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68 | CHEFINFO | 10/2022 ANZEIGE FOTO: © IV OÖ/ROLAND PELZL ENERGIEZUKUNFT. Die IV OÖ will die Green Transition, den Wandel zu einer emissionsarmen Industrie. Dazu erstellte sie eine Studie in der 30 betriebliche Ansatzpunkte in fünf Themenfeldern gefunden wurden. Wie das genau funktionieren soll, erklären IV-OÖ-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch und IV-Vizepräsidentin Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß im Interview. Physik kennt kein Parteibuch Inwiefern kann die Industrie die grüne Wende vorantreiben, beziehungsweise was treibt sie an? Joachim Haindl-Grutsch: Österreichs Energie-, Umwelt- und Klimapolitik war in den letzten Jahren teuer und ineffizient, vielfach realitätsfern und jedenfalls zu wenig technologieoffen und stärkenorientiert. Zudem war sie ideologiegetrieben, doch die Physik kennt kein Parteibuch. Die aktuelle Energiekrise deckt das schonungslos auf: Wir brauchen zu lange, um Wasser- und Sonnenkraft auszubauen, zu lange für den Ausbau der Strominfrastruktur und der Speichermöglichkeiten und es werden alternative Rohstoffe und neue Technologien zu wenig forciert. Das gilt auch für große Recycling- und Sektorkopplungslösungen. Der Krieg in der Ukraine hat eine Zeitenwende eingeleitet. Gerade jetzt haben wir die Möglichkeit, viele Prozesse zu beschleunigen und veraltete Paradigmen über Bord zu werfen. Es braucht raschere Genehmigungsverfahren und weniger Bürokratie, Technologieförderung statt -verhinderung, internationale Kooperationen für umfassende grüne Energielieferungen und große Industrietransformationsprojekte. Die OÖ. Industrie ist dabei wesentlicher Teil der Lösung im Kampf gegen den Klimawandel. Wir produzieren im internationalen Vergleich schon heute wesentlich klimaschonender als irgendwo sonst. Klimaschutz, Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand sind kein Widerspruch, sie müssen nur eng aufeinander abgestimmt wirken und wachsen. Sie sprechen von Push- und PullFaktoren für diese grüne Wende, dieser „Green Transition“. Welche Faktoren wären das? Haindl-Grutsch: Die Push-Faktoren sind alle von Regierungen und Regulierungsbehörden formulierten Ziele zu CO2-Reduktion und Nachhaltigkeit. Alles wurde im 2019 vorgestellten Green Deal festgehalten. Auf EU-Ebene will man bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden. Österreich hat noch höhere Ziele und will das 2040, also zehn Jahre früher, schaffen. Die Pull-Faktoren der Green Transition schaffen die Endverbraucher mit ihrer steigenden Nachfrage nach umweltfreundlichen und nachhaltigen Produkten. Aber auch im B2B-Bereich setzen Unternehmen zunehmend auf nachhaltigere Liefer- und Wertschöpfungsketten. Und nicht zuletzt sind es Finanzinstitute und Investoren, die bei ihren Kapitalallokationsentscheidungen in zunehmendem Ausmaß auf Nachhaltigkeit achten. Der ökologische Nutzen rückt bei wirtschaftlichen Entscheidungen immer mehr ins Zentrum. Welche Chancen bietet die Green Transition konkret und was sind die größten Herausforderungen, um dieses Potenzial zu heben? Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß: Mit den neuen Anforderungen an Produkte und Produktionsprozesse kann man zusätzliche Marktanteile erobern oder neue Märkte erschließen. Das gilt sowohl für die Art und Weise, wie produziert wird, als auch für die Produkte selbst. Als IV haben wir insgesamt fünf aus unserer Sicht entscheidende Themenfelder in Richtung einer dekarbonisierten Wirtschaft identifiziert. Dies sind die Elektrifizierung und Nutzung erneuerbarer Energiequellen, eine weitere Steigerung der Energie- und Materialeffizienz, der Einsatz alternativer Rohstoffe sowie die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft. Wie wird sich das auf die Produktionskosten auswirken? Ist man da noch wettbewerbsfähig? Engelbrechtsmüller-Strauß: Jedes Unternehmen hat das Interesse, durch geringen Rohstoff- und Energieeinsatz und durch effiziente Gestaltung von Produktionsprozessen die Kosten möglichst gering zu halten. Je früher und intensiver sie sich mit der Green Transition auseinandersetzen, desto mehr Vorteile können sie lukrieren. Abgesehen davon hilft es bei der Imagebildung und der Abgrenzung vom Wettbewerb. Dazu erreicht man eine höhere Resilienz gegenüber kurzfristigen Änderungen in den Märkten, bei den Kunden und gegenüber dem Regulierungsumfeld. Je nach Branche können sich die Wirkungspotenziale allerdings erheblich unterscheiden: In manchen Branchen ist es vor allem von Bedeutung, umweltfreundlichere und Ô 10/2022 | CHEFINFO | 69 Der Krieg in der Ukraine hat eine Zeitenwende eingeleitet und bietet jetzt die Möglichkeit, viele Prozesse zu beschleunigen und manch veraltete Paradigmen über Bord zu werfen. Joachim Haindl-Grutsch Geschäftsführer IV OÖ Für Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß und Joachim HaindlGrutsch geht es bei der Green Transition um nichts weniger als die Existenzfrage der heimischen Industrie. INTERVIEW: Klaus Schobesberger

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