Chefinfo Magazin 2-23

28 | CHEFINFO | 2/2023 FOTOS: CARPLOYEE FOTOS: DUNCAN_ANDISON/BARDOCZPETER/RAFAEL ABDRAKHMANOV/GREBESHKOVMAXIM/ ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS COVERSTORY stärker ausgeprägt.“ Gerade Millennials stellen sich vermehrt Fragen wie: Warum soll ich mich an eine Firma binden, wenn ich die Möglichkeit habe, online zu arbeiten? In den USA herrscht viel mehr das Gefühl von: Ich schaffe es! „Duck and cover“ Doch Linda TuttleWeidinger sieht die USA auch gesellschaftlich kaum mit Österreich vergleichbar. Gerade wenn heimische Unternehmen Mitarbeiter entsenden, müssen diese auf die speziellen Gegebenheiten vorbereitet werden. Die tiefe soziale Spaltung des Landes hat Gräben hinterlassen, gegen die der Grand Canyon winzig aussieht. Linda TuttleWeidinger drückt deshalb auf die Euphoriebremse: „Gerade das rechte Lager sieht alles, was aus Europa kommt, sehr kritisch und teilweise als kommunistisch. Ich war in den 1980erJahren als Deutschlehrerin in Pennsylvania tätig. Wenn ich an der öffentlichen Schule in Bloomsberg geblieben wäre, hätte ich im Klassenzimmer in einer versperrten Schublade meines Schreibtischs eine Handwaffe gehabt und hätte an regelmäßigen Schießübungen teilnehmen müssen. Heutzutage müssen die Schülerinnen und Schüler an ,duck and cover‘Übungen teilnehmen, die eine Schießerei im Haus simulieren. Das ist in Österreich unvorstellbar.“ Sie rät daher Unternehmen als auch Expats, genau zu recherchieren, wie die Gesetzeslage im jeweiligen Bundesstaat aussieht, denn die USA mögen zwar „United“ im Namen haben, doch die 50 Bundesstaaten haben bei genauerem Blick zum Teil wenig gemeinsam. „Es ist ein gewaltiger Unterschied, etwa zwischen einem Senator Bernie Sanders, der immer gerne liberale europäische Länder wie Dänemark zum Vorbild nimmt, oder zu Florida, wo der Gouverneur Ron De Santis bis in die Schulen hineinregieren will. In den USA gibt es einen tiefen Graben zwischen Republikanern und Demokraten. Die Gesellschaft ist massiv gespalten und auch mit Rassismus verknüpft. Es geht aber nicht nur mehr um Republikaner gegen Demokraten, sondern um Gut gegen Böse.“ Und Europäer werden, so die Lektorin, nicht unbedingt immer als die Guten gesehen. Start – up – now! Doch wie ist es, wenn USFirmen in Österreich tätig werden? Venture Capital Fonds aus den USA sind nach österreichischen Geldgebern der zweitgrößte Investor in der heimischen StartupSzene. Der Gründer des Linzer MobilitätsStartup Carployee, Albert VoglBader, sieht eine Art „das Beste zweier Welten“. „Wir haben ein neues Produkt namens ,Pave Commute‘ entwickelt. Es ist eine in Österreich entstandene intelligente Lösung für Pendler und Berufsverkehr, die unnötig gefahrene Kilometer vermeidet. Es soll in Österreich wachsen. Der Heimmarkt ist klein und man kann etwas ausprobieren. Im Vergleich dazu: Allein die Westküste der USA hat über 50 Millionen Einwohner.“ Wenn das Produkt einschlägt, kann es schnell gehen. „Weil die USAmerikaner in kürzester Zeit Zugang zu Risikokapital haben.“ In diesem Sinne: Was auch immer Sie in den USA vorhaben, ob als Tourist oder vielleicht schon bald als Unternehmer, Vorbereitung ist das Maß aller Dinge. Falco brachte das in seinem Song „Amerika“ auf den Punkt, auch wenn er sie auf sich selbst gemünzt hat, passt diese Textzeile doch perfekt zu den USA: „Das Typische an mir, ich bin untypisch, ganz und gar.“ n STARTUP. Das Linzer Startup Carployee war auf der Suche nach einem Investor und fand das USUnternehmen RideAmigos. Gründer Albert VoglBader schildert, wie das ablief. CHEFINFO: Sie haben einen Exit geschafft, und zwar mit einem USUnternehmen. Wie lief dieser Prozess ab? Albert Vogl-Bader: Wir hatten eine Finanzierungsrunde mit einem Berliner Kapitalgeber geplant. Doch die wollten einen größeren Investor an Bord holen und haben den Outreach gestartet. Das USUnternehmen RideAmigos war das Erste, das sich gemeldet hat. Das ist kein Investor, sondern ein Unternehmen in einem ähnlichen Geschäftsumfeld wie wir, also in intelligenten Pendlerlösungen für bessere und smarte Mobilität. Die RideAmigos hatten sofort Interesse, aber nicht um zu investieren, sondern sie wollten die ganze Firma übernehmen. Was sind die Unterschiede von USInvestoren zu europäischen? Vogl-Bader: Wir haben uns auch nach europäischen Optionen umgesehen. Es gab einige aus Deutschland und Luxemburg, die Interesse hatten. Doch die gingen ganz anders an die Sache heran. Die Amerikaner haben geschaut, wie wir so drauf sind, was wir machen und welche Vision wir verfolgen. Die Europäer haben sich sofort nach einem M&ABerater umgeschaut. Die Amerikaner waren relativ locker und innerhalb von zwei Monaten war unser Deal vereinbart und erst dann ging es in den DueDiligenceProzess. Da wurden wir natürlich auf Herz und Nieren geprüft. Wie lief der Prozess atmosphärisch ab bzw. was war aus Ihrer Sicht „typisch amerikanisch“? Vogl-Bader: USFirmen haben einen enormen Drive. Als wir das erste Mal mit demCEO der RideAmigos gesprochen und uns ausgetauscht haben, war keine Rede davon, wie groß wir sind. Es ging nicht um irgendein Finanzkapitel, sondern nur darum, wie die beiden Unternehmen zusammenpassen könnten. Wenn Amerikaner etwas wollen, muss man schnell sein. Der erste Schritt passiert immer über die persönliche Ebene. Wir waren letztes Jahr einen Monat in der Firmenzentrale in Santa Monica, in der Nähe von Los Angeles. Da sind wir ein kleiner Fisch, aber ein Fisch, der gut zu ihrer Philosophie passt. Was schon spannend war, ist, dass unsere Käufer überall ihre Kontakte haben und quasi „Backgroundchecks“ machen, ohne dass man es mitbekommt. Wie sieht es mit der Qualität österreichischer ITFachleute aus? Sind wir konkurrenzfähig? Vogl-Bader: Die Qualität der Leute in Österreich ist sehr gut. Das war sicher mit ein Grund, warum man uns übernommen hat. Wir programmieren zu einem Preis, der machbar ist. In Santa Monica, demSitz von RideAmigos, gibt es unzählige ITUnternehmen, und die saugen den Markt ab. Ein SeniorEntwickler verdient in etwa 200.000 Dollar pro Jahr. Dafür zahlt man dort auch für ein kleines Zimmer 2.000 Dollar Miete. „US-Firmen haben einen enormen Drive“ Carployee-Gründer Albert Bader-Vogl lobt die offene und schnelle Art des neuen US-Inhabers. Europäische Investoren seien oft zu zögerlich. SANTA MONICA Die Qualität der Leute in Österreich ist sehr gut. Wir programmieren zu einem Preis, der machbar ist. In den Staaten sind alle happy, bei uns ist alles ein wenig trockener, aber vielleicht auch ehrlicher. Albert Vogl-Bader Gründer Carployee Venture Capital „liegt“ in den USA „auf der Straße“. Kein Wunder, wenn US-VCs die zweitgrößten Investoren in österreichische Startups sind. m t S A

RkJQdWJsaXNoZXIy NzkxMTU1