Chefinfo Magazin 8-22

46 | CHEFINFO | 8/2022 FINANZEN FOTO: FABRIZIO BENSCH / REUTERS / PICTUREDESK.COM Gesenktes Haupt, schwerer Schritt: WirecardCEO Markus Braun hat schon einmal dynamischere Zeiten erlebt, sogar die deutsche Altbundeskanzlerin Angela Merkel schwärmte in China vom Fintech mit Weltrang. Was vom Hype blieb, ist eine 474 Seiten starke Anklageschrift und der größte Betrugsskandal in der deutschen Nachkriegsgeschichte. „Von Ruhm und Glanz ist wenig über“, sang schon Rainhard Fendrich, denn so wie Braun ist einer der meistgesuchten mutmaßlichen Wirecard-Kollaborateure Jan Marsalek „from Austria“. „From Sweden“ ist Klarna, deren CEO Sebastian Siemiatkowski muss sich zwar keinem Betrugsverdacht stellen, doch wirklich rund läuft das einst wertvollste Startup Europas auch nicht. Klarna stürzte beim Unternehmenswert von 45,6 auf 6,7 Milliarden Euro ab. Für Siemiatkowski ist das Teil einer Bereinigung, sprich Fintechs waren zumTeil völlig überbewertet. „Klarna ist das einzige Fintech-Unternehmen der Welt, das in den ersten 14 Jahren seines Bestehens profitabel war“, meint der CEO. Doch Klarna kam in letzter Zeit immer öfters in die Schlagzeilen, nicht nur, weil es den Schweden wieder gelang, weitere 792 Millionen Euro an Risikokapital unter anderem von Sequoia Cap, der Bank of Australia und dem Staatsfond der Vereinigten Arabischen Emirate zu holen, sondern wegen Kunden, die durch den Bezahldienst in die Schuldenfalle gerieten. Klarna bietet eine „buy now, pay later (BNPL)“-Dienstleistung an, und zwar ohne Bonitätsprüfung. Das Fintech schießt den Betrag vor und holt ihn sich in Raten mit einigen Gebühren vom Gläubiger wieder. Der EU ist das ein Dorn im Auge und man will dem BNLP-Prinzip einen Riegel vorschieben, so soll es schon bei Kleinkrediten eine Bonitätsauskunft geben. Klarna verliert damit seinen USP gegenüber klassischen Konsumkrediten. Dabei ist in den letzten drei Jahren enorm viel in Fintechs investiert worden. Jeder fünfte in Startups gesteckte Euro ging in junge Finanzdienstleister. Ist dieser Hype nun vorüber? Holvi: 82 % weniger Kunden Auch andere einst hoch gefeierte Fintechs haben derzeit wenig zu jubeln. Holvi mit Sitz in Helsinki – nein „Fintech“ stammt nicht aus Finnland – vermeldet 82 Prozent weniger Kunden. Das relativiert sich insofern, als dass Co-Gründer Tuomas Toivonen das Startup von der spanischen Bank BBVA zurückgekauft hat und die Verluste von 117 Millionen Euro auf vier Millionen senkte – mit einer „Zero Budget Policy“, sprich einem radikalen Sparkurs. Er halbierte den Mitarbeiterstand. Auch das deutsche Fintech-Startup Kontist sparte ein Viertel seiner Belegschaft ein. Es gäbe noch weitere unzählige Beispiele für die Krise der Fintech-Branche, denn es kracht im Gebälk. In Deutschland startet Anfang 2023 der größte Betrugsprozess der Nachkriegszeit gegen Wirecard-CEO Markus Braun und weitere Manager des Fintechs.

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