Chefinfo Magazin 1-23

36 | CHEFINFO | 1/2023 FOTO: MUSIKHAUS DANNER FOTO: THE RAWCATS WIRTSCHAFT WIRTSCHAFT Traumjob finden! 20. bis 25.3. 2023 jobweek.at „SAITENHIEB“ Als meine Freunde und ich so um die 14, 15 Jahre alt waren, also vor gut 35 Jahren, verbrachten wir sehr viel Zeit in Platten- und Instrumentenläden. Linz war voll damit. Willburger, Pirngruber, Bräuer und Weineck, Meki und viele mehr. In nicht wenigen dieser Läden war ein Schild angebracht: „Bitte kein Smoke on the water“. Kein Wunder, diese drei Griffe konnte in unserer Clique jeder, war er auch noch so unmusikalisch. Mit 16 kaufte ich meine erste E-Gitarre ohne Wissen meiner Eltern mit dem Geld meines ersten Ferialjobs. Der olivfarbene Stratocaster-Nachbau um 9.000 Schilling war das damals günstigste Modell in der Stadt, gefunden habe ich ihn im Musikhaus Forstner in der Goethestraße. Herrn Forstner habe ich genau einmal gesehen und ich werde ihn nie vergessen. Er war damals schon so um die 60, trug Knickerbocker und einen gezwirbelten Bart. Ausprobieren durfte man seine Instrumente nicht. „Ois wos i hob, funktioniert, des brauchst ned probieren.“ Sie funktionierte, nur mein enden wollendes Talent bremste eine vermeintliche Rockstar-Karriere, die damals mindestens so hip und gleichzeitig realistisch war, wie heutige Influencer, die von ihren Clicks leben wollen. trumente zu verkaufen. Ohne Nebenerwerbslandwirtschaft wäre anfangs ein Überleben nicht möglich gewesen, doch im Laufe der Zeit wurde der Stadel zum Showroom für Lichtanlagen umfunktioniert, das Kinderzimmer von Hans Junior zum Notenlager. 1992, zwei Jahre bevor Amazon gegründet wurde, hatten die Thomanns ihren ersten großen Durchbruch. Auf Basis von ausgeschnittenen Bildern und handgeschriebenen Zetteln produzierten sie die ersten Kataloge mit „Hot Deals“. 1996 hatte man als erster Musikhändler in Deutschland eine Website, kurz darauf einen Webshop. Anfangs, so beschreibt es die Firmengeschichte, wurden Mails noch ausgedruckt. Heute unmöglich: Rund 420.000 Mails aus aller Welt trudeln mittlerweile pro Tag in Treppendorf ein. Stationärer Handel in 15 Jahren halbiert Markt um Markt wurde erobert, was im Jahr 2000 sogar zu einem Aufstand der britischen Musikhändler führte. Sie drohten den Zeitschriften, welche die „Hot Deals“ von Thomann beilegten. Mit Erfolg, bis 2006 hielten sich die Fachverlage an diese Drohung. Danach ging es Schlag(zeug) auf Schlag(werk). Das größte Lager für PA-Anlagen, das größte Musikservicecenter der Welt, ein vierstöckiges Verwaltungsgebäude und viele Bauten mehr wurden errichtet, um dem rasanten Wachstum folgen zu können. Das hochmoderne Warenlager wurde übrigens von der Welser TGW gebaut. Das wirkte sich auf die Branche massiv aus. In Deutschland hat sie sich in den letzten 15 Jahren halbiert. Eingesessene Familienbetriebe mit jahrzehntelanger Tradition mussten zusperren. Doch wo sich Türen schließen, tun sich andere auf, etwa bei der Digitalisierung. Oberösterreich ist Sitz zweier globaler Player bei Musikinstrumenten-Apps: fretello und Oktav (siehe Kasten). Instrumentenboom in der Pandemie Nicht schon wieder Pandemie! Sorry, muss sein, in diesem Fall hatte sie sogar positive Effekte. Sie verlieh im Gegensatz zu fast allen Branchen dem Instrumentenhandel Rückenwind. Immer mehr Menschen hatten Zeit, sich einen lang gehegten Wunsch zu erfüllen und ein Instrument zu erlernen bzw. ehemals Erlerntes zu reaktivieren. Ein Wandel, den der Musiker (The RawCats) und Musiklehrer Marcel IlletschMusiker Marcel Illetschko: „Der Fokus lag auf unserer Band, aber die Pandemie war der Anlass, meine kleine Musikschule zu errichten.“ Karl Danner und sein Team sind mit ihrem Werkstatt-Know-how auf internationalen Messen unterwegs. ko hautnah erlebte. „Im Jänner 2020 haben wir noch am KV-Ball gespielt. Zwei Monate später ist alles stillgestanden.“ Und dennoch war bei ihm kein Stillstand zu spüren: „Es gab Anfang 2020 eine regelrechte Explosion an Musikinteressierten. Menschen, die bisher keine Zeit dazu hatten, ein Instrument zu lernen und plötzlich im Homeoffice waren. Menschen, die sich Equipment kauften. Ich habe vorher nur nebenbei unterrichtet. Der Fokus lag auf unserer Band, aber die Pandemie war der Anlass, meine kleine Musikschule zu errichten.“ Doch wie nachhaltig war der Trend: „Es hört wieder ein wenig auf. Die Leute können wieder fortgehen und arbeiten wieder mehr. Das ist schade, aber einige Schüler blieben.“ Von „Country Roads“ zu Pink Floyd Berufsmusiker wie Illetschko litten unter den Maßnahmen. Waren im Sommer 2020 („Ein Sommer wie damals“) Hochzeiten und Co erlaubt, ging es im Herbst wieder bergab. „Wir hatten einen Gig, waren bereits beim Soundcheck, als es hieß: Einer der Gäste ist positiv, alles ist abgesagt.“ Die typischen Schüler, die Illetschko betreut, sind um die 40. „Leute, die sagen, ich wollte schon immer am Lagerfeuer Country Roads auf der Gitarre spielen.“ Aber auch Schüler, die aus der „Pink-Floyd-Ära“ stammen, die „Enthusiasten sind, sich reinhauen, um das Solo von ,Shine on you crazy Diamond‘ spielen zu können. Die leben dafür, doch das ist eher selten.“ Schüler, die auch auf das perfekte Equipment achten und dafür viel Geld ausgeben. Rock me Anton Bruckner Braucht es wieder vermehrt international erfolgreiche Rolemodels, wie es Falco war, um den Blues im Handel zu durchbrechen? Für Illetschko eher eine Frage des fehlenden Marketings als des Talents. „Wir haben schon sehr gute Musiker, etwa im Jazz. Doch in der Breite fehlt es an einer Plattform. Wir sind eher diejenigen, die Tributes spielen, als Neues zu kreieren.“ Karl Danner, Inhaber des Musikhauses Danner, sieht das ähnlich: „Ein Musikinstrument erfordert ein gewisses Investment und man muss üben. Es gibt also Bequemeres in der Freizeit.“ Nichtsdestotrotz ist er überzeugt, „dass man wieder vermehrt in die Öffentlichkeit geht, um für das Kulturgut des Musizierens zu werben.“ Vielleicht findet sich dann ein Nachfolger für Hansi Hölzl. n

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