Chefinfo Magazin 2-23

2/2023 | CHEFINFO | 49 48 | CHEFINFO | 2/2023 Rückgang auf hohem Niveau Der 61-jährige gebürtige Leobener ist seit fast 30 Jahren im Unternehmen tätig, davon rund 20 Jahre als Geschäftsführer. Unter seiner Leitung wurde der 1888 gegründete Standort modernisiert und ausgebaut. Das Zementwerk selbst ist heute nur ein kleiner Teil der Unternehmens-Gruppe mit rund 300 Millionen Euro Umsatz und 1.900 Mitarbeitern; die Gruppe betreibt auch Beton-, Kies- und Fertigteilwerke. Die Zementmarke Kirchdorfer hat in Österreich einen Marktanteil von rund 8 Prozent. Am Kirchdorfer Zementwerk beteiligt ist zu 50 Prozent die Holcim AG, die mit den Marken Holcim und Lafarge zu den größten Baustoffproduzenten der Welt gehört und ihren Hauptsitz in Zug in der Schweiz hat. Die Nachfrage nach Zement ist aufgrund des Auftragseinbruchs in der Bauwirtschaft aktuell gesunken und bescherte Kirchdorfer ein Minus. „Allerdings ist der Vergleichszeitraum in diesem Fall entscheidend. Denn 2021 war das beste Jahr für die Zementindustrie seit mehr als zwei Jahrzehnten. Ein Allzeithoch auch in unserer 135-jährigen Geschichte“, sagt der Manager. Letztes Jahr verzeichnete das Werk einen Rückgang von 15 Prozent, österreichweit lag er bei zehn Prozent. „Heuer gehen wir noch einmal von minus zehn Prozent aus. Wir sind damit wieder auf einem Produktionsniveau wie in den Jahren 2017 und 2018.“ Roadmap bis 2050 Beton ist das Fundament der modernen Welt. Nach Wasser ist es das am zweithäufigsten verbrauchte Gut weltweit, 30 Milliarden Tonnen davon fließen jährlich in Infrastruktur und Gebäudehüllen. Aber die Betonproduktion – und damit Zement – war 2021 auch für mehr als 8 Prozent aller Treibhausgase verantwortlich. Die heimische Zementindustrie verfolgt daher eine klare Roadmap: Sie will bis 2050 CO2-neutral werden - und wenn möglich schon zehn Jahre früher. Der Ersatz von Primärenergie bei der Zementproduktion sei der erste Schritt gewesen, sagt Frommwald. „Unser Problem ist: Bei der Zementproduktion entsteht das CO2 nicht durch Verbrennen von Brennstoffen, es ist ein chemischer Prozess.“ Wenn Kalk gebrannt wird, entweicht aus dem Kalk CO2. Bisher konnte der CO2-Ausstoß nur vermieden werden, wenn weniger Zement produziert wurde. Doch Lösungen zeichnen sich bereits im laufenden Jahr ab. CO2-Abscheidung als Lösung Denn als nächsten Schritt bringt Kirchdorfer neue Zementsorten mit reduzierten Klinkeranteilen heuer auf den Markt. Zement besteht bis zu 80 Prozent aus Klinker, der durch andere CO2-neutrale hydraulische Stoffe wie Flugasche ersetzt wird. Zement mit weniger Klinker verändert allerdings auch das Bauen, weil Zement in den ersten 24 Stunden nicht so schnell aushärtet wie bisher. Die Herausforderung für die Bau- und Fertigteilindustrie wird es sein, dafür zu sorgen, dass die Prozesse im Werk oder auf der Baustelle trotzdem nahezu unverändert bleiben. Am wirklich großen Rad drehen die globalen Giganten amMarkt wie Holcim oder HeidelbergCement. Die am Kirchdorfer Zementwerk beteiligte Holcim Gruppe reichte ein 200-MillionenEuro Forschungsprojekt ein, das sich unter anderem mit CO2-Abscheidung befasst. Um die Emissionen der Industrie zu senken und gleichzeitig genügend Zement zu produzieren, um die wachsende weltweite Nachfrage zu befriedigen, ist der Einsatz kohlenstoffarmer Technologien wie die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von Kohlendioxid (kurz: CCUS) erforderlich. „Damit wird es gelingen, CO2-neutral zu produzieren“, ist Frommwald überzeugt. Forderungen an Gewessler Beton als Klimaretter? Das ist gar nicht so abwegig, weil es um gigantische Mengen CO2 geht, die eingespart werden können. Das abgeschiedene CO2 muss jedoch zwischengespeichert werden. „Während das viele unserer Nachbarn CO2-Speicherung erlauben und selbst Deutschland an eine Zulassung denkt, stellt man sich in Österreich quer“, kritisiert Frommwald in seiner Funktion als Obmann der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer Oberösterreich. Auch die versprochene Strompreiskompensation für energieintensive Betriebe wurde von Umwelt- und Energieministerin Leonore Gewessler nicht umgesetzt. „Das raubt Vertrauen, denn letztlich geht es um den Standort und seine Zukunft“, so der Industriesprecher. Die Abwanderung der energieintensiven Industrie aus Europa habe bereits vor einigen Jahren eingesetzt und sei einschleichender Prozess, weil Unternehmen nicht mehr in bestehende Kapazitäten investieren. „Die chemische Industrie investiert in allen Weltgegenden nur nicht in Europa", sagt Frommwald. Zement hingegen sei ein lokales Produkt, wo die Transportkosten eine große Rolle spielen. „Hier ist man an den Standort gebunden.“ n FOTOS: WAKOLBINGER FOTOS: WAKOLBINGER WIRTSCHAFT Die Zementindustrie würden nicht viele im ersten Moment nennen, wenn sie an nachhaltige Zukunft, Klimaneutralität und technologische Transformation denken. Doch dieser Eindruck täuscht. Am Beispiel des Kirchdorfer Zementswerks, das heuer sein 135-jähriges Bestehen feiert, zeigt sich, wie intensiv die Branche an klimaneutralen Lösungen arbeitet. „Die Zementindustrie ist ein sehr gutes Beispiel für den Wandel“, sagt Erich Frommwald, Geschäftsführer der Kirchdorfer Gruppe. Und er nennt den Gasverbrauch: Sein Industriesektor wurde zwar auch von den Energiekrise getroffen, aber die hohen Gaspreispreise waren im Unterschied zum Strompreis für Kirchdorfer kein echtes Problem. Kirchdorfer hat vor 25 Jahren begonnen, Primärbrennstoffe wie Kohle, Öl oder Gas sukzessive durch Ersatzbrennstoffe wie Reifenflusen, Kunststoffe bis hin zu Holzspänen zu ersetzen. „Das hat unsere Abhängigkeit von Kohle und Gas massiv reduziert. Zuletzt konnte das Werk sogar zu 100 Prozent mit Ersatzbrennstoffen betrieben werden, weil wir bei der jetzigen Baukonjunktur nicht auf Leistung fahren müssen“, sagt Frommwald. Repräsentative Zentrale: Erich Frommwald mit dem Siegel des Traditionsunternehmens. Zementindustrie auf neuen Wegen UNTERNEHMEN. Das Kirchdorfer Zementwerk feiert heuer sein 135-jähriges Bestehen. Erich Frommwald, CEO der Gruppe und Obmann der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer OÖ, erklärt wie sich seine Branche verändert. TEXT: Klaus Schobesberger 30 Milliarden Tonnen Beton fließen weltweit jährlich in Gebäude und Infrastruktur Erich Frommwald Geschäftsführer Kirchdorfer Gruppe Während fast all unsere Nachbarn CO2-Speicherung erlauben, stellt man sich in Österreich quer. WIRTSCHAFT

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