Chefinfo Magazin 1-23

XXXXXX 1/2023 | CHEFINFO | 39 38 | CHEFINFO | 1/2023 FOTOS: HERMANN WAKOLBINGER WIRTSCHAFT Achleitner: Bei Biomasse ist Oberösterreich Weltmarktführer. Jeder vierte weltweit verkaufte Kessel kommt von hier. INTERVIEW. Energielandesrat Markus Achleitner im Gespräch mit CHEFINFO über die aktuelle Bedrohungslage am Strom- und Gassektor, unrealistische Träumer und Klimakleber – und wo er mit der grünen Umweltministerin Leonore Gewessler einer Meinung ist. INTERVIEW: Klaus Schobesberger CHEFINFO: Gas- und Strompreise sinken. War es das mit dem Energiepreisschock? Markus Achleitner: Die Bedrohungslage war groß. Ich denke, dass in einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Energieversorgern, Unternehmen und Politik das Schlimmste verhindert werden konnte. Jetzt ist die Versorgungssicherheit gegeben, die Energiepreise sinken. Es dauert aber aufgrund langfristiger Verträge ein bis zwei Jahre, bis das bei den Menschen ankommt. Dieser Winter wird kein Problem sein. Aber es kommt ein nächster. Ziel muss es sein, die fossile Abhängigkeit zu senken und zu überwinden. Wie soll das gehen? Achleitner: Das wird imWärmebereich nur mit erneuerbarem Wasserstoff und dessen Derivate funktionieren, die wir benötigen, um den Energieüberschuss im Sommer speicherfähig zu machen für den Winter. Die Gasspeicher werden künftig die Wasserstoffspeicher sein. Wir brauchen Systeme und Verordnungen für die Produktion von grünem Wasserstoff. Studien zeigen, dass Wasserstoff zur Hälfte in Europa hergestellt werden kann. Der Rest muss importiert werden. Dabei ist darauf zu achten, sich breit aufzustellen, um nicht wieder in Abhängigkeit Einzelner zu geraten. „Aus Gasspeicher werden künftig Wasserstoffspeicher“ Manche meinen, wenn wir früher auf Biomasse, Wärmepumpen, Wind- und Solarenergie gesetzt hätten, dann wären wir versorgungstechnisch fein heraus. Achleitner: Von Träumereien halte ich nichts. Es braucht einen realistischen Zugang. Zum einen: Oberösterreich ist führend bei erneuerbarer Energie. Beim Strom liegt der Anteil bei 77 Prozent, bei der Gesamtenergie sind es 37 Prozent Erneuerbare. Es muss also noch viel mehr passieren. Im Privatbereich geht es etwa darum, alte Ölkessel auszutauschen und durch Wärmepumpe oder Biomasse zu ersetzen. Bei Biomasse sind wir übrigens Weltmarktführer. Jede vierte Biomasseheizung, die in Europa verkauft wird, kommt aus Oberösterreich. Das wirklich große Thema ist aber die energieintensive Industrie. Hier wird die Umstellung eine schwierige Aufgabe werden. Vor allem für Wärme braucht es Wasserstoff und Wasserstoffderivate. Grüner Wasserstoff wird auch hier mittel- bis langfristig die Lösung werden. Für die nächsten Jahre kommen wir am Erdgas nicht vorbei. Stichwort Gasprobebohrung in Molln: Wie soll man in der Frage um Naturschutz, Klima und Energiesicherheit die Prioritäten setzen? Achleitner: Mein Zugang ist klar. Gas wird die nächsten 15 bis 20 Jahre Brückentechnologie bleiben. Unsere derzeitige Energienot- und Abhängigkeitslage macht es notwendig, dass wir gefracktes Gas, das mit hohem Energieaufwand verflüssigt wird, mit Schweröl-betriebenen Schiffen zu uns über den Atlantik transportiert wird. Es ist besser, Gas aus Oberösterreich in Oberösterreich zu verwenden, als chemisch gefracktes US-Gas überteuert zu uns zu schiffen. Das ist übrigens die Position, die Umweltministerin Leonore Gewessler auch vertritt. Gas aus Molln ist, so man fündig wird, auch nur eine Übergangslösung. Ich bin daher dafür, sachlich zu prüfen, nachzudenken und dann zu entscheiden. Die aufgeregte allergische Art bei den Themen Energie, Umwidmungen oder Bau sind keine Lösungen. Da geht es nur um prinzipiellen Protest. Viele junge Menschen ticken anders, was Wachstum und Wirtschaft betrifft, einige kleben sich aus Sorge um die Zukunft der Welt an der Straße fest. Verstehen Sie das und was antworten Sie Vertretern der „letzten Generation“? Achleitner: Man muss die Stimmungslage der jungen Leute ernst nehmen, mit ihnen ins Gespräch kommen und Argumente austauschen. Darin sehe ich die wichtigste Aufgabe von Politik heute: Menschen zusammenbringen und miteinander reden. Die Wahl der Mittel für den Protest ist etwas anderes: Es mag gut gemeint sein, der Schuss geht aber nach hinten los. Wer sich für eine gute Sache auf Straße klebt, erreicht damit das Gegenteil bei den Menschen. Der Inhalt des Protests wird zur Nebensache. Sie sind jetzt mehr als vier Jahre Landesrat. Was war Ihre wichtigste Lektion? Achleitner: Dass die Grundfähigkeiten, die man in der Wirtschaft für Erfolg einzusetzen hat, auch in der Politik gelten. Diese sind: klare Strategie, Umsetzung, Konsequenz und in Krisenzeiten auch die entsprechende Resilienz aufzubauen. Dabei darf man das langfristige Ziel nicht aus den Augen verlieren. An unserer Wirtschafts- und Forschungsstrategie für Oberösterreich haben auch die Krisen nichts geändert. n Die wichtigste Aufgabe von Politik: Menschen zusammenbringen und miteinander reden. Markus Achleitner Energie-Landesrat Gas wird die nächsten 15 bis 20 Jahre Brückentechnologie bleiben. Markus Achleitner Energie-Landesrat

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