Chefinfo Magazin Start Up 01-2024

OBERÖSTERREICHS ERSTES INNOVATIONS- UND STANDORTMAGAZIN 2024 STARTUPS & DIE „GROSSEN“: WIE DIE GRÜNDER-SZENE MIT ETABLIERTEN UNTERNEHMEN KOOPERIERT STARTUP DOPPEL (S)PASS 2024/34. JG./NR. 3A/2,50 EURO, ÖSTERREICHISCHE POST AG, GZ 02Z031559 M, ZIELGRUPPEN-ZEITUNGSVERLAGS GMBH, ZAMENHOFSTRASSE 9, 4020 LINZ

nach St. Florian und ins ganze Bruckner-Land Amt der Oö. Landesregierung, Direktion Kultur und Gesellschaft, Abteilung Kultur, Promenade 37, 4021 Linz OÖ KulturEXPO anton bruckner 2024

Ausstellung im Stift St. Florian Mai – Oktober Wie alles begann. Bruckners Visionen

4 | CHEFINFO SPEZIAL IMPRESSUM: Eigentümer und Medieninhaber: Zielgruppen-Zeitungsverlags GmbH. Redaktionsanschrift: Zamenhofstraße 9, 4020 Linz, Tel.: +43 (0) 50 6964-0, E-Mail: redaktion@chefinfo.at. Herausgeber: Peter Lengauer. Geschäftsführung: Mag. Johanna Lengauer, Hans Huber. Chefredaktion: Klaus Schobesberger. Redaktion: Jürgen Philipp Bakk. Komm. MBA, Michael Schwarz BA MA. Verlagsverkaufsleitung: Christian Schüttengruber. Anzeigen: Romana Gerard, Roswitha Lang, Mirijam Mayer. Artdirector: Thomas Bruckmüller. Artdirector-Stv.: Julia Pargfrieder. Grafik: Malina Lahner, Vanessa Morandell, Rebecca Falmbigl. Bildbearbeitung: Andrea Laban, Frank Garzarolli. Korrektur: Mag. Christina Nikiema-Spiegl. Internet: www.chefinfo.at. Gültig ist die Preisliste 2024. Im Sinne einer leichteren Lesbarkeit werden geschlechtsspezifische Bezeichnungen überwiegend in männlicher Form verwendet. START-UP IST EIN PRODUKT IM Reden wir KLARTEXT Es vergeht keine Woche, in der nicht eine weitere Insolvenz eines Startups verkündet wird. Ja, es ist traurige Realität und noch immer ein Tabu. Hohe Zinsen und damit einhergehend ein Verschieben von Investments in klassischere Anlegeformen – Kriege und Krisen treffen junge Unternehmen doppelt hart. Und dennoch ist für sie Aufgeben keine Option. Der unbändige Wille, etwas zu bewegen, ist stärker als die Angst vor dem Scheitern. Wir sagen: Gut so! Lasst Euch nicht bremsen, lasst nie zu, dass Ihr Euch irgendwann in Eurem Leben denken müsst: „Warum habe ich das nicht getan?“ Scheitern tut weh, aber seiner Leidenschaft nicht nachzugeben und vergebenen Chancen nachzutrauern, noch viel mehr. Und es gibt bereits Licht am Horizont. Zwar sanken die Investitionen um 32 Prozent, dennoch sind die 695 Millionen Euro an Kapital, die 2023 in Startups flossen, der dritthöchste Wert der Geschichte. Denn eines ist auch Investoren klar: Echte Begeisterung kennt keine Widerstände. INHALT Jürgen Philipp STARTUP Magazin Klaus Schobesberger CHEFINFO EDITORIAL Groß & Klein Wenn Startups mit Konzernen kooperieren. 08 Produktivität Mehr rausholen in weniger Zeit. 32 Startups4future Junge Genieblitze schonen das Klima. 46 Lifestyle [K]eine Frage des [Lebens]stils. 56 COVERFOTO: SVETAZI / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS FOTOS: FOTOSTUDIO MEISTER EDER, SVETAZI, IMAGINIMA, SIMARIK / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, LAMBADA / E+ / GETTY IMAGES

bezahlte Anzeige Foto: © FACC INDUSTRIELAND OÖ ERSTMALS UNTER DEN TOP IN DER EU. Oberösterreich ist erstmals unter die Top 20 der Industrieregionen der EU aufgestiegen. Damit zählt unser Bundesland zu den Spitzenaufsteigern des aktuellen RCI-Industrieregionen-Rankings der EU. Mit diesem Rückenwind wollen wir Oberösterreich im Wettbewerb der Regionen noch weiter voran bringen: Denn nur so können Arbeitsplätze und Wohlstand in unserem Land erhalten und ausgebaut werden. Mehr Infos: www.wirtschaftslandesrat.at

6 | CHEFINFO SPEZIAL STARTUP FOTOS: STARTUPS UPPER AUSTRIA, RALPH GATTI / AFP / PICTUREDESK.COM, MATTHEW CAVANAUGH / EPA / PICTUREDESK.COM, FABRICE COFFRINI / AFP / PICTUREDESK.COM Startups helfen Startups – das ist das Motto des neu gegründeten Vereins „Startups Upper Austria“. Im Dezember 2023 wurden bereits 100 Mitglieder gezählt, darunter 70 Unternehmen. Rund ein Viertel der Mitglieder sind Gründerinnen. Startups Upper Austria will den Vernetzungsgedanken forcieren und gemeinsam gründen und wachsen. Wir wünschen viel Erfolg! START(UP) HILFE SAM ALTMAN CEO OpenAI „Die KI wird wahrscheinlich zum Ende der Welt führen, aber in der Zwischenzeit wird es große Unternehmen geben.“ PABLO PICASSO Jahrhundert-Künstler „Computer sind nutzlos. Sie können nur Antworten geben.“ KLARTEXT SAFRA A. CATZ CEO Oracle „Hoffentlich werden die Herausforderungen der Generationen in Zukunft an der Leistung und nicht am Geschlecht gemessen.“

CHEFINFO SPEZIAL | 7 STARTUP FOTOS: GRAND GARAGE / FACTORY300, MARTIN BARRAUD / OJO IMAGES / GETTY IMAGES QUELLE: EY START-UP INVESTMENT BAROMETER 2023 STARTUPS PRO 1 MIO. EINWOHNER HAT EU-SPITZENREITER ESTLAND – IN ÖSTERREICH SIND ES 0,6. 4,5 184 Finanzierungsrunden gab es 2023 – ein Rekordwert. Prozent aller Investments beinhalteten österreichisches Kapital. 62 FACTS 695 Millionen Euro lukrierten heimische Startups an Kapital. Das sind um 32 % weniger als 2022, dennoch das beste Ergebnis abseits der letzten beiden Boomjahre. Seit 1.1.2024 ist das neue „Start-UpFörderungsgesetz“ in Kraft. Die Mitarbeiterbeteiligung wird damit so gut wie steuerfrei. Dazu wurde die FlexCo eingeführt, in die nur 10.000 Euro Stammkapital eingezahlt werden müssen. Experten sehen diese zwar grundsätzlich positiv. Es geht ihnen aber nicht weit genug. Vor allem Investitionen in Startups müssten erleichtert werden, etwa mit Beteiligungsfreibeträgen oder institutionellen Fonds. TRENDS Neighborgood Der Code „GG+f300 Neighborship“ ist kein neuer Algorithmus, sondern die Vernetzung von GRAND GARAGE und factory300 in der Tabakfabrik Linz. Sie haben 2023 ihre Kräfte gebündelt. Kreative Ideen können nun noch rascher umgesetzt werden. Tausend Euro Stammkapital muss man bei einer FlexCo einzahlen. 10

8 | CHEFINFO SPEZIAL COVERSTORY ZIEMLICH BESTE FREUN

CHEFINFO SPEZIAL | 9 FOTO: SVETAZI / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS COVERSTORY N DESTARTUPS UND DIE „GROSSEN“. Es sind scheinbar zwei Welten: Kleine, wendige Startups treffen auf große, ressourcenstarke Unternehmen und Konzerne. Ein Widerspruch? Ganz im Gegenteil. Das passt! Allerdings ist das meist eine Frage der Kultur. STARTUP bringt Erfolgsbeispiele, wie diese Kulturen sich gegenseitig befruchten können, wie man Einzelhandels- und Telekom-Giganten von sich überzeugt und sogar die Rettung der europäischen Wirtschaft im Fokus hat. Text: Jürgen Philipp

10 | CHEFINFO SPEZIAL COVERSTORY Ein „dreckiges Dutzend“ schrieb Geschichte: die so benannten zwölf IBM-Ingenieure, die in nur einem Jahr – 1980 bis 1981 – einen Personal Computer entwickelten. Zwölf Menschen in einem Riesenkonzern, der nach wie vor auf Riesenrechner setzte. „The Big Blue“ gab daher keine Ressourcen frei, um ein passendes Betriebssystem zu programmieren. Das „dreckige Dutzend“ sah sich in der Community um und lud junge Tech-Unternehmen – unter anderem Microsoft, sechs Jahre zuvor in einer Garage in Albuquerque gegründet – ein. Bill Gates und Paul Allen reisten mit einer Diskette im Gepäck an. Ihr Inhalt: „MS-DOS“. Da IBM der PC nicht wichtig schien, durften sie die Rechte daran behalten. Der Rest ist Geschichte. Der Umsatz von IBM 2023 betrug 61,86 Milliarden US-Dollar, der von Microsoft 211,9 Milliarden. DIE „PARTNERVERMITTLER“ Unterschätzen die „Großen“ die „Kleinen“? Schon lange nicht mehr, meint einer, der es wissen muss: Manfred Schietz. Schietz ist Open Innovation Consultant bei PIER 4, einer Initiative, die seit 2017 Startups und große Unternehmen in Oberösterreich und darüber hinaus vernetzt. „Angefangen haben wir als Scouts. Jetzt sehen wir uns mehr als Partnervermittler.“ Aus diesen „Dates“ werden Kooperationen. „Es muss das Mindset beider Seiten kompatibel sein. Wir suchen, wer zu wem passt, bei dem beide auf einer Welle sind und dieselbe Sprache sprechen.“ Schietz weiß, dass es dabei nicht um einen Bund fürs Leben geht, sondern eine fruchtbare Form von „Lebensabschnittspartnerschaft“ darstellt. „Unternehmen und Startups suchen kein Investment oder Beteiligungen. Sie suchen Auftragsbeziehungen und Kundenprojekte.“ PIER 4 spielt dabei den Übersetzer und Unterstützer, coacht junge Tech-Unternehmen und organisiert Pitching Sessions. „Wir haben noch nie ein Startup gefunden, das eins zu eins zu einem großen Unternehmen passt.“ Das liegt in der Natur der Sache. FOTOS: TECH2B, ANTJE WOLM E Ô Connector(en) PIER 4 sieht sich als „Partnervermittler“ und bringt Startups mit großen Unternehmen zusammen, wie Manfred Schietz (2. v. l.) erzählt. Angefangen haben wir als Scouts. Jetzt sehen wir uns mehr als Partnervermittler. Manfred Schietz Open Innovation Consultant PIER 4

CHEFINFO SPEZIAL | 11 FiveSquare wurde 2021, noch vor dem KI-Hype, gegründet. Wie viel Überzeugungsarbeit, vor allem bei großen Unternehmen, mussten Sie und müssen Sie heute noch leisten? Hans-Peter Pichler: Das stimmt. Wir haben gestartet, bevor KI cool war. KI war zwar schon bekannt, aber viele Unternehmen meinten, da kommen wieder zwei Wahnsinnige, die uns die Zukunft erklären wollen. Heute wird KI hingegen in manchen Bereichen fast überschätzt. Mittlerweile müssen wir somit auch teilweise die Erwartungen ein wenig einbremsen: KI ist ein Werkzeug. Es ist wie ein Hammer und einen Hammer brauche ich für Nägel, für Schrauben ist er in den meisten Fällen ungeeignet. Wenn wir mit Unternehmen zusammenarbeiten, ist die Erwartungshaltung mittlerweile enorm hoch. Das Hammer-Beispiel ist unser erstes Statement und ein EyeOpener. Ich brauche nicht für jedes Problem eine KI-Lösung. Aber natürlich ist KI der nächste technologische Sprung in der Automatisierung. Wir kratzen da erst an der Oberfläche. Inwieweit ist der Einsatz von KI in Unternehmen auch eine Kulturfrage? Pichler: Wir arbeiten viel mit Industrie- unternehmen zusammen und lösen konkrete Aufgaben. Je innovativer ein Unternehmen ist bzw. dort, wo die Geschäftsführung dahintersteht, desto einfacher ist es für uns, neue Technologien auszurollen. Je verschlossener die Unternehmenskultur ist, desto mehr haben sie ein Problem damit, dass ein KISystem Fehler machen könnte. Wichtig zu verstehen: KI agiert in der Stochastik, also in der Wahrscheinlichkeit. Überall, wo eine Wahrscheinlichkeit existiert, gibt es eine Gegenwahrscheinlichkeit. Die Akzeptanz solcher Systeme korreliert daher oftmals auch sehr stark mit der Fehlerkultur eines Unternehmens. Wurde diese Themenstellung verstanden und ist die Unterstützung von der Geschäftsleitung gegeben, ist die Erfolgswahrscheinlichkeit von solchen Projekten zumeist deutlich größer. Wie helfen Sie großen Unternehmen und Organisationen konkret? Pichler: Aus der Forschung heraus entstand unsere Motivation, das Thema der KI in Europa auch wirtschaftlich nach vorne zu bringen. Wir schauen uns mit Unternehmen an, was KI für ihre Geschäftsprozesse, Geschäftsmodelle und Produkte bedeutet. Deshalb haben wir auch AI Explore entwickelt, um Unternehmen bei der Identifizierung konkreter Einsatzbereiche von KI effizient zu unterstützen. In klassischen Ansätzen werden oft Hunderte Workshops durchgeführt, ohne dass klar ist, wie das Erlernte anzuwenden ist. Mit unserem zweiten Produkt – KARLI – haben wir eine Plattform erschaffen, die die Fähigkeiten von Large Language Models auf datensichere Weise einer gesamten Organisation zur Verfügung stellt, auch auf österreichischen Servern. KARLI stellt Unternehmenswissen in einem KI-Modell bereit. Die Vision ist es, ein Modell zu erschaffen, das jede Facette des Unternehmens kennt, um den Arbeitsalltag zu verbessern. KARLI verbindet sich mit verschiedenen Wissensquellen und wird so zur KI, die das Unternehmen kennt. Wie sehr ist das Aufeinandertreffen eines Startups und eines großen Unternehmens ein Clash of Cultures? Pichler: Große Unternehmen haben oftmals strikte Strukturen, sonst lässt sich das nicht organisieren. Wir geben ihnen die Möglichkeit, wie ein Startup zu denken und „challengen“ die Organisation mit unseren Inputs. Sie wollen auch deswegen mit jungen Unternehmen zusammenarbeiten, weil es für sie technologisch und kulturell spannend und für jeden eine Bereicherung ist. Das hinterlässt Spuren. INDUSTRIE. FiveSquare macht – vor allem Industrieunternehmen – klar, was KI für sie leisten kann. Dafür sorgt nicht zuletzt die „hausgemachte“ KI „KARLI“, wie CEO Hans-Peter Pichler erzählt. KI war zwar schon bekannt, aber viele Unternehmen meinten, da kommen zwei Wahnsinnige, die uns die Zukunft erklären wollen. Hans-Peter Pichler CEO FiveSquare NÄGEL EIN HAMMER BRAUCHT

12 | CHEFINFO SPEZIAL COVERSTORY FOTO: ANTJE WOLM, NXAI / NETURAL X In diesen Pitching Sessions bringt Schietz mit seinem Team sieben bis acht handverlesene Startups mit den 32 Unternehmenspartnern – die Zahl hat sich seit der Gründung von PIER 4 verdreifacht – zusammen. „Daraus ergeben sich im Anschluss rund 50 Folgetermine.“ Diese werden von PIER 4 organisiert und münden auch in Arbeitsgemeinschaften, die sich Schwerpunktthemen wie KI, Lieferketten oder Wasserstoff widmen. IT‘S A MATCH! Einige aktuelle Beispiele gefällig? Seven Bel, das sich auf Akustikmessungen spezialisiert hat, kooperiert mit Wacker Neuson. Pöttinger Landtechnik und Mox VR haben einen virtuellen Messestand entwickelt. Das Wiener Startup thinkers.ai fand für die Energie AG KIgetriebene Lösungen zur Lieferantensuche. qapture, spezialisiert auf digitale Zwillinge, arbeitet unter anderem für die voestalpine. Aus der voestalpine Steel Division entstand 2020 das Startup tfs („tailormade functional steel“), das gemeinsam mit der MKW® Group einen innovativen Handtuchhalter der „Clia“-Serie entwickelt hat. Und es geht munter weiter: blankmile, Leftshift One, Danube Dynamics, … Sie alle haben bereits bei großen Unternehmen angedockt, die teilweise vor der Haustür liegen. Die Vernetzung, speziell von Industrie und Startups, ist dabei ein absolutes Asset des Standorts. WIE KANN MAN KUNDEN GLÜCKLICH MACHEN? Auch FiveSquare, das KI-Potenziale für Unternehmen aufzeigt, kooperiert mit „Großen“, etwa mit Poloplast. „Poloplast ist sehr innovativ und hat eine Geschäftsführung, die das enorm treibt. Das macht es uns einfach, die Technologie auszurollen“, erzählt CEO HansPeter Pichler. FiveSquare sieht sich als Sparringspartner, als jemand, der Potenziale von KI in Unternehmen sichtbar machen kann, aber auch die oft zu hohen „Heilsversprechungen“ ins realistische Licht rückt. „Wir unterstützen dabei, wie man die transformative Technologie in ein Geschäftsmodell verwandelt.“ Im Fall von Poloplast ging es im Kern darum, wie man deren Kunden noch glücklicher machen könnte. „Der Kunde ist glücklich, wenn die Customer Experience die Erwartungen übertrifft. Er möchte die geschäftliche Transaktion ohne viel Aufwand und ein maßgeschneidertes Angebot.“ Das alles kann KI unterstützen. „Mit menschlicher Intelligenz kann man KI-Systeme konzipieren, um neue Potenziale im geschäftlichen Kontext zu eröffnen.“ FiveSquare deckt genau diese Potenziale mit seinem Produkt „AI Explore“ auf. Der Clou: Sämtliche Mitarbeiter können es – unabhängig von der Position im Unternehmen – anwenden. „Es werden Fragen gestellt, die auch ein Nicht-Techniker versteht. Fragen wie: ‚Wo siehst Du eintönige Tätigkeiten in Deinem Arbeitsalltag?‘“ Hinter eintöniger, nerviger Arbeit steckt meist repetitive Arbeit und die lässt sich durch KI-Anwendungen unterstützen. „Wir schauen in die Kultur der Unternehmen hinein und befähigen diese mit den technologischen Möglichkeiten.“ Ô Potenzialheber Lisa Wöss (Head of Innovation Poloplast), Patrick Haidinger (CTO FiveSquare), Hans-Peter Pichler (CEO FiveSquare) und Alice Godderidge (CEO Poloplast) heben gemeinsam KI-Potenziale. Mit menschlicher Intelligenz kann man KI-Systeme konzipieren, um neue Potenziale im geschäftlichen Kontext zu eröffnen. Hans-Peter Pichler CEO FiveSquare

CHEFINFO SPEZIAL | 13 COVERSTORY Wie will man beim Mega-Thema „KI“ mit den USA und China mithalten? Geht das überhaupt noch oder ist der Zug abgefahren? Albert Ortig: KI ist eine der größten industriellen Revolutionen, deutlich größer als das Internet, weil es alles verändert. Jetzt müssen wir sehr rasch auf Touren kommen, sonst gibt es bald keine Industrie mehr in Europa. Wenn man in den USA und deren Compute-Kapazitäten einen Tag braucht, um ein Datenmodell zu trainieren, dauert es in Europa 30 Tage. Sprich ein Jahr KI-Entwicklung in den USA ist gleich 30 Jahre in Europa. Das können wir uns nicht leisten und das kann auch nicht sein! Wir sind in Europa in der Entwicklung von Basistechnologien weltweit an der Spitze. Doch wie können wir unser Know-how wirtschaftlich halten bzw. kommerzialisieren? Die Kerntechnologie hat das Potenzial, dass wir es in der Industrie schnell ausrollen können, das ist sicher ein Vorteil in Linz. Europaweit haben wir hier ein konzentriertes Umfeld und es macht deshalb Sinn, hier zu sein. Es müssen sich nur alle in Bewegung setzen. Wir haben in Europa genug Geld und genug Know-how. Wir müssen nur tun! Bewegt sich die europäische Industrie hier schnell genug bzw. werden die KI-Potenziale überhaupt verstanden? Ortig: Wir sehen, dass sich viel Neues am Markt bewegt. In der Industrie wird das bisher noch nicht so wahrgenommen. Das Thema „KI“ ist zum einen gehypt und gleichzeitig unterschätzt. Milliardenschwere Industrieunternehmen klopfen sich auf die Schultern, weil sie fünf Data-Scientists haben. Aber das reicht nicht. Wir müssen uns schneller bewegen. Der Impact ist gewaltig. Das alles wird sich in wenigen Jahren abspielen. Die meisten Industrieunternehmen müssen wissen, was alles schon geht. Doch die Menschen kommen oft nicht mehr mit und wird die Technologie nicht eingesetzt, geht sie ins Ausland. Inwieweit wird KI unsere Industrie verändern bzw. wieso ist sie lebensnotwendig für die Industrie? Ortig: In den USA werden Hunderte Milliarden in die KI-Infrastruktur und in Compute investiert. Kombiniert man die verfügbare Rechenleistung, würde das Anlernen von ChatGPT 3.5 in den USA 30-mal schneller möglich sein als in Europa! Europa ist oftmals noch weltmarktführend im Maschinenbau, in der Pharmaentwicklung und vielen anderen Industrie-Segmenten. Derjenige, der die höchste Rechenpower und Daten hat, wird das Rennen machen. Damit hängt der Vorsprung unserer Industrie von der Rechenkapazität und dem aktiven Entwickeln und Anwenden dieser neuen Technologien in allen Unternehmensbereichen ab. Doch es gibt derzeit keinen europäischen Player mit Vorsprung bei der Chip-Entwicklung oder einen europäischen Hyperscaler (Cloud-Anbieter). Wir benötigen viel Forschungskapital für hochriskante Forschungen ohne Businessplan und nochmal deutlich mehr für die Transformation der Technologien und Forschungsergebnisse in die industriellen Anwendungen. Das funktioniert in den USA seit vielen Jahren deutlich besser als bei uns. Und daran müssen wir alle intensiv arbeiten. KI. NXAI vernetzt Forschung, Industrie und Kapital. Es will Sepp Hochreiters xLSTM weiterentwickeln und Europas industrielle Zukunft sichern. Albert Ortig, CEO von NXAI, schildert wie. GRÖSSER ALS DAS INTERNET Jetzt müssen wir sehr rasch auf Touren kommen, sonst gibt es bald keine Industrie mehr in Europa. Albert Ortig CEO NXAI

14 | CHEFINFO SPEZIAL COVERSTORY FOTOS: NXAI / NETURAL X, OFFICE@FOTOSTUDIO-EDER.AT KARLI „IS NED DEPPAT“ Ein weiteres Produkt des Startups hört auf den Namen KARLI. Und KARLI ist garantiert „ned deppat“, sondern intelligent. KARLI agiert ähnlich wie ChatGPT, spezialisiert auf Unternehmensdaten, das auch datensicher zu 100 Prozent in Österreich laufen kann. „Es ist in der Lage, jede Facette des Unternehmens zu verstehen und es lernt genau, wie die Prozesse funktionieren. Es kann also mehr, als nur E-Mails zusammenfassen.“ So entwickelt FiveSquare auch neue Abläufe, Prozesse und Geschäftsmodelle für seine Kunden, etwa auch für Pöttinger Landtechnik. „Wir haben uns angesehen, wie die Interaktion mit der Maschine aussehen kann. Kann ich mit meiner Landmaschine telefonieren? Was braucht diese für den morgigen Einsatz? Und vieles mehr.“ Auch für B&R in Braunau war das Startup bereits aktiv. „Sie bekommen Tausende Kundenanfragen. Das kostet viel Zeit im Kundensupport. Wir haben gemeinsam mit dem B&R-Team einen Chatbot entwickelt, der die Kunden berät. Fragt ein Kunde beispielsweise, welche Komponenten dieser für eine bestimmte Maschine benötigt, kennt KARLI die potenziellen Lösungen. Es versteht die B&R-Produkte und unterhält sich mit dem Kunden.“ Das Gute ist eben oft so nah. Es gibt „in der Nachbarschaft“ daher mehr als genügend Expertise, um gemeinsam eine innovative Zukunft zu gestalten. REVOLUTION OHNE BUSINESSPLAN Sogar genug Expertise, um die Technologiewelt zu revolutionieren? Ein Unternehmen, das erst im Dezember 2023 gegründet wurde, aber bereits hohe internationale Wellen schlug, ist NXAI. Der Zusammenschluss von JKU-KIGuru Sepp Hochreiter mit Netural X und Pierer Digital will nicht mehr und nicht weniger, als Europas (bessere) Antwort auf OpenAI sein – ein Zusammenschluss aus Forschung, Unternehmertum und Kapital. Das sei die eine Perspektive, wie Albert Ortig, CEO von Netural und NXAI, meint: „Die andere ist, ein Stück unabhängiger gegenüber anderen Technologien zu werden. Seit dem ChatGPTLaunch hat sich alles rasant verändert. Die Energie und die Bewegung waren extrem. Wir sollten daher nutzen, was es gibt.“ Und es gibt etwas: Sepp Hochreiters xLSTM – sein europäisches Large Language Model (LLM). „Ein Forscher will forschen und keine Zeit mit Businessplänen verschwenden. NXAI ist daher ein Hochrisiko-Investment“, so Ortig. WIRD EUROPAS ZUKUNFT IN LINZ ENTSCHIEDEN? Auch gibt es keine Förderungen. „Das dauert zu lange. Die Zeit haben wir nicht. Zehn Jahre in der herkömmlichen Forschung kann man in etwa mit einem Jahr in der KI-Forschung vergleichen. Wir forschen nicht, um ein Produkt zu bauen oder ein Startup zu gründen, sondern wir transformieren Forschung in die Anwendung.“ Hochreiters brillantes xLSTM soll so zur Marktreife gelangen. Der Ansatz ist revolutionär, das Versprechen bahnbrechend: „Erste Ergebnisse zeigen, dass xLSTM effizienter (mit weniger Rechenkapazität), schneller und vor allem besser (höhere Genauigkeit) arbeitet als alle bisherigen LLMs“, heißt es in der Presseaussendung. Dazu soll xLSTM die Semantik von Texten besser verstehen und komplexere Texte generieren können. Der Clou liegt in der Rechenkapazität. Europa Revolutionäre Die „Revolutionäre“ Felix Neusser (PIERER Digital), Sepp Hochreiter (JKU) und Albert Ortig (Netural X) wollen gemeinsam Europas KI-Antwort auf Open AI marktfähig machen. Ein Forscher will forschen und keine Zeit mit Businessplänen verschwenden. NXAI ist daher ein Hochrisiko-Investment. Albert Ortig CEO NXAI Ô

CHEFINFO SPEZIAL | 15 Wie haben Sie als ursprünglich kleines Startup die großen Telcos von Ihrem Mehrwert überzeugt? Roland Pedak: Die Telcos sind nach wie vor in einem Transformationsprozess, der immer noch andauert. Die EBITDA-Kurven sind flach und wenn es Zugewinne gibt, dann meist nur durch Merger oder Inflationsanpassungen. Sie waren nie die großen Technologietreiber der Branche. Das waren immer die Smartphone-Hersteller wie Samsung oder Apple. Telekommunikation ist zu einem Commodity geworden. Für die Mobilfunker ist es daher entscheidend, wie sie sich weiter positionieren wollen. Mit Embedded-Insurance-Produkten schaffen wir einen Mehrwert für sie. In den USA kauft man heute etwa einen Tesla samt Haftpflicht- und Kaskoversicherung. Die Kunden haben den Preisvorteil und es ist easy. Telcos sind große börsennotierte Unternehmen, die Entscheidungsprozesse dauern meist lange. Wir mussten also viel Consulting Work investieren. Es gibt natürlich Regulatorien sowie Themen, die wir garantieren und einhalten müssen. Das ist durchaus herausfordernd. Wir mussten sie daher anfangs überzeugen und das müssen wir nach wie vor. Dennoch sind wir in Europa mit unseren Partnern in einer absoluten Vorreiterrolle. Jetzt wollen wir mit den Telcos den nächsten Schritt gehen. Zur klassischen Reiseversicherung sollen Haushaltsprodukte angeboten werden. Bin ich im Urlaub, kann ich für diese Zeit mein Haus gegen Einbruch, Brand oder Wasserschäden versichern lassen. Auch der Online-Shopping-Schutz mit eigener Cyber-Versicherung gegen digitale Betrugsrisiken steht im Fokus. Alles über das Handy. Umgekehrt würde das nicht funktionieren, sprich keiner würde eine Lebensversicherung im Mobilfunker-Store abschließen. Der Kunde wird lernen, dass sein Smartphone ein nativer Platz ist, um Versicherungen zu kaufen. Treten InsureTechs wie LAMIE den großen Versicherungskonzernen nicht auf die Zehen? Pedak: Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass der Markt für Embedded Insurance in den nächsten fünf Jahren auf drei Billionen Dollar Marktvolumen steigen wird. Wir nehmen den klassischen Versicherern aber keine Margen weg, sondern kreieren neues Geschäft. 40 Prozent der User, die über uns eine Reiseversicherung abschließen, hatten vorher noch keine. Aus unserer Überzeugung des gesamten 5-Billionen-Markts wird Embedded Insurance gemeinsam mit den Telcos rund 30 Prozent des Markts ausmachen. Wir schaffen ihnen also einen USP. Wer beschäftigt sich gerne mit einer Versicherung? Da freut sich keiner aufs Unboxing, sondern es geht nur, wenn man hohen Kundennutzen erzeugt. So wollen wir versuchen, 100 Prozent der Schadensfälle auszuzahlen, derzeit sind wir bei 97 Prozent. Wir nehmen den Kundennutzen sehr ernst. KI scheint überall eine Rolle zu spielen. Auch in Ihrer Branche? Pedak: Absolut. Wir sind ständig auf der Suche nach Einsatzmöglichkeiten von KI, etwa beim Thema „Schadensabwicklung“, aber auch in allen Bereichen unseres unternehmerischen Daseins. Das wird in den nächsten zwölf bis 18 Monaten unser großer Fokus. Wir wollen mit KI Prozesse vereinfachen und automatisieren. KI hilft den Mitarbeitern, weil sie sich auf andere Arbeiten fokussieren können. Das führt nicht zu einer Rationalisierung, sondern Mitarbeiter können sich dank KI wieder auf höher qualifizierte Arbeiten konzentrieren. TELEKOMMUNIKATION. Wie ein Linzer Scale-up auf einem 3-Billionen-Euro-Markt agiert und große Telcos von sich überzeugen konnte, schildert Roland Pedak, Co-Founder von „LAMIE direkt“. Wer beschäftigt sich gerne mit einer Versicherung? Da freut sich keiner aufs Unboxing, sondern es geht nur, wenn man hohen Kundennutzen erzeugt. Roland Pedak Co-Founder LAMIE direkt USP WIR SCHAFFEN FÜR GROSSE EINEN

16 | CHEFINFO SPEZIAL COVERSTORY hinkt den großen Playern China und USA hier meilenweit hinterher. Gelingt es NXAI, diesen kritischen Faktor außer Kraft zu setzen, hat Europa eine „KIspektive“, das Match doch noch federführend zu gestalten. Federführend wie „LAMIE direkt“ beim Thema „InsureTech“. EMBEDDED INSURANCE Wenn Sie auf Reisen gehen, dann poppt beim Grenzübertritt oft eine SMS Ihres Mobilfunkbetreibers auf. Eine SMS, die Ihnen eine Reiseversicherung anbietet. Ist das der Fall, hat das mit hoher Wahrscheinlichkeit mit „LAMIE direkt“ zu tun. „Wir verkaufen keine klassischen Versicherungen, sondern betreiben Embedded Insurance. Das heißt, wenn jemand ein Handy, eine Brille oder sonstige Sachgüter kauft, bekommt er direkt vom Anbieter einen maßgeschneiderten Versicherungsschutz dazu“, so Co-Founder Roland Pedak. LAMIE direkt ist ein InsureTech-Unternehmen, das stark auf Digitalisierung setzt, etwa bei erwähnter Reiseversicherung. „Es werden nur die tatsächlichen Reisetage verrechnet. Eine klassische Reiseversicherung kostet 150 Euro im Jahr. Wenn ein Reisetag bei uns 1,99 Euro kostet, kann man sich ausrechnen, wie viel Urlaub man machen müsste, damit sich das auszahlt.“ MEHRWERT FÜR NON-ENSURANCEBRANDS UND KUNDEN Das Scale-up wurde 2016 von Roland und Christian Pedak gegründet. Die beiden Brüder lernten das Handwerk bei ihrem Vater Heinz, der mit dem Versicherungsmakler Integral Insurance Broker den Grundstein legte. „Für uns war klar, dass sich das Leben vieler Kunden auf der Oberfläche des Handys abspielt. Unsere Partner, wie etwa große Telekommunikationsunternehmen (Telcos), sind nahe am Kunden. Wir wollten daher die Technologie in einen Kundennutzen umwandeln.“ Telcos, die erst einmal überzeugt werden mussten. Das gelang. LAMIE direkt begleitete die großen Player auch auf ihre Auslandsmärkte. Zuletzt wurde ein Büro in Belgrad eröffnet. Das Scale-up betreut mit seinen 70 Mitarbeitern rund eine Million Kunden in zehn Ländern: „Wir setzen auf sehr hohe Transparenz. Unsere Verträge sind klar und leicht verständlich formuliert, und wir zahlen in 97 Prozent aller uns gemeldeten Schadensfälle auch aus – das ist absoluter Branchenrekord.“ DREI BILLIONEN EURO Wie groß der Markt an Embedded Insurance werden könnte, zeigt eine Studie. In den nächsten fünf Jahren soll das Volumen weltweit auf drei Billionen Euro ansteigen. Das sah man auch an den Bewertungen vieler InsureTechs. „Ein Marktbegleiter von uns, der nur 400.000 Kunden betreut, wurde zum Unicorn. Mittlerweile ist die Bewertung aber wieder stark gefallen.“ LAMIE direkt hat daher bewusst keinen Investor an Bord. „Wir sind derzeit wohl das einzige InsureTech, das nachhaltig positiv wirtschaftet und haben den ‚Luxus‘, nicht von Investoren abhängig zu sein. Wir sehen das im Umfeld bei anderen Playern. Die Finanzierungsrunden sind in den letzten Ô Sicherheitsgaranten LAMIE direkt erkannte frühzeitig, dass sich der Alltag der Kunden immer mehr am Smartphone abspielt. Für uns war klar, dass sich das Leben vieler Kunden auf der Oberfläche des Handys abspielt. Unsere Partner, die großen Telcos, sind nahe am Kunden. Roland Pedak Co-Founder LAMIE direkt

FOTOS: LAMIE DIREKT, DOPETME CHEFINFO SPEZIAL | 17 Wird man als junges Startup von großen Handelskonzernen überhaupt wahrgenommen bzw. wie wird man generell sichtbar? David Bader-Egger: Es ist normalerweise ein sehr mühsamer Weg, bis es so weit ist. Wir hatten das Glück, dass uns Heinrich Prokop die Wege verkürzt hat. Netzwerk ist eben King. Jedes Marktfeld ist mittlerweile groß umkämpft, egal in welcher Branche. Man darf die Markteintrittskosten nicht unterschätzen, vor allem online. Viele denken, mit ein paar Euro könnte man mit SocialMedia-Marketing breite Aufmerksamkeit generieren. Doch Meta Ads sind nicht billig, weil auch große Hersteller nun eigene Online-Shops betreiben. Die haben ein fettes Budget von ein paar Tausend Euro pro Tag. Das ist brutal. Außerdem hat man das Gefühl, dass eine gewisse Willkür entsteht. Da zahlt man 50 Cent pro Klick und plötzlich verdreifacht sich der Preis auf 1,50 Euro – ohne ersichtlichen Grund. Wie ist es, wenn man bei großen Handelskonzernen gelistet wird? Kann das überhaupt eine Beziehung auf Augenhöhe sein? Bader-Egger: Wir haben bis jetzt sehr gute Erfahrungen gemacht. Es gibt natürlich eine Menge Themen und eine klare Erwartungshaltung. Da muss man aufpassen. Wenn ein Händler 10.000 Stück bestellt und dann doch nur 5.000 braucht, oder umgekehrt 10.000 weitere nachbestellt, kann das für kleine Firmen schwierig werden. Das alles ist Kapitalbindung. Man hat also wenig Planungssicherheit. Das ist aber nicht bei allen gleich, es kommt auf den Vertrag an. Wir haben mit Fressnapf ein Provisionsmodell ausgemacht, das ist fair und passt für uns gut. Es kann aber auch Listungsgebühren und Co geben. Das ist eine Frage der Ausgestaltung. Warum verkauft Ihr Eure Häuser nicht auf Amazon? Bader-Egger: Das fragen viele. Gerade Amazon hat sehr hohe Listungsgebühren. Und es gibt die A-bis-z-Garantie. Will der Kunde das Produkt nicht – dazu braucht er nicht einmal einen triftigen Grund –, wird sofort das Geld eingezogen. Der Händler hat keinerlei Rechtfertigungsmöglichkeit. Ich kenne einige, die da schon ordentlich eingefahren sind. Amazon ist nicht easy und es kann sich schnell jemand reinhängen, etwa mit Plagiaten. Was raten Sie Startups, die in den stationären Handel wollen. Hat man da vielleicht zu viel Respekt vor den „Großen“? Bader-Egger: Im Handel gibt es in fast jedem Bereich nur einige wenige Große, doch die haben auch die Power zur Umsetzung. Sie sind natürlich mächtig, aber sie können Dir viel abnehmen. Man muss einen Weg finden, der für einen passt und man muss es gut durchdenken. Man muss sich sicher sein, dass man den geforderten Absatz schafft bzw. Schnellschüsse stemmen kann. Hat man diese Hürde genommen, hat es für alle viele Vorteile. Für uns hat sich diese Kooperation gelohnt. HANDEL. DoPetMe-Geschäftsführer David Bader-Egger im Interview, warum sein Katzenhaus-Hersteller auf klassische Handelsriesen setzt und einen großen Bogen um Amazon macht. AMAZON IST NICHT EASY Im Handel gibt es in fast jedem Bereich nur einige wenige Große, doch die haben auch die Power zur Umsetzung. David Bader-Egger Geschäftsführer DoPetMe COVERSTORY

18 | CHEFINFO SPEZIAL COVERSTORY FOTO: 2023 COLOUR ME: STUDIO / DOPETME 18 bis 24 Monaten stark zurückgegangen bzw. zum Erliegen gekommen.“ Auch ohne Investoren wollen die Brüder Pedak in den nächsten Jahren massiv expandieren. „Vor allem Märkte wie Nordamerika, weitere EU-Länder, aber auch der Mittlere und Nahe Osten, Afrika oder Asien sind für uns interessant.“ Potenzielle Partner sind Telcos, aber auch digitale Plattformen und Startups, Handelskonzerne und Banken. Wie machen sich Startups bei diesen Giganten bemerkbar? DoPetMe hat das vorexerziert. HASELSTEINER BEZAHLT BAR Aufmerksame CHEFINFO-Leser kennen die Gründungsstory der Rieder bereits. Doch beim Hersteller von Katzenhäusern aus Karton hat sich in wenigen Wochen extrem viel verändert, nicht zuletzt durch den Auftritt bei „2 Minuten 2 Millionen“. Sie bekamen zwar kein klassisches Investment, es floss dennoch Geld. „Hans Peter Haselsteiner und Christian Jäger zückten ihre Portemonnaies und kauften direkt in der Show unsere Katzenhäuser. Eine Premiere“, so Geschäftsführer David Bader-Egger. EINE E-MAIL STATT 1.000 WORTE Wichtiger war hingegen der Kontakt zu Investor Heinrich Prokop. Prokops Netzwerk verkürzte den Weg enorm. „Ich kannte ihn schon vorher, schrieb eine E-Mail und ein paar Minuten später rief er an: ‚Wie kann ich euch helfen?‘“ Mit einer einzigen E-Mail wurde der direkte Kontakt zum größten Tierfutterhändler Fressnapf hergestellt und DoPetMe vorerst in Deutschland, bald schon in Österreich gelistet. Auch Investorin Katharina Schneider konnte helfen. Die DirectResponse-TV-Pionierin revolutionierte das Teleshopping und bietet jungen Ideen eine ideale Plattform. „Schneider hilft uns beim Online-Auftritt, Prokop mit seinem Netzwerk.“ Aktuell arbeiten die Rieder mit einem selbstständigen Handelsvertreter an der Listung in Baumärkten mit Zoohandlung. VERPACKUNG FÜR DIE KATZ Und sie wollen auch andere „Große“ im B2B-Geschäft mit einem neuen Produkt ins Boot holen. „Wir bieten Herstellern von Katzenstreu oder Katzenfutter Verpackungen an, die sich in Katzenhäuser umbauen lassen.“ Die Teile sind vorperforiert, die Sicherheit der Ladung bleibt durch eine innovative Lösung trotzdem gewährleistet. Auch mit Richter Pharma aus Wels ist man in Kontakt. „Die Verpackungen sind so konzipiert, dass bei der nächsten Lieferung eine Erweiterung des Hauses möglich ist. Damit sichert man sich die Kundenbindung.“ Von großen Online-Händlern wie Amazon lässt DoPetMe noch die Finger, denn das könnte zu Katzenjammer führen. Warum, erklärt Bader-Egger im Interview. „GROSS“ UND „KLEIN“ IST RELATIV Egal, ob man von Linz aus eine Weltrevolution starten, KI-Potenziale aufzeigen, Menschen stressfrei und direkt versichern möchte oder einfach seinem Stubentiger etwas Gutes tun will: Kein Startup – und sei es noch so genial – kommt ohne Kooperation mit den „Großen“ aus. Und vielleicht ist der „Kleine“ ja irgendwann mal der „Große“. Bill Gates lässt grüßen. n Katzen-Immobilien Die Karton-Katzenhäuser von DoPetMe sind in Deutschland bereits beim größten Tierfutterhändler „Fressnapf“ erhältlich. Hans Peter Haselsteiner und Christian Jäger zückten ihre Portemonnaies und kauften direkt in der Show unsere Katzenhäuser. Eine Premiere. David Bader-Egger Geschäftsführer DoPetMe

20 | CHEFINFO SPEZIAL STARTUP FOTOS: LAND OÖ / BAYER In Oberösterreich hat sich die Startup-Szene in den vergangenen Jahren besonders gut entwickelt. Auf welche Faktoren ist das zurückzuführen? Markus Achleitner: Wir sind ein Bundesland der Macher und setzen unsere Ideen konsequent in die Tat um. Unsere Region verfügt über viele erfahrene Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihr Wissen und ihre Erfahrungen gerne an junge Startups weitergeben. Dieser Gedanke steht auch bei uns im Zentrum. So haben sich alle öffentlichen Akteure, die Leistungen für Gründerinnen und Gründer anbieten, zum Netzwerk „hub,ert“ zusammengeschlossen, um ihre Angebote optimal zum Nutzen unserer Startups zu akkordieren. Als Land Oberösterreich investieren wir konstant und verlässlich in die Weiterentwicklung der Startup-Szene. So hat sich unser Landesinkubator Tech2b zum größten Startup-Zentrum Österreichs entwickelt. Die Digital-Uni nimmt als IT:U konkrete Formen an. Wie wird sich diese neue Universität auf die Forschungslandschaft und das oö. Startup-Ökosystem auswirken? Achleitner: Wir rechnen mit vielen neuen Impulsen für Startup-Gründungen durch die große Praxisnähe der Ausbildung. Die Themen, die an der IT:U erforscht und gelehrt werden sollen, betreffen unmittelbar die Herausforderungen unserer digitalen Zukunft. Darum legen wir einen starken Fokus auf die Nähe zur Wirtschaft, damit diese Forschungsergebnisse schnell in Produkte und Lösungen zum Wohle von uns allen umgesetzt werden können. Im Vorjahr wurden auch das „Start-Up-Förderungsgesetz“ und die Möglichkeit der Flexiblen Kapitalgesellschaft (FlexKapG) beschlossen. Was bedeutet das Paket für das Gründer-Umfeld und welche Maßnahmen braucht es von politischer Seite noch? Achleitner: Ein wichtiger Schritt, um jungen Unternehmen die richtigen Rahmenbedingungen zu geben, sich rasch entfalten zu können. Die einfacheren Möglichkeiten zur Gründung und zur Beteiligung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Unternehmenserfolg sind ein Booster für die Entwicklung in den ersten Jahren. Wichtige weitere Schritte sind die lange geforderte Einführung eines Beteiligungsfreibetrags für erste Investments LANDESPOLITIK. Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner über die Gründe für Oberösterreichs starke Startup-Szene, zukunftsträchtige Kooperationen und die Bedeutung der IT:U. VORAUS ZUKUNFT Interview: Klaus Schobesberger

CHEFINFO SPEZIAL | 21 in Startups und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für institutionelle Anleger und Anlegerinnen. In Oberösterreich sitzen viele Schwergewichte der Industrie, die mit Startups kooperieren und sich so innovative Ideen ins Unternehmen holen. Wie hat sich dieser Bereich entwickelt und welches Potenzial ist hier noch möglich? Achleitner: Das Interesse zur Zusammenarbeit ist auf beiden Seiten sehr groß: Die von tech2b koordinierte Initiative PIER 4 versteht sich als das gemeinsame Startup-Zentrum der oberösterreichischen Leitbetriebe und hat mittlerweile über 30 namhafte Mitglieder wie etwa die voestalpine, die Energie AG, Vivatis oder A1 Telekom und bahnt jedes Jahr mehr als 200 Kooperationen mit Startups an. Die Unternehmen lernen immer besser, wie man die Stärken der anderen Seite zum gemeinsamen Vorteil nutzen kann. Vor allem das Potenzial für internationale Kooperationen bietet noch riesige Möglichkeiten. Wie wichtig sind GreenTechs und ClimateTechs für die Bekämpfung des Klimawandels und welche Rolle spielt hier Oberösterreich? Achleitner: In Oberösterreich gibt es ein Stärkefeld in dieser Branche: Weltmarktführer wie Erema, Rubble Master oder NRG haben die Branche maßgeblich geprägt. Viele der innovativen Lösungsansätze für diese Herausforderungen kommen von Startups. Einige davon sitzen in unserer Region und bieten aus verschiedenen Blickwinkeln Lösungen an. So hat etwa das 2021 gegründete Startup afreshed mit seinen „Retterboxen“ einen Ansatz entwickelt, um Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Carbon Cleanup aus Linz, gegründet im Jahr 2020, ermöglicht das Recycling von hoch problematischen CarbonfaserVerbundstoffen. Und nicht zuletzt treibt Neoom aus Freistadt die Energiewende an, indem Gesamtlösungen für alternative Energiegewinnung und -speicherung entwickelt werden. Wie schätzen Sie das Jahr 2024 für oberösterreichische Startups ein? Achleitner: Es wird zweifellos eine Herausforderung für einige Unternehmen sein, die positive Entwicklung der vergangenen Jahre fortzusetzen. Doch dank des anhaltenden Engagements des Landes Oberösterreich in unsere StartupSzene werden auch in solch unsicheren Zeiten optimale Bedingungen für österreichische Startups geschaffen. Es ist erwähnenswert, dass viele der heute erfolgreichsten Unternehmen wie Uber, Airbnb und Instagram in Krisenzeiten gegründet wurden und die Veränderungen als Chance erkannt haben. n Als Land Oberösterreich investieren wir konstant und verlässlich in die Weiterentwicklung der Startup-Szene. Markus Achleitner Oö. Wirtschaftslandesrat

22 | CHEFINFO SPEZIAL JAHRE WAS WURDE AUS …? Wir haben in Wurmkisten gewühlt, es uns am Balcosy bequem gemacht, mit Roundgrips die Startup-Felder beackert und mit Oktav und Co. den Soundtrack dazu erstellt. Hier die Highlights der vergangenen Jahre. ÜBER SIEBEN Text: Jürgen Philipp MUSST DU GEHEN 2018 stand refurbed- Gründer Peter Windischhofer beim STARTUP-Interview noch am Beginn. Mittlerweile ist refurbed – hier mit Co-Gründer Jürgen Riedl und Kilian Kaminski – ein Soonicorn.

CHEFINFO SPEZIAL | 23 STARTUP FOTOS: REFURBED, TRACTIVE Nach der siebten Ausgabe von STARTUP heißt es, einmal Revue passieren zu lassen. Sieben Jahre zwischen bitteren Pleiten und echten Höhenflügen. Oberösterreichs Startups zählen meist zu Letzteren. Der aktuelle „Austrian Startup Monitor“ belegt, dass nirgendwo sonst in Österreich Innovationskraft und Profitabilität besser sind. Ein Drittel der befragten Startups schreibt bereits Gewinne, der Österreich-Schnitt liegt bei einem Fünftel. Mehr als die Hälfte (52 %) verzeichnet eine sehr gute bzw. gute Geschäftslage (Bundesschnitt: 39 %). Ein kurzer Rückblick auf sieben Jahre STARTUP verdeutlicht die Innovationskraft und eine gewisse Tradition bei Innovation. VON ÄPFELN UND BÄUMEN Wenn bald 500 Apple-Forscher ins Linzer Hafenportal einziehen, dann hat das mit einem 1999 gegründeten Spin-off der JKU zu tun. Wir haben 2020 mit jenem Mann gesprochen, der den Grundstein dafür legte: Ex-JKU-Rektor Richard Hagelauer. Sein Uni-Spin-off DICE wurde von Infineon übernommen. Die DMCE (Danube Mobile Communications Engineering) wurde zuerst an Intel und dann an Apple verkauft. Zwei Jahre zuvor berichtete uns Peter Windischhofer aus Münzbach, was er mit seinen Co-Foundern Kilian Kaminski und Jürgen Riedl alles vorhat. Die drei gründeten „refurbed“. Ein kleines zartes Pflänzchen, das mit Pflanzenwachstum – für jedes verkaufte Produkt wird ein Baum gepflanzt – und runderneuerten Geräten nur wenige Jahre danach für Furore sorgte. „Der Markt wächst extrem stark, aber es gibt kaum jemanden, der das professionell macht“, verriet er damals im Interview. 2023 knackten die Jungs die Milliarden-Marke beim Außenumsatz. Heute gilt refurbed als heißester Anwärter für das nächste rot-weiß-rote Unicorn. Die Bewertungen steigen. VOM SOONICORN ZUM UNICORN? Als Soonicorn gilt Tractive – Entwickler von GPS-Systemen für Haustiere – aus Pasching. 2019 verriet Gründer Michael Hurnaus: „Ein Startup ist wie eine Achterbahn, allerdings noch viel mehr, als man sich das von außen vermutlich vorstellt.“ Die Achterbahnfahrt hat Hurnaus mehr als gemeistert. Das Pet-Tech ist mittlerweile in Großbritannien in die Haustier-Versicherungsbranche eingestiegen. In derselben Ausgabe machte Franz Tretter, Gründer des Loyalty-Startups „hello again“, klare Ansagen, was Startup-Spirit bedeutet: „Wer es des Geldes wegen macht, für den ist ein klassisches Arbeitsverhältnis zielführender. Mit den Händen in den Taschen wird man wohl kaum die Erfolgsleiter hochklettern können.“ Und Tretter kletterte. Selbst die schwierige Zeit der vergangenen Jahre wurde gemeistert. „hello again“ ist längst zu einem starken Scale-up geworden. ÜBERNAHMEN, ÜBERNEHMER, EXITS Zu diesen zählen auch Storyblok, Blockpit oder Symflower. Einige andere Highlights – ohne Anspruch auf Vollständigkeit: In Altmünster baut V-REX das effizienteste Segelboot der Welt. Mark Zuckerberg spielte Klavier auf der Mixed-Reality-App „Magic Keys“. Oktav – das „Amazon für Klaviernoten“ – hat bereits 20.000 Partituren im Programm. Das Fitness-Startup Fit-Up übernimmt die deutsche Ernährungsplattform „Kilos ade“. Xaleon (ehemals: Chatvisor) schafft den Exit und wurde von TeamViewer übernommen. Das LebensmittelretterStartup „afreshed“ geht auf die 5-Millionen-Euro-Umsatzmarke zu. Von Achterbahnfahrten – wie jener der Online-Bank N26 von einer 9- auf eine 3-MilliardenDollar-Bewertung – zu Höhenflügen: Das Linzer Flugantriebsunternehmen CycloTech hebt ab. Sie alle fanden und finden sich in den letzten sieben STARTUPAusgaben. Und es klopfen schon neue Erfolgsgeschichten an die Tür. Wir werden sie garantiert weiter erzählen … ● 7Hauben ● afreshed ● APICHAMP ● Autonoma ● Bergardi ● BergWind ● bewido ● BirthAI ● blockhealth ● blockpit ● BOOXit ● Bundre ● Celantur ● chabaDoo ● Chatvisor ● Das Merch. ● DEVjobs.at ● DigitalerMarktplatz ● Dinnity ● DoPetMe ● Dorfladenbox ● easygoinc. ● Finnoq ● Fishcon ● Fit-Up ● FiveSquare ● FLINK ● ForgTin ● Fox & Eagle ● Green Sentinel ● GRPSTAR ● hello again ● hoss ● HuForce ● Human Gravity ● igevia ● insolemates ● Jack-In ● Kape ● Kenomx ● LICA ● LiMUZZ ● MAD Tech ● Magic Keys ● MatheArena ● meshnomo ● morning.jobs ● Mox VR ● N26 ● Oktav ● PATHfindr ● PelviQueens ● Phoenestra ● Praxagoras ● presono ● principia MBS ● Projekt Auge ● Purora ● qapture ● REALSIM ● Recovertea ● ReDem ● refurbed ● RentMyWallbox ● Respory ● Revello ● Roundgrip ● Sales-Suckers ● SECCON ● SEQRID ● Show my Size ● SimVenture ● Simply Bread ● Storyblok ● Storyclash ● surgebright ● Swilox ● Symflower ● Symptoma ● SYN TRAC ● Taxi Spot ● TeamEcho ● The Blue Monday Project ● TogetherSecure ● tonestro ● Tractive ● triply ● U-greeny ● Vereinsplaner ● Vinitor ● VIIta Watches ● voidsy ● Vresh ● V-REX ● WeCon Dental ● Windpuls ● Wurmkiste ● Yokai Studios ● Youstore … Michael Hurnaus und sein Tractive steigen nun in den Versicherungsmarkt für Haustiere ein. 2019 warnte er STARTUP-Leser vor der „Achterbahn“ der Gefühle. n Alle Startups der vergangenen 7 Jahre

STARTUP 24 | CHEFINFO SPEZIAL AUSSICHTEN CYCLOTECH. Am Linzer Franzosenhausweg wird Zukunft gemacht. Das Scale-up CycloTech entwickelte einen revolutionären Antrieb für Flugtaxis und erregt damit internationales Aufsehen. HIMMLISCHE Text: Jürgen Philipp Mit dem japanischen Riesenkonzern Yamato Holdings wurde die Designstudie eines Zustellfluggeräts erarbeitet.

Der Cyclo-Rotor ist das Herzstück der Visionäre vom Franzosenhausweg. FOTOS: CYCLOTECH Weil das Leben nicht warten kann: Die Oberösterreichische ist bereit für deine Momente und Abenteuer. diejungenwilden.at Deine Zeit ist jetzt. Die Oberösterreichische versichert. Meinhard Schwaiger stand Anfang der 2000er Jahre in einem Stau in Moskau. Trotz sechs Spuren ging nichts mehr. Da kam der Gedanke: Warum gibt es eigentlich keine Flugtaxis, die günstig und leise Kurzstrecken überwinden könnten? 2004 gründete er daher CycloTech. „Klassische Helikopter sind teuer, laut und verursachen hohe Wartungskosten. In der Recherche kam Meinhard auf den Voith-Schneider-Antrieb, der seit hundert Jahren in der Schifffahrt eingesetzt wird“, schildert Hans-Georg Kinsky, CEO von CycloTech am Linzer Franzosenhausweg. Der Rotor ist dabei gleichzeitig Antrieb, Flügel und Ruder in einem. 21-NATIONEN-EXPERTISE Kinsky kam 2017 ins Unternehmen und sorgte für einen Professionalisierungsschub. Aus einer Three-Men-Show wurde ein Scale-up mit 53 Mitarbeitern aus 21 Nationen. „Mittlerweile hat unsere Antriebstechnologie einen Status erreicht, der genügend Schub bei geringem Eigengewicht sowie akzeptable Performance und Energiebedarf bietet, um das kommerziell umsetzen zu können.“ 2021 erreichte sie die E-Mail eines Mitarbeiters der Yamato Holdings aus Japan, der Interesse an dieser Technologie zeigte. Yamato Holdings ist mit 210.000 Mitarbeitern und 10 Milliarden Euro Umsatz „das japanische DHL“. AUF AUGENHÖHE MIT 10-MRD.-KONZERN Doch wie kooperiert man als kleines Scale-up mit einem Großkonzern auf Augenhöhe? Kinsky gibt einen Tipp: „Je größer die Unternehmen, desto schneller kommt man ans Ziel, wenn man sich an den Konzern-Standard hält. Eine Verschwiegenheitserklärung ist eine Verschwiegenheitserklärung – egal, ob Standard oder von uns aufgesetzt.“ Generell heißt es aber, bei Verträgen mit den ganz großen Playern aufzupassen. „Das ist wie ein Schwamm. Man muss sich gut absichern, dass nicht die Intellectual Properties (IPs) abgesaugt werden.“ Bei gemeinsamen Projekten muss geklärt werden, wem die IPs gehören. „Da braucht es anwaltliche Unterstützung, vor allem, wenn neue Ideen ausgearbeitet werden. Das ist gut investiertes Geld.“ Das Ergebnis der Kooperation mit Yamato mündete in einer Designstudie einer kompakten und wendigen Zustelldrohne. Diese soll – so die Modellannahme – über die Logistikverteilzentren auf Hochhäusern der Tokioter Metropolregion landen und Pakete zustellen können. „In Japan muss jedes Hochhaus ab einer gewissen Höhe einen Heliport haben. Dieser ist statisch so ausgelegt, dass man dort gut landen kann.“

26 | CHEFINFO SPEZIAL STARTUP FOTOS: CYCLOTECH MEHR ALS NUR PASSAGIER Die Studie begeisterte. Yamato wollte einen Prototyp umsetzen. „Wir sind aber kein Vehicle-Hersteller, sondern nur der Lieferant des Antriebs, zudem waren wir schon eineinhalb Jahre verplant.“ Dennoch zahlte sich das Projekt aus. In einer – aufwendig abgestimmten – gemeinsamen Presseerklärung wurde CycloTech im asiatischen Raum bekannt. Die Linzer lösen mit ihrem unkonventionellen und flexiblen Ansatz gleich mehrere Probleme im Vergleich mit herkömmlichen Quadkoptern. Die Rotoren aus Linz haben 360 Grad Schub, sind viel weniger windanfällig, können rascher auf Seitenwinde oder Böen reagieren und machen so vor allem den Passagiertransport angenehmer. Das Marktumfeld wurde in den vergangenen Jahren zu einem absoluten Fokusmarkt. Selbst die Automotive-Branche hat das Thema „Vertical Take-off and Landing“ schon längst für sich entdeckt. Toyota investierte kürzlich 400 Millionen in ein Startup, Hyundai entwickelt eigene Prototypen und auch Daimler ist aktiv. „Sie sehen, dass es eine Industrie ist, die Ihnen das Wasser abgraben kann.“ LANGER ATEM NÖTIG Auch in CycloTech wird investiert. „Wir sind zu 90 Prozent aktiv auf unsere Investoren zugegangen.“ Aktuell ist man beim Closing eines weiteren 20 Millionen Euro schweren Investments. Bis Ende des Jahres soll mindestens noch einmal so viel an frischem Kapital fließen, um den nächsten Schritt zu machen. Auch strategische Partnerschaften werden gesucht. Automotive- und Aviation-Konzerne haben meistens auch einen VC-Arm. „In der Luftfahrtindustrie gibt es relativ wenig große Innovationen, da sie risiko- und daher innovationsavers ist. Das ist ähnlich wie in der Pharmabranche. Es braucht lange Phasen der Entwicklung bis zur Zulassung.“ Im Fall von CycloTech läuft diese Zulassung über die EASA. „Sogar die beteiligten Personen müssen von der EASA zertifiziert werden. Sie führen Interviews mit den Mitarbeitern und können diese auch ablehnen, wenn sie glauben, dass zu wenig technisches Know-how vorhanden ist.“ Auch muss jedes einzelne Produkt zertifiziert werden. „Das ist ein Prozess von jeweils drei bis vier Jahren, je nachdem, wie komplex das Produkt ist. Wir gehen von vier Jahren aus. Das ist der Punkt, den viele Jungunternehmen in diesem Bereich unterschätzen. Es braucht einen langen Atem und den müssen auch die Investoren haben“, erhellt Kinsky. LUFTTAXI WIRD KOMMEN Kinsky selbst glaubte anfangs nicht an Lufttaxis. „Vor fünf Jahren war ich noch mehr als skeptisch. Heute bin ich felsenfest davon überzeugt, dass diese Form der Mobilität kommen wird.“ Wie lange es dauern wird, hängt von den Regulatorien und der Akzeptanz ab. „Es hat sich enorm viel getan. Vor sieben Jahren gab es noch nicht einmal eine Möglichkeit, ein Lufttaxi zu zertifizieren. Die EASA hat das proaktiv geändert. Europa war in diesem Fall sogar richtig schnell.“ Nicht zuletzt durch den chinesischen Druck: „In China sieht man die Branche, wie E-Autos, als strategischen Markt.“ China hat in puncto Batterietechnologie ein Ass im Ärmel, denn sinnvollerweise sollen Lufttaxis elektrisch betrieben werden. Wie so etwas aussehen kann, hat CycloTech bereits konzipiert. Ein zweisitziges Fluggerät soll bis zu 100 bis 120 Kilometer Reichweite schaffen. „Damit ließen sich 90 Prozent aller dafür geeigneten Strecken abdecken.“ VON DER GARAGE IN DIE LÜFTE Aktuell ist das Scale-up auf der Suche nach Partnern, mit denen sie diese Vision in die Tat umsetzen können. „Das sind weit größere Unternehmen, als wir es sind – egal, ob Automotive-Hersteller oder -Zulieferer, aus der Luftfahrt oder Defense-Unternehmen.“ Denn die Entwicklung eines serienreifen Lufttaxis samt Zertifizierung kostet, laut Kinsky in etwa eine Milliarde Euro. „Wenn Airbus von einem bloßen Facelift spricht, stecken da zehn Jahre Arbeit und eine Milliarde Euro dahinter. Wir müssen daher als junges Unternehmen einen Spagat schaffen: Zum einen wollen wir agil und flexibel bleiben, zum anderen werden wir mit der Zertifizierung langsamer.“ Doch die Vision überstrahlt alles: „Wir waren am Anfang ein Garagen-Unternehmen – jetzt sind wir ein EngineeringUnternehmen auf dem Weg zu einem Aviation-Unternehmen.“ n Vor fünf Jahren war ich noch mehr als skeptisch. Heute bin ich felsenfest davon überzeugt, dass diese Form der Mobilität kommen wird. Hans-Georg Kinsky CEO CycloTech CycloTech könnte sich Mobilität in 20 Jahren in etwa so vorstellen.

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