Chefinfo Magazin 2-23

2/2023 | CHEFINFO | 39 38 | CHEFINFO | 2/2023 Können die etablierten Hersteller ihre alten Stärken gegenüber den Herausforderern aus China und den USA ausspielen? Pötsch: Wir beheimaten viele der im Weltmaßstab bekannten und erfolgreichen Marken. Millionen Menschen kaufen diese Autos aus Überzeugung heraus. Das hat damit zu tun, dass diese Produkte ganz spezifische Eigenschaften haben, die von Kunden präferiert werden. Die Kunst ist es nun, Kunden weiterhin in Bezug auf ihre Bedürfnisse und Präferenzen perfekt zu bedienen und die Faszination Automobil intakt zu halten. In diesem Bereich haben die tradierten OEMs eine unglaubliche Erfahrung, die sie auch ausspielen werden. Was neu hinzutritt, ist das Thema Softwarekompetenz. Einzelne Autos werden zum Datenpunkt im World Wide Web. Das hat zwei große Implikationen: Man kann die Fähigkeiten des Produkts aktuell halten und es ermöglicht auch, neue Geschäftsmodelle umzusetzen. Auch hier sehe ich die Industrie auf einem sehr vielversprechenden Weg. Der deutsche Wirtschaftsforscher Clemens Fuest sagte, Sorgen mache er sich nicht um die Automobilhersteller, sondern um die Zulieferer und ihre Arbeitsplätze. Hat er recht? Pötsch: Es gibt unterschiedlich große und unterschiedlich spezialisierte Zulieferer. Jene, die sich ausschließlich auf den Verbrenner-Bereich fokussieren, sind gut beraten, sich zu überlegen, wohin sie liefern. Was meine ich damit? Wir haben jetzt planerische Sicherheit in Europa, dass 2035 mit dem Verbrenner Schluss ist. Das gilt aber nicht für andere Teile der Welt. China fördert beispielsweise stark das Elektroauto für den Einsatz in den Metropolen. In weniger gereiften automobilen Regionen Chinas haben Verbrenner, in der Regel dann hybridbetrieben, auch eine Zukunft. Es ist daher entscheidend, dass jedes einzelne Unternehmen die Lage sauber für sich analysiert und rechtzeitig diese Umbaumaßnahmen einleitet. Ich teile daher die Meinung von Herrn Fuest, sage aber dazu, dass die Kompetenz im Automobilcluster sehr hoch ist. Man ist gewohnt, mit krisenhaften Situationen umzugehen und deshalb denke ich, dass es gelingen kann. FOTOS: ERNST KAINERSDORFER WIRTSCHAFT WIRTSCHAFT Kleine und mittelständische Unternehmen bekommen Zugang zu Analysemöglichkeiten, die sonst nur Großbetrieben zur Verfügung stehen. Ein weiterer Aufgabenbereich ist das Thematisieren von Lösungsansätzen im europäischen Kontext. Wobei hier würde ich im Kern sagen: Analysiert ist genug. Wir haben in Europa kein Analyseproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Es geht darum, ausreichend grüne Energie zu produzieren und diese mittels Netzausbau an den Energiestandorten verfügbar zu machen. Das sind industriepolitisch und ordnungspolitisch riesige Aufgaben, die noch nicht bewältigt sind. Wie sehr beeinträchtigen die hohen Energiekosten die Wettbewerbsfähigkeit? Pötsch: Es ist doppelt problematisch: Zum einen für die weltmarktführenden Positionen von energieintensiven Unternehmen. Zumanderenmuss uns bewusst sein, dass wir den Anteil der energieintensiven Fertigungen tendenziell eher erhöhen als reduzieren. Ein Beispiel: Die Produktion der Batteriezellen ist enorm stromintensiv. Europa kann es sich nicht leisten, Elektroautos als gewichtigen Teil der Mobilität der Zukunft zu fördern, aber die Batteriezellen zum Betrieb dieser Autos ausschließlich aus China oder Nordamerika zu beziehen. Wenn wir in Europa nur das produzieren, was anderen Ortes erdacht worden ist, dann begeben wir uns in eine Abhängigkeit, die wir nicht haben wollen. Mit den aktuellen Strompreisangeboten in den USA, die zum Teil ein Drittel von dem betragen, was an Sonderlösungen in Europa denkbar ist, haben wir ein enormes Wettbewerbsproblem. Insofern muss nicht nur bei der Verfügbarkeit, sondern auch bei der Preisstellung für Energie ein großer Sprung gelingen. Die OEMs in Deutschland haben viel Know-how und viele Patente im Bereich E-Mobilität, trotzdem hat man sich mit der Umsetzung lange Zeit gelassen. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein? Pötsch: Die OEMs haben reagiert und sind auf dem richtigen Weg. Das ist schnell gesagt, aber dahinter stehen riesige Veränderungen in den Unternehmen. Nur um ein Beispiel zu nennen: Wir haben bei Volkswagen schon vor Jahren unser Werk in Zwickau komplett von Verbrenner auf Elektroautos umgestellt. Dafür laufen seitdem umfangreiche Qualifizierungsprogramme für die Beschäftigten, damit sie mit dieser Hochvolttechnik umgehen können. Zwickau ist der Blueprint des Volkswagen Konzerns, der absolut gelungen ist. Der kann an beliebiger Stelle zum Einsatz kommen. Sind Elektroautos die Zukunft? Pötsch: Ein klares Ja! Schlicht und einfach deshalb, weil elektrische Energie in der Umsetzung von Primärenergie beim Antrieb des Autos mit großem Abstand am effizientesten ist. Wasserstoff kommt da nicht annähernd heran. Wir werden daher eine große Welle der E-Mobilität erleben – in allen maßgeblichen Regionen der Welt. 25 Prozent des deutschen Handelsbilanzüberschusses wird mit Österreich erzielt. Ô Hans Dieter Pötsch VW-Aufsichtsratschef Analysiert ist genug. Wir haben in Europa kein Analyseproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Hans Dieter Pötsch VW-Aufsichtsratschef Mit den aktuellen Strompreisangeboten in den USA, die zum Teil ein Drittel von dem betragen, was an Sonderlösungen in Europa denkbar ist, haben wir ein enormes Wettbewerbsproblem.

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