ORF gesehen werden. ZAHL Quelle: Capital Millionen Euro hat VW in den ver- gangenen zehn Jahren für Abfindungen an 14 Vorstände gezahlt, die ihren Posten vorzeitig räumen mussten. Best of 100 Nachgefragt Das Phantom, der Opa Gestern noch verachteter Boomer, morgen Retter unserer Wirtschaft? Der Rollator muss warten. Stattdessen sitzen Rentner mit weißen Sneakers am Steuer eines Reisebusses, füllen die Lücken als Koch, Lehrer, Verkäufer oder als Bundespräsident in der Hofburg. „Ich fühle mich reifer als je zuvor“, sagt Alexander Van der Bellen, der mit 78 wie ein Halbwüchsiger kurz vor der Matura klingt. Es ist das ausklingende Lebensgefühl einer Generation, die es wie Clint Eastwood als alternder Cowboy im Film „Erbarmungslos“ den jungen Revolverhelden noch einmal zeigen will. Für ein paar Dollar mehr übernehmen sie Jobs, für die es mehr offene Stellen als Bewerber gibt. Vom alten zum heißen Eisen. In der Kreisky-Ära wurde die Pension zum sozialistischen ReserveParadies erhoben. Während die Eltern schufteten, wurden die Kinder mangels an Betreuungseinrichtungen in vielen Fällen von den Großeltern großgezogen. Diese Zeiten sind vorbei. Die „Boomer“- Generation, also jene in den 1960erJahren Geborenen, hinterlässt als künftige Rentner eine so große Lücke am Arbeitsmarkt, dass sie diese wird selbst wieder füllen müssen. Die Jungen in der Work-Life-­ Balance zu Hause, Opa und Oma in die Arbeit unterwegs anstatt mit einer Reisegruppe des Pensionistenverbands? Das könnte schon bald Realität werden! Ihr Anonymus Anonymus Giorgia Meloni (45) Fratelli d’Italia Die Rechtspolitikerin verhandelt mit der Lega und der Forza Italia über die neue Regierungszusammenstellung. Die Mannschaft soll aus Politprofis und aus parteilosen Fachleuten bestehen. Bojko Borissow (63) GERB Bei der vierten Wahlrunde seit April 2021 im ärmsten EU-Land wurde der umstrittene Ex-Premier mit 23,5 Prozent der Stimmen stärkste Kraft, hat aber kaum Chance auf eine Regierungsmehrheit. Luiz Ignacio Lula da Silva (76) Partido dos Trabalhadores Weder Amtsinhaber Bolsonaro noch Herausforderer da Silva erreichen Mehrheit. Siegt er Ende Oktober, wäre er der erste demokratische Präsident in einer 3. Amtszeit. ITALIEN Regierungen, die sich erst finden müssen BULGARIEN BRASILIEN FOTOS: FITNESS COMPANY GROUP , VOX ESPAÑA, RICARDO STUCKERT / PRESIDÊNCIA DA REPÚBLICA, EUROPEAN PEOPLE’S PARTY

8 | CHEFINFO | 8/2022 FOTOS: DILOK KLAISATAPORN/ ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS Anders gedacht von Klaus Schobesberger Chefredakteur Können Sie sich noch erinnern, als nach dem ersten Lockdown 2020 eine baldige Rückkehr zur Normalität verheißen wurde? Mehr als zwei Jahre später kommt uns die damals von der Politik bezeichnete „schlimmste Krise der zweiten Republik“ fast wie ein Kindergeburtstag vor. Diesmal bedrohen exorbitant gestiegene Energiepreise Existenzen von Bürgern und Betrieben und die einzige Normalität in einer aus den Fugen geratenen Welt scheinen die Staatshilfen zu sein. Nach dem „Koste es, was es wolle“-Prinzip spannte die Republik einen 50-MilliardenHilfsschirm über die bedrohte Wirtschaft. Heute fließen angesichts der höchsten Inflation seit 70 Jahren und des Energiepreisschocks wieder die Milliarden – diesmal für alle. Neue Ära der Rettungspakete Österreich ist mit dieser Art der staatlichen Krisenbekämpfung nicht alleine. In Deutschland präsentierte Kanzler Olaf Scholz Ende September den „DoppelWumms“: Bis zu 200 Milliarden Euro stehen gegen hohe Energiepreise zur Verfügung – als neue Schulden, versteht sich. Um einen ähnlich hohenWert will Großbritannien sein Staatsdefizit ausweiten. In den USA kündigte Präsident Joe Biden wiederum an, Hunderte Milliarden Dollar aufzuwenden, um Notleidende USBürger von ihren staatlichen Studentenkrediten zu befreien. „To big to fail“ gilt jetzt für alle. Und so lange nicht nur die ungeliebten Banken gerettet werden, finden das Linke und Neoliberale gleichermaßen gut und richtig. Wird Bruno Kreisky für seine viel kritisierte Aussage, ein paar Milliarden mehr Staatsschulden seien ihm lieber als ein paar Tausend Arbeitslose“, jetzt posthum rehabilitiert? Ende der Gießkanne Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrats und damit oberster BudgetAufpasser, sagt, dass diese Maßnahmen richtig sind und in der Not „Staatsschulden auch steigen dürfen“. Die Schuldenquote von aktuell rund 80 Prozent der Wirtschaftsleistung ist immer noch tolerabel. Allerdings macht er auch deutlich, dass nach dem Ende dieser Krise wieder ein Konsolidierungspfad eingeschlagen werden müsse. Und der Ökonom spricht sich auch gegen ein Gießkannenprinzip wie bei den bisherigen Hilfsmaßnahmen aus. Unternehmen, insbesondere jenen mit hohem Energieverbrauch, muss in dieser schwierigen Phase schnell geholfen werden. Andererseits ist diese Krise viel komplexer und für Staaten schwieriger zu lösen. Während bei den Lockdown-Hilfen Einigkeit herrschte, streiten in Deutschland Bund und Länder über die Finanzierung der Hilfspakete. n STAATSHILFE. Was mit Rettungsmaßnahmen für Banken begann, hat sich auf die Realwirtschaft ausgeweitet. Rettungsschirm für alle: Wie lange kann der Staat sich das leisten?

PROBIEREN SIE DEN RUM AUS ÖSTERREICH www.peter-affenzeller.at Dass ein Whiskyproduzent aus dem oberöster- reichischenMühlviertel auchedlenRumproduziert, ist nicht alltäglich. Wir machen das. Für den RuMonkey wird feinstes Zuckerrohr aus karibischer Herkunft in echter Handarbeit und in höchster Vollendung schonend destilliert. Ein achtjähriger Reifungsprozess in vorbelegten Whiskyfässern verleiht ihm über die Jahre seine fein strukturierte Komplexität. Das Ergebnis ist ein subtiler Mix aus exotischen Früchten, begleitet von süßer Vanille und dunkel geröstetem Holz. Ein Spiel der Aromen, das auch Experten begeistert. Entspanntes Karibik- Feeling trifft auf traditionelle heimische Brennkunst.

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8/2022 | CHEFINFO | 11 FOTOS: TECH2B / JULIANE TASLER-RAGER, HELLO AGAIN GMBH, GREINER PACKAGING, INTERFOTO Wirtschaft Übernahme in Osteuropa Manfred Stanek, CEO von Greiner Packaging, vermeldet ein neues Geschäftsmodell: Wiederaufbereitung von Wertstoffen. Dafür hat das Unternehmen den Recycler Alwag gekauft. Linzer an der Spitze Christoph Hefner ist seit 1. September als Head of Customer Experience (CX) Sales Austria bei SAP Österreich. Zuvor war der 39-jährige Linzer bei SAP in München. 450 Startups gepusht Seit 2002 verhilft das Team von tech2b mit Know-how und einem großen Netzwerk Unternehmensgründern in OÖ zum geschäftlichen Durchbruch – und das mit Erfolg. „In 20 Jahren wurden mehr als 450 Gründungsideen betreut, aus denen rund 300 Unternehmen entstanden sind, in denen mehr als 1.200 Menschen beschäftigt sind“, hob Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (4. v. l.) anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums hervor. Millioneninvestition für Scale-up hello again. Beim Kundenbindungs-Scale-up hello again öffnen sich die Tore für die internationale Expansion. Gründer und CEO Franz Tretter kann sich über ein siebenstelliges Investment von Alexander Igelsböck, CEO von adverity, und Ibrahim Imam, Mitgründer von PlanRadar, freuen. n WU WIEN. Gleich vier englischsprachige Masterstudien der WU erreichen im aktuellen „QS Business Masters 2023 Ranking“ ausgezeichnete Platzierungen. Bei über 600 gereihten Masterstudien erreicht die WU mit dem Master in Supply Chain Management sogar Platz zwei.

12 | CHEFINFO | 8/2022 Branchen Ein Fest für die Werbung Insgesamt 330 streng anonyme Projekte von 100 Agenturen wurden zum diesjährigen Werbepreis Caesar eingereicht. Der Abräumer des Abends war die Fredmansky GmbH, die mit insgesamt elf Caesaren die erfolgreichste Agentur war. Gefolgt von drei Departments von Reichl und Partner mit zusammen fünf Auszeichnungen und Gruppe am Park mit drei Caesaren. Let them pitch by HAKA: Zwei Startups präsentierten ihre Ge- schäftsmodelle kürzlich vor einem namhaften Publikum beim Trauner Küchenhersteller. Mario Stifter (GF HAKA Küche), Lorenz Hinterplattner (Hive Analytics), Johannes Pracher (Startrampe Sparkasse OÖ) und Alexander Eckmayr (Faelcon Rackets) freuen sich über mehrere eingegangene Kooperationen. MANAGEMENT & ERFOLG redaktion@chefinfo.at Wechsel an Spitze von Real-Treuhand Julian Schramek verstärkt die Geschäftsführung der Real- Treuhand. Der 44-jährige Architekt mit Erfahrung in Immobilienwirtschaft, Architektur und Städtebau im In- und Ausland folgt Eduard Hrab nach, der im Frühjahr nächsten Jahres in den Ruhestand geht. Zuletzt war Schramek als Bereichsleiter und Gewerberechtlicher Geschäftsführer beim Immobiliendienstleister CBRE in Wien beschäftigt. Galaabend zu Jubiläum Vom Einmannunternehmen zu einem internationalen Automationsspezialisten mit mehr als 2.300 Mitarbeitern weltweit: Die STIWA Group mit Sitz in Attnang-Puchheim feierte kürzlich ihr 50. Jubiläum mit einem großen Galaabend. Startup-Challenge bei Küchenhersteller HAKA n INTERSPORT. Trotz der schwierigen Marktsituation vermeldet Intersport ein Umsatzplus von 25 Prozent auf 631 Millionen Euro. Vor allem gab es Zuwächse in den Bereichen Outdoor und Running, im Sektor Ski boomte das Verleihgeschäft. Auch die Umsätze bei Alpinski und Skitextilien haben sich gut entwickelt. n JKU. Land OÖ und die Johannes Kepler Universität unterzeichneten kürzlich die neue Rahmenvereinbarung für die Jahre 2023 bis 2025. In diesem Zeitraum investiert das Land OÖ insgesamt 25 Millionen Euro. Unter anderem soll mit dem Geld der Ausbau des LIT AI Lab fortgesetzt werden. FOTOS: PRIVAT, STIWA, HAKA KÜCHE GMBH, ERIC KRÜGL

8/2022 | CHEFINFO | 13 Energy Globe für größte Aufdach-Photovoltaikanlage Erst kürzlich erweiterte die AMAG die Aufdach-Photovoltaikanlage auf 60.000 Quadratmeter. Sie entspricht nun einer Größe von neun Fußballfeldern und produziert 7,3 GWh Strom. Vorstandsvorsitzender Gerald Mayer konnte sich jetzt über den Energy Globe in der Kategorie „Feuer“ für Österreichs größte Anlage in dieser Form freuen. KGG ermöglichte jungen Gastronomen Lokal Die Tische sind seit der Eröffnung jeden Tag voll: Sowohl Einheimische als auch Gäste von außerhalb schätzen „Die Schmiede“ in Pfaffing im Bezirk Vöcklabruck. Alexandra Strobl, Markus Fussi und Martin Kinast führen das Gasthaus zu dritt. Erst eine Bürgschaft der KGG ermöglichte den drei Junggastronomen das eigene Lokal. Denn für die Anschaffung des gastronomischen Inventars war die Aufnahme eines Kredits notwendig. „Ohne die KGG gäbe es uns als Gastwirte heute nicht“, so Markus Fussi. GEWERBE & DIENSTLEISTUNG redaktion@chefinfo.at Genböck Haus: 35 Jahre, 3.500 Kunden Martin Genböck und Birgit Möseneder sind kürzlich neben Helmut Möseneder in die Geschäftsleitung von Genböck Haus eingetreten und läuten damit die nächste Generation des Familienunternehmens ein. Das Holzhaus-Unternehmen feiert heuer sein 35-jähriges Bestehen mit bislang nach eigenen Angaben zufriedenen 3.500 Kunden. Büros in ehemaliger Baudirektion Ein Revitalisierungsprojekt wird jetzt in der Welser Innenstadt realisiert: Michael Holter, Harald Benesch und Richard Stögmüller (v. l.) investieren in die ehemalige Welser Baudirektion 5 Millionen Euro. Es entstehen 1.600 Quadratmeter Bürofläche. Die Sanierungsarbeiten wurden im Sommer begonnen und sollen im Juli 2023 abgeschlossen sein. n PAPPAS. LinzAG und Pappas haben gemeinsam ein Energieeffizienzprojekt umgesetzt: Die neue Mercedes Benz EQ-Flotte von Pappas ist dank des Projekts zu 100 Prozent mit Sonnenstrom unterwegs. Darüber hinaus werden die Pappas-Standorte Linz und Regau mit Photovoltaikanlagen vollkommen energieautark. n ENERGIE AG. Nach rund zwei Jahren Bauzeit wurde der Zubau des PowerTowers im Zuge des 130-JahrJubiläums der Energie AG offiziell von Landeshauptmann Thomas Stelzer, Wirtschafts- und Energielandesrat Markus Achleitner und dem Vorstand der Energie AG Oberösterreich eröffnet. FOTOS: DIE SCHMIEDE, AMAG, HOLTER, GENBÖCK HAUS

14 | CHEFINFO | 8/2022 COVERSTORY

8/2022 | CHEFINFO | 15 COVERSTORY FOTOS: MIKE_KIEV / CHET_W / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS GRÜNER GEWINNER DER TEUERUNG TEXT: Jessica Hirthe Die hohe Inflation verteuert das Leben. Das zwingt viele dazu, ihre Einkaufsgewohnheiten zu ändern – und auch bei den Lebensmitteln zu sparen. Die Preise für Biolebensmittel sind nur halb so stark gestiegen wie die für konventionelle. Machen die Unabhängigkeit von Kunstdünger und weniger Bedarf an Energie in der Verarbeitung das Biogeschäft langfristig zum Gewinner der Teuerung?

16 | CHEFINFO | 8/2022 COVERSTORY Für das tägliche Leben einzukaufen macht derzeit keinen Spaß mehr. Spätestens an der Kassa jedes Mal der Schock. Die Preise steigen – keiner kann sagen, wann diese Spirale nach oben endet. Die Billigmarken der Handelsketten verzeichnen einen regelrechten Boom. Denn für viele Bürger ist es nicht mehr die Frage: Was will ich mir leisten? Sondern: Was kann ich mir leisten? Doch davon, wie viel den Menschen Tierwohl, Kunstdünger-Freiheit und Nachhaltigkeit wert ist, lebt das Geschäft mit Biolebensmitteln. Kommt also nach dem Bioboom in der Pandemie, als die Menschen sich bewusst mit den Themen Lieferketten, Regionalität und gesundem Essen auseinandersetzten, jetzt die Rückkehr zu „Hauptsache billig“? Biomarkt im ersten Halbjahr weiter gewachsen „Die Zahlen des ersten Halbjahres 2022 lassen mit einem Plus von 2,5 Prozent darauf hoffen, dass der bis 2021 dynamisch gewachsene Biomarkt sich weiter gut entwickelt“, so Michael Blass, Geschäftsführer der AMA-Marketing, bei der Präsentation der jüngsten Statistik. Demnach wurden in Österreich im ersten Halbjahr 431 Millionen Euro für Biolebensmittel im Einzelhandel ausgegeben. Mehr als 11 Prozent aller im Lebensmitteleinzelhandel einschließlich der Biosupermärkte gekauften Lebensmittel entfielen 2021 wertmäßig auf Bio, was einen Umsatz von knapp 800 Millionen Euro ausmachte. „Der Absatz von Bio trotzt der Teuerung eindrucksvoll“, freut sich Bio-Austria-Obfrau Gertraud Grabmann. Den höchsten Bioanteil verbuchten im ersten Halbjahr 2022 die Sortimente Milch und Naturjoghurt. Die Bioanteile bei Gemüse, Obst, Butter, Käse, Wurst und Fleisch stiegen leicht. Nur bei den Produktgruppen Kartoffel und Eier war ein Rückgang zu verzeichnen. FOTOS: BIO AUSTRIA/SONJA FUCHS, LUMENST / CHET_W / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS Der Preisunterschied zwischen Bio- und konventionellen Lebensmitteln wird geringer, was den Griff zu Bio erleichtert. Gertraud Grabmann Bio-Austria-Obfrau

8/2022 | CHEFINFO | 17 COVERSTORY Bereitschaft, mehr für Bio zu zahlen, geht zurück Laut den Marketingerhebungen von Agrarmarkt Austria kaufte jeder österreichische Haushalt von Jänner bis Juni 2022 mindestens einmal ein Bioprodukt. Im Schnitt landeten insgesamt fast 31 Kilo Biolebensmittel in den Einkaufswägen. Allerdings: Die Frequenz der Einkäufe ging leicht zurück, die Kaufgewohnheiten würden sich langsam dem Vor-Corona-Niveau anpassen. Das beobachtet man auch bei der GfK Austria, die jeden Einkauf von 4.000 Haushalten erfasst. „Noch ist der Anteil der Biolebensmittel am Gesamtwarenkorb im Vergleich zu 2021 relativ stabil“, sagt GfK-Konsumentenforscherin Christina Tönniges. Doch sie rechnet damit, dass der Anteil künftig leicht zurückgehen wird: „Wie weit, ist halt noch ungewiss. Das wird maßgeblich davon abhängig sein, wie stark und lange die Inflation steigt.“ Denn schon jetzt sehe man, dass die zugleich erhobene Mehrpreisbereitschaft im Vergleich zum Vorjahr bereits um 3,3 Prozent rückläufig ist. „Die Mehrpreisbereitschaft, für Bioprodukte mehr auszugeben, sinkt natürlich vor allem in Haushalten, die gerade so mit dem Geld zurechtkommen oder sich schon jetzt nichts mehr leisten können.“ In gut situierten Haushalten liege sie nach wie vor bei 60 Prozent. Tönniges: „Und das spiegelt sich natürlich im tatsächlichen Kaufverhalten wider.“ Rewe meldet größere Nachfrage von Bioprodukten Noch verzeichnet etwa die Rewe Group „keine Kaufzurückhaltung im Biosegment“. Ganz im Gegenteil: „Die Artikel erfreuen sich aktuell sogar noch größerer Beliebtheit bei den Kunden“, heißt es auf CHEFINFO-Anfrage. Die Sortimentsbedeutung der Bio-Eigenmarken „Ja! Natürlich“ und „Billa Bio“ bei Gemüse und Rindfleisch liege bereits bei über 25 Prozent. „Und wir sehen dort auch zusätzliches Potenzial.“ Gleichzeitig sehe man aber auch bei der Eigenmarke „clever“ ein dynamisches Wachstum, speziell bei Grundnahrungsmitteln. Allerdings habe man das 650 Produkte umfassende Billigsortiment in den vergangenen Wochen intensiv beworben. Bei Hofer spricht man immerhin von einer „sehr zufriedenstellenden Nachfrage und einem anhaltend guten Abverkauf der BioEigenmarken „Zurück zum Ursprung“ und „Bio natura“. Insgesamt habe man rund 850 Bioprodukte im Sortiment. Morgentau sorgte für Etablierung von Biogemüse Einer der Vorreiter bei Biogemüse und dessen Etablierung in den Supermärkten ist Christian Stadler mit seinem Unternehmen Morgentau Biogemüse mit Sitz in Hofkirchen im Traunkreis. Im Juli 1993 hat der „Biobauer der ersten Stunde“ das Patent für seine Marke Morgentau angemeldet. Ab 1995 wurden dann praktisch alle österreichischen Supermarktketten beliefert. Stadler beweist, dass Bioanbau auch in großem Stil möglich ist. Er produziert jährlich rund 9.000 Tonnen Biogemüse und erwirtschaftete 2020 einen Umsatz von 17 Millionen Euro – im Jahr 2016 waren es noch 7,7 Millionen Euro. Er profitierte deutlich von der CoronaFOTO: TURNERVISUAL / E+ / GETTY IMAGES 29,8 % 25,4 % 30,3 % 1. HJ 2020 1. HJ 2021 1. HJ 2022 Milch hat höchsten Bioanteil wertmäßige Bioanteile der Einkäufe im LEH in Prozent 11,1 Prozent aller gekauften Lebensmittel sind bio. Milch hat mit 30,3 % den höchsten Bioanteil, dicht gefolgt von Naturjoghurt mit 27,8. Gemüse kommt mit 23,1 % auf Platz 3. Kartoffeln werden zu 21,5 Prozent in Bioqualität gekauft, Eier zu 20 %, Obst zu 15,7 %, Butter zu 12,2 %, Käse zu 11,5 %, Fleisch und Geflügel zu 7,1 und Wurst/Schinken zu 3,9 %. QUELLE: © ROLLAMA/AMA-MARKETING, N = 2.800 HAUSHALTE IN A Ô

18 | CHEFINFO | 8/2022 COVERSTORY FOTOS: HANSSLEGERS / CHET_W / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, GFK, SONNBERG BIOFLEISCH pandemie: „Unsere Absatzzahlen sind von 2019 auf 2020 um knapp 20 Prozent gestiegen. Dieser Zuwachs hat sich 2021 relativiert und die Zahlen haben sich wieder auf Vorpandemieniveau eingependelt“, so Stadler. Aktuell seien immerhin die Absätze bei Bio- und Demeter-Wurzelgemüse stabil. Ebenfalls ein oberösterreichischer Biopionier ist Manfred Huber: 2002 war sein Unternehmen Sonnberg Biofleisch die erste Fleischerei, die in Biosupermärkten Biofleisch in Bedienung verkaufte. Mittlerweile betreibt man in Unterweißenbach einen eigenen Schlachthof und arbeitet mit mehr als 1.100 Biolandwirten aus der Region zusammen. Nach einem Umsatz von 28 Millionen Euro im vergangenen Jahr rechnet Huber heuer mit 30 Millionen. Und das trotz des europaweit zurückgehenden Fleischbedarfs. Der Chef der Rinderbörse, Werner Habermann, sprach im Juni von Absatzeinbußen von 30 bis 40 Prozent innerhalb von drei Wochen: „Viele Betriebe wissen nicht, wohin mit den Rindern und dem Biofleisch.“ Anders beim Biofleischspezialisten Huber: Zwar gingen die Umsätze im Lebensmittelhandel zurück, dafür verzeichne er starke Zuwächse an Gastronomie- und Großküchenkunden. Die Menschen hätten während der Lockdowns daheim bio gekocht, das fordern sie jetzt bei den Wirten ein. Er ist sich sicher: „Es wird ein Umdenken geben: Lieber weniger Fleisch, dafür bio.“ Bioprodukte weniger stark verteuert als konventionelle Allerdings kostet Fleisch in Bioqualität immer noch das Zwei- bis Dreifache. Anders wie etwa bei Milchprodukten. Generell haben sich Bio- weniger stark verteuert als konventionelle Nahrungsmittel. Während die Preise für konventionelle im ersten Halbjahr um 7,8 Prozent zugelegt haben, beträgt die Steigerung beim Biowarenkorb lediglich 3,5 Prozent. Ursächlich dafür sind die steigenden Energiekosten, die die konventionelle Produktion deutlich verteuern. Auch stark gestiegene Kunstdünger- und Futtermittelpreise tragen ihren Teil bei. „Biolandbau ist von fossilen Grundstoffen weitgehend unabhängig, insbesondere durch die Nichtverwendung von Kunstdünger. Zudem ist die Biolandwirtschaft nicht auf Futtermittelimporte von weit her angewiesen“, erklärt Bio-Austria-Obfrau Grabmann. Die Biolandwirtschaft – in Österreich „Noch ist der Anteil der Biolebensmittel am Gesamtwarenkorb im Vergleich zu 2021 relativ stabil.“ Christina Tönniges Senior Consultant Advanced Solutions, GfK Austria Es wird ein Umdenken geben: Lieber weniger Fleisch, dafür bio. Manfred Huber Geschäftsführer Sonnberg Biofleisch Kann ich mir Bio leisten? In einer Umfrage von Offerista Group Austria gaben 61 Prozent an, seit der Preissteigerung den Konsum von Bioprodukten eingeschränkt zu haben.

COVERSTORY FOTOS: SIMAPIX, WILDPIXEL / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS werden 27 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche biologisch bewirtschaftet, während es in Deutschland zum Vergleich nur 10,8 Prozent sind – könne in diesen Zeiten ihre Stärken ausspielen. „Damit sind Biolebensmittel in der gegenwärtigen Teuerungsphase bisher ein preisstabilisierender Faktor für die Konsumenten. Nebenbei wird der Preisunterschied zwischen Bio- und konventionellen Lebensmitteln im Regal weiter geringer, was den Konsumenten den Griff zu Bio zusätzlich erleichtert.“ GenZ wird ein ganz anderes Einkaufsverhalten haben Das glaubt GfK-Konsumentenforscherin Christina Tönniges nur bedingt: „Dann müssten die Hersteller und auch der Handel das auch viel stärker bewerben, in der Kommunikation genau hier ansetzen und das Nachhaltigkeitsgefühl ansprechen.“ Denn die Menschen müssten trotzdem immer noch mehr für Bioprodukte ausgeben. Generell würden viele Unternehmen ihr Nachhaltigkeitsengagement zu wenig kommunizieren. „Die Leute wollen etwas für den Umweltschutz tun – aber aktuell nicht unbedingt extra dafür zahlen“, so Tönniges. „Wenn Unternehmen den Konsumenten glaubhaft zeigen, was sie für den Umweltschutz tun und damit indirekt auch der Konsument, ist das ein enormer Mehrwert, der viele zu diesen Produkten greifen lässt. Der Konsument kann sich so sein gutes Gefühl billig erkaufen.“ Vor allem die junge Zielgruppe informiere sich aktiv. „Man muss aufpassen, dass man die nicht als Kunden verliert, denn für die GenZ ist Nachhaltigkeit kein added value, sondern ein entscheidender Faktor.“ Noch sei diese Generation nicht kaufstark. „Doch 2030 wird sie ein Einkaufsvolumen in Europa von einer Milliarde Euro haben. Da werden wir dann ein ganz anderes Einkaufsverhalten sehen.“ Regionalität hat Bedeutung von Bio untergraben Für den Wiener Marktforscher Andreas Kreutzer wird seit 20 Jahren genug über Bio geredet und in den Markt investiert – ohne dass sich die Erfolgsstory tatsächlich in Zahlen abbildet: „Dafür, dass letztlich nur ein Fünftel der Lebensmittel bio ist? Das müsste bei dem Aufwand doch viel mehr sein.“ Bio hat einen Konkurrenten bekommen: Regionalität. „Man wollte mit Bio eine Marktbarriere fürs Ausland schaffen. Als die anderen nachzogen, hat man zur besseren Profilierung verstärkt auf Regionalität gesetzt. Damit hat Herkunft Bio als übergeordnetes Qualitätsmerkmal außer Kraft gesetzt“, so Kreutzer. Das bestätigt auch Tönniges: „Die Österreicher sind stark verankert im regionalen Einkaufen. Sie gehen automatisch davon aus: Wenn es aus der Region ist, ist es nachhaltig.“ Acht von zehn Konsumenten sind laut PwC-Studie bereit, mehr für lokal erzeugte Produkte zu bezahlen. Kreutzer: „Das ist das Thema unserer Zeit: Je größer die Welt wird, desto mehr setzt man auf die Heimat.“ 24.500 Biolandwirtschaftsbetriebe gibt es in Österreich. Herkunft hat Bio als übergeordnetes Qualitätsmerkmal außer Kraft gesetzt. Andreas Kreutzer Marktforscher 541.858 507.827 580.543 2017 1. HJ 2022 Marktentwicklung RollAMA Bioprodukte im Lebensmittelhandel Einkäufe Wert in 1.000 EUR 799.080 718.210 431.063 2021 2020 2018 2019 QUELLE: © ROLLAMA/AMA-MARKETING, N = 2.800 HAUSHALTE IN A Ô

20 | CHEFINFO | 8/2022 FOTOS: MORGENTAU/REITER, DIANAZH / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS INTERVIEW. Christian Stadler betreibt Biogemüseanbau in großem Stil und setzte zuletzt 17 Millionen Euro im Jahr um. Ihm sind die Preise für Biolebensmittel noch zu niedrig. INTERVIEW: Jessica Hirthe „Bio wird weiter wachsen“ COVERSTORY Christian Stadler ist Oberösterreichs Biopionier: Von seinem Unternehmen Morgentau stammte 1995 Österreichs erstes Biogemüse in heimischen Supermärkten. CHEFINFO: Nachhaltig ist derzeit ein Modewort: Was ist für Sie wirklich nachhaltige Landwirtschaft? Christian Stadler: Dass auch die Generationen nach uns noch Landwirtschaft betreiben können, ohne dass sie auf die Trickkiste der Gentechnik und chemischen Industrie zurückgreifen müssen. Nachhaltige Landwirtschaft gibt dem Boden organische Substanz, Dünger und Futter zurück und der Boden lässt aus freien Stücken gute Früchte wachsen. Das ist ein Prozess, der auf einem hohen Kreislaufniveau stabilisiert und über Tausende von Jahren funktionieren kann. Dieser Teil der Agrarwissenschaft hat halt keine Lobby und macht deshalb nicht so große Fortschritte. Welche neuen Antworten haben Sie, wie Lebensmittel in Zukunft produziert werden können? Stadler: Eine klein strukturierte Landwirtschaft ist die beste Form. Derzeit sind in Europa nur noch wenige Menschen in der Landwirtschaft beschäftigt, in Österreich 2 Prozent. Es braucht jedoch eine Mindestanzahl von in der Landwirtschaft Beschäftigten, ansonsten stirbt die gute Form aus. Jede Menge der Probleme unserer Gesellschaft resultieren daraus, dass wir eine Landwirtschaft betreiben, die einseitig ihren Fokus auf Ertrag gesetzt hat. Das war das Züchtungsziel aller Pflanzen in den letzten 50 Jahren.

FOTOS: HANSSLEGERS / HET_W / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, FLOORTJE / E+ / GETTY IMAGES Wie ist es Ihrer Meinung nach in Österreich um die Wertschätzung für Lebensmittel bestellt? Stadler: Die Österreicher messen den Lebensmitteln immerhin mehr Wert bei als die Deutschen, aber weniger als die Italiener. Die führenden Handelskonzerne machen einiges richtig, indem sie auf Bio und Regional setzen, sie haben aber auch alle ihre Sortimente im Preiseinstiegsbereich ausgeweitet. Man versucht halt, alle Wünsche zu befriedigen. Ist Bio wirklich teurer oder bereits ein Markenwert, für den man automatisch mehr bezahlt? Stadler: Heute gibt der Österreicher nur noch ein Drittel von dem für Lebensmittel aus, was er noch vor 50 Jahren zahlen musste. Also könnte man sagen: Lebensmittel haben an Wert verloren. ImVergleich dazu haben Auto, Handy usw. an Wert gewonnen. Wenn ich sage, Lebensmittel sollen den Menschen gesund und leistungsfähig halten, dann haben sie auch verloren, denn es wurde noch nie so viel Geld für Nahrungsergänzungsmittel und Pharmazie ausgegeben. Somit haben Biolebensmittel ihren Wert und sind trotzdem immer noch zu billig. Ich sehe das auf Basis der Produzentenpreise, was nicht unbedingt damit zu tun hat, was es dann im Supermarkt kostet. Derzeit liegt der Marktanteil von Bio bei etwas über 11 Prozent. Welche Steigerung ist da noch drinnen? Stadler: Eine enorme. Die Frage ist jedoch, wie das wirtschaftliche Umfeld in nächsten Monaten und Jahren aussieht. Die konventionelle Landwirtschaft hängt mit Dünger und Pestiziden am Energiepreis stärker als der Biolandbau und ist in der Verarbeitung energieintensiver. Bio ist rohstofflastiger und hat weniger Arbeitsschritte. Deshalb denke ich, dass Bio auch in einem schlechteren Umfeld weiter wachsen wird. Greenwashing, erfundene Gütesiegel – wie sehr sind das Bio-Image und das Vertrauen der Konsumenten bereits beschädigt? Stadler: Greenwashing und Siegel gibt es, seit es Bio gibt. Gott sei Dank hat Bio seinen gesetzlich verankerten Status, kann sich ein wenig wehren. Ich sehe eher die Gefahr, dass Bio aufgeweicht wird. Gewisse Technologien halten Einzug in die Biolandwirtschaft, die sehr kritisch zu hinterfragen sind, wie etwa elektromagnetische Felder der Handynetze, umMaschinen zu steuern. Alles, was einseitige Handarbeit übernimmt, ist willkommen. Aber bei den hochfrequenten elektromagnetischen Feldern muss man sich auch anschauen, was das mit den Insekten macht. Ihre Fühler sind Antennen. Das wird jedoch ganz wenig erforscht. Ich möchte im Bioland keine Technik haben, mit der ich dieses Leben schädige. Ist das Supermarkt-Bio wirklich Bio nach Ihren Vorstellungen? Stadler: Da ist natürlich ein Unterschied. Supermarkt-Bio ist nicht das Ende der Fahnenstange. Wir Demeter-­ Bauern sprechen auch von brüderlichem Wirtschaften. Wenn ich einen Handelskonzern auf der einen und auf der anderen Seite ein Grüppchen landwirtschaftlicher Betriebe habe, ist das Machtgefälle gigantisch, da brauche ich nicht von brüderlichem Wirtschaften reden. Wir wollen den Handel dazu bewegen, im Bereich Bio mehr zu machen. Es könnte schneller gehen. Bei unserem Projekt Streifenanbau haben wir auch einen Handelspartner dabei. Was steckt hinter diesem Projekt? Stadler: Man hat keine Monokulturen, sondern unterteilt das Feld in Streifen. In unserem Pilotprojekt, das auch wissenschaftlich betreut wird, wiederholen sich die Kulturen Kleegras, Mais, Weizen, Ackerbohne, Kartoffel in drei Meter breiten Streifen auf einer Fläche von 1,5 Hektar. Daneben sind diese fünf Kulturen jeweils als Monokulturen auf 2,5 Hektar angelegt. Wir schauen uns an, welche und wie viele Insekten dort sind. Selbst eine Erhöhung von 30 Prozent wäre ein klares Zeichen, was man machen muss. Wir hatten schon 100 Prozent mehr Insekten im ersten Jahr. Wir wollen langfristig den Streifenanbau in den Lebensmittelkodex bringen. n Christian Stadler Geschäftsführer Morgentau Ich sehe die Gefahr, dass Bio aufgeweicht wird durch Technologien, die kritisch zu hinterfragen sind. Mit 85 Mitarbeitern produziert Morgentau rund 9.000 Tonnen Biogemüse jährlich. 8/2022 | CHEFINFO | 21

22 | CHEFINFO | 8/2022 FOTOS: SARAH KATHARINA, HÜTTHALER KG Großes Gedränge vor den Restaurants des Möbelriesen XXXLutz mit Sitz inWels. Niedrigstpreise für Frühstück oder Mittagessen locken. Gäste erhalten ein Wiener Schnitzel um lediglich 2,40 Euro. Damit ist jetzt Schluss. Darauf zu achten, wo die Lebensmittel herkommen – diese Philosophie vertritt seit Herbst 2021 auch der Möbelriese, Österreichs größter Restaurantbetreiber. Unter dem Motto „XXXL for tomorrow“ und mit Hütthaler als Partner im Bereich Fleisch und Wurst wird bei vielen Produkten im Sortiment auf artgerechte Haltung der Tiere, Regionalität und Tierwohl geachtet. Es gibt ein Umdenken: Qualität, nachvollziehbare Herkunft und vor allem das Wohl der Tiere stehen im Mittelpunkt – den Anfang macht das Schweinefleisch. Punkto Tierwohl ist Hütthaler nun der Rohstofflieferant für den Möbelkonzern – bereits 39 regionale Landwirte sind Teil dieses großartigen Projekts. Das Wohl der Tiere zeigt sich nicht nur in der Aufzucht, sondern auch im TransDer Familienbetrieb Hütthaler blickt positiv in die Zukunft. TierwohlKooperationen wie jene mit XXXLutz werden weiter ausgebaut: zum Wohle der Tiere. Zum Wohle VON ANFANG AN. Schluss mit dem XXL-Schnitzel um 2,40 Euro? Herkunft und Qualität sind gefragt. Das Unternehmen Hütthaler aus Schwanenstadt ist mittlerweile über die Landesgrenzen hinaus bekannt für seine Vorreiterrolle in puncto Tierwohl. TEXT: Verena Schwarzinger Dagmar Hütthaler Head of Marketing der Hütthaler KG Geschäftsführung TierWohl GmbH Die Vision war und ist, Regionalität, Haltungsart und den Umgang mit Nutztieren wieder in den Mittelpunkt zu stellen. WIRTSCHAFT

8/2022 | CHEFINFO | 23 WIRTSCHAFT port sowie am Schlachthof. „2019 haben wir unseren gläsernen Schlachthof in Redlham eröffnet. Damit wollen wir zeigen, dass wir nichts zu verbergen haben. Wir achten auch bei der Schlachtung darauf, dass die Tiere keinem Stress ausgesetzt sind, dass es geräuscharm und gezielt temperiert ist und dass es ihnen gut geht. Und die Fertigstellung und Inbetriebnahme der neuen hochmodernen Zerlegung ebenfalls am Standort Redlham steht bevor“, freut sich Florian Hütthaler, Inhaber der Hütthaler KG und TierWohl GmbH. Aktuell sind 450 Mitarbeiter beim Unternehmen beschäftigt. Wissen, woher’s kommt Beginnend beim Landwirt über den Frächter und den Schlachthof bis hin zur Verarbeitung und zum Handel – die gesamte Wertschöpfungskette steht bei Hütthaler, dem oberösterreichischen Marktführer für Wurst- und Fleischverarbeitung, im Fokus des täglichen Tuns. Das Programm „Hofkultur“, das das Unternehmen als Vorreiter 2014 initiiert hat, garantiert Tierwohl und ist einzigartig in Europa. „Die Vision war und ist, Regionalität, Haltungsart und den Umgang mit Nutztieren wieder in den Mittelpunkt zu stellen, um so unseren Qualitätsanspruch auf ein noch höheres Niveau anzuheben. Die Nachfrage, gerade beim Schweinefleisch, bestätigt dies“, berichtet Dagmar Hütthaler über das erste österreichische Tierwohl-Programm innerhalb der konventionellen Landwirtschaft. Die Nachfrage nach Schweinefleisch in Tierwohl-Qualität aus Österreich zeigt sich auch in gesteigerten Absatzmengen von 15 Prozent im Vorjahr und den ausgebauten Marktanteilen. Dabei sind die Tierwohl-Produkte im Schnitt um 20 Prozent teurer als konventionelle Produkte. Die hohe Qualität der Fleisch-, Wurst- und Schinkenprodukte ist auf gesunde Tiere zurückzuführen. Bio ist österreichisch Dass Österreich ein Bio-Land ist, zeigen die aktuellen Bio-Zahlen. 2021 knackte der Bio-Gesamtumsatz erstmals die 2,5-Milliarden-Euro-Marke. Auch der Umsatz bisher im Jahr 2022 ist über dem Vorjahresschnitt. „Gerade die jüngere Generation greift zu Fleisch aus Österreich. Unser Sortiment ist genau auf diese Konsumenten zugeschnitten. BioLebensmittel sind zudem weniger von der aktuellen Preissteigerung betroffen. Grund dafür ist die viel geringere Abhängigkeit von fossilen Grundstoffen – etwa Kunstdünger, für dessen Erzeugung viel Erdgas nötig ist – und die Unabhängigkeit vom Futtermittelimport. Daher schlägt sich die Inflation bei diesen Produktkategorien auch nicht so stark nieder.“ n Die Nachfrage nach dem Tierwohl-Programm „Hütthalers Hofkultur“ ist vonseiten der Landwirtschaft als auch der Konsumenten ungebremst hoch. Florian Hütthaler Inhaber der Hütthaler KG Die Nachfrage nach Schweinefleisch in Tierwohl-­ Qualität in Österreich ist im Vorjahr deutlich gestiegen. Wir freuen uns über 15 Prozent Zuwachs ganz im Sinne unserer Tierwohlgrundsätze.

24 | CHEFINFO | 8/2022 WIRTSCHAFT Die Frecce Tricolori in Aktion. Die Maschinen der Kunstflugstaffel der italienischen Luftwaffe stammen vom Hersteller Leonardo. BEI DEN INDUSTRIELLEN ÜBERFLIEGERN LOMBARDEI. Das Motto „vernetzen und voneinander lernen“ führte eine oberösterreichische Wirtschaftsdelegation ins industrielle Herz Italiens. Stärkefelder und Problemzonen verlaufen fast parallel. TEXT: Klaus Schobesberger aus Mailand

8/2022 | CHEFINFO | 25 Sie können mich gerne alles fragen, nur bitte nichts zur Politik“, sagt Francesco Barontini wenige Tage vor der Parlamentswahl in Italien. Dabei sind politische Kontakte sein tägliches Metier. Der Manager ist für das Auslandsgeschäft bei Leonardo Helicopters mitverantwortlich. Mit 4,2 Milliarden Euro Umsatz und 12.000 Mitarbeitern ist sie die wichtigste Sparte des teilstaatlichen Luft- und Raumfahrtunternehmens. Leonardo zählt zur traditionell starken exportorientierten Industrie Norditaliens, die eher trotz als wegen der Regierung Roms weltweit Erfolge feiert. Mehr als 1.500 Kunden zählt das Unternehmen weltweit aus dem staatlichen, militärischen und privaten Bereich. 4.500 Fluggeräte produzierte die Hightech-Schmiede bisher, jeden dritten Tag wird ein Helikopter ausgeliefert. Mit der Republik Österreich pflegt der zweitgrößte Rüstungskonzern Europas gute Beziehungen. 18 Mehrzweckhubschrauber des Typs Leonardo AW-169 wurden für das Bundesheer bestellt. Auftragswert: rund 300 Millionen Euro. Die ersten Maschinen werden Ende des Jahres geliefert. Verzerrtes Italienbild hält sich hartnäckig Trotz seiner Größe ist dieser Hidden Champion in Österreich kaum bekannt. Seine Wurzeln reichen zurück bis ins frühe 20. Jahrhundert, als der Flugpionier Giovanni Agusta die ersten Flugzeuge baute und nach dem Krieg auch Motorräder (MV Agusta) produzierte. 2017 wurden alle Luftfahrt-, Raumfahrt- und Rüstungsaktivitäten unter demDach von Leonardo S.p.A. gebündelt. Auch die Aircraft Division feiert mit ihren Strahltrainern weltweit Erfolge. 83 Prozent der Umsätze kommen aus dem Ausland. Leonardo ist Teil jenes Erfolgsmodells Italiens, das in den Köpfen jenseits des Brenners wenig Platz findet. Die Mär von einem verschwenderischen, reformunfähigen Land, das nur dank des Tourismus ökonomisch noch überleben kann, hält sich hartnäckig. Die Wahrheit ist: Italien ist nach Deutschland der zweitgrößte Industriestandort in der EU – weit vor Frankreich, Spanien oder Polen. Laut OECD-Daten hat die Industrie Italiens in den 1990er- und 2000er-Jahren zwar an Wettbewerbskraft verloren, entwickelt sich in puncto Industrieproduktion seit 2015 besser als die deutsche. Das industrielle Herz mit seinen Maschinenbauern, Autozulieferern, HightechProdukten und Forschungsnetzwerken liegt dabei in der Region Lombardei mit ihrer Hauptstadt Mailand. Druck aus China nimmt zu Ihr stattete eine oberösterreichische Delegation aus Politik und Industrie Mitte September einen Besuch ab. Motto: von den Besten lernen, Kontakte knüpfen und innovative Ansätze mit nach Hause nehmen. „Die Region ist wie Oberösterreich für mehr als ein Viertel aller Exporte seines Landes verantwortlich. Wir haben auch gemeinsame Schwerpunkte bei Kunststoff und AutomoWIRTSCHAFT FOTOS: LAND OÖ / ERNST GRILNBERGER, ALESSIO MARINI / PA / PICTUREDESK.COM 200 österreichische Unternehmen sind in der Lombardei vertreten, rund 20 davon aus Oberösterreich. Delegationsleiter Markus Achleitner und Thomas Bründl bei Leonardo Helicopters Ô

26 | CHEFINFO | 8/2022 FOTOS: CHEFINFO SCHOBESBERGER tive sowie vergleichbare Forschungseinrichtungen und Technologiecluster“, sagt Markus Achleitner, Landesrat für Wirtschafts- und Standortpolitik. „Es ist ähnlich strukturiert wie in Oberösterreich, nur alles in einem größeren Maßstab“, sagt Thomas Bründl, Vizepräsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ). Der CEO von starlim-sterner, weltgrößter Verarbeiter von Flüssigsilikon, glaubt nicht an ein Ende der Globalisierung: „Wenn Lieferketten und Logistik wieder anlaufen, wird der Druck aus China auf Europa enorm zunehmen“, sagt Bründl gegenüber CHEFINFO. Ziel in Oberösterreich sei es, unter die führenden zehn Industrieregionen zu kommen. Derzeit liegt das Bundesland laut dem Regional Competitiveness Index (RCI) auf Platz 34. „Wir sind auf dem richtigen Weg, dürfen uns aber nicht auf den Lorbeeren ausruhen.“ Was Italien besser macht Potenzial sehen Bründl und Achleitner bei den Themen Design, Vernetzung, Industrie 4.0 – und bei der Wertschöpfung. Bei Leonardo etwa findet Outsourcing praktisch nicht statt. „Wir kontrollieren alles, inklusive der Software“, erklärt Barontini. Einzige Ausnahme: Die Motoren für die Helikopter werden zur Gänze angeliefert. Die Vorteile des Insourcings liegen auf der Hand: Man reduziert das Lieferkettenrisiko, behält die Kompetenz in Key-Technologien und erhöht die Margen. „Wertschöpfung ist der Schlüssel für Wohlstand“, sagt auch Bründl. Zweites Beispiel: Design. Diesen Trumpf spielen die Italiener in gewohnter Brillanz selbst bei schnöden Bremssätteln für Automobile und Motorräder aus. Brembo lackiert sie in gewünschter Farbe und versieht sie mit dem Markennamen des Automobils. Das 1961 gegründete Unternehmen mit Sitz in Bergamo ist ein klassischer Nischenplayer und erzeugt sieben Millionen Bremsteile jährlich. Seine führende Stellung am Weltmarkt baut es durch vernetzte Forschung vor Ort am sogenannten „Kilometro Rosso“ aus. Der Wissenschaftspark ist direkt an den Unternehmenssitz von Brembo angeschlossen und beherbergt andere Betriebe, Forschungszentren, Laboratorien und Hightech-Produktionsaktivitäten. Obwohl Alu geschmolzen und verarbeitet wird, beträgt der Gasanteil bei der Energie nur 8 Prozent. Brembo lebt zudem Konnektivität: Alle 23 Produktionsstandorte sind weltweit miteinander vernetzt, die Produktionsabläufe auf Knopfdruck abrufbar. „Wachstum durch Innovation und nicht durch Quantität“, sagt Achleitner. Energiepreisschock auf Italienisch Aber auch die Probleme sind ähnlich wie in Österreich: „Junge Leute für technische Berufe zu begeistern ist eine Herausforderung“, sagt Roberto Vavassori, Unternehmenssprecher bei Brembo. Für Nervosität in der Wirtschaft sorgt der aktuelle Energiepreisschock. „Ein texanischer Geschäftspartner sagte mir: Wie wollt ihr wettbewerbsfähig sein, wenn ihr unser LNG-Gas kauft, mit viel Energie nach Europa transportiert, dann etwas damit produziert und die Produkte wieder zurück in die USA verschifft?“, so Vavassori. Für Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der IV OÖ, ist die entscheidende Frage, ob es in den nächsten Jahren gelingen wird, die Industrie in Europa zu halten, oder ob sie in andere Wirtschaftsregionen mit niedrigeren Energiekosten abwandert. Eine Frage, die wohl eher in Brüssel als in Rom oder Wien entschieden werden wird. n WIRTSCHAFT Joachim HaindlGrutsch in der Pirelli-­ Zentrale in Mailand: Geforscht wird an der nächsten Generation von lärmarmen Reifen für die E-Mobilität. Die alles entscheidende Frage ist jene, ob es gelingen wird, die Industrie in Europa zu halten. Joachim Haindl-Grutsch Geschäftsführer IV OÖ

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