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54 | CHEFINFO | 10/2022 FOTOS: ©SKILLSAUSTRIA WIRTSCHAFT Sollte man als Staat nicht lenkend eingreifen, um wieder mehr junge Leute in die Lehre zu bringen? Praschl: Das Unterrichtsministerium hat null Überblick, dazu verhindern Föderalismusprobleme die Möglichkeit, ein bisschen lenkend einzugreifen. Es ist auch kurios, dass jeder, der eine Meisterprüfung machen möchte, diese selbst bezahlen muss. Aber es dreht sich schon ein wenig. Immer mehr AHS-Maturanten machen nachher eine Lehre. Genau da setzt die duale Akademie an. Eine verkürzte Lehre macht absolut Sinn. Die Basics wie Mathematik und Physik haben sie ja. Man kann sich vielleicht ein wenig durch die Schule schummeln, aber wenn jemand eine Lehre macht, der da nicht hinpasst, fällt es sofort auf. In welchen Berufen sind wir besonders erfolgreich und in welchen weniger? Praschl: Wir gewinnen fast immer bei den Malern, Betonbauern, Floristen und im Sanitärbereich, auch bei Konditoren und Bäckern sind wir immer vorne dabei. In vielen modernen Berufen rund um Digitalisierung sind die Asiaten an der Weltspitze. In Korea, China oder Taiwan steckt unheimlich viel Drill dahinter. Sie trainieren zwei Jahre lange gezielt auf den Wettbewerb hin. Unsere Lehrlinge haben neben der Arbeit nur rund einen Monat Vorbereitungszeit. Das macht die Leistungen unserer jungen Leute noch beeindruckender, zeigt aber umgekehrt wieder den geringen Stellenwert. Wie haben sich Lehrberufe im Laufe der Zeit weiterentwickelt bzw. wie bleiben die Berufsfelder aktuell? Praschl: Lehrberufe werden fast alle fünf Jahre überarbeitet, um up to date zu bleiben – Stichwort Digitalisierung. Zurzeit liegt der Fokus stark auf Elektrotechnik, vieles geht in Richtung erneuerbare Energien, Gewerbe und Industrie. Umgekehrt kommen immer mehr traditionelle Berufe, die schon fast ausgestorben waren, zurück. Viele Jugendliche tendieren in solche Berufe. Ein Beispiel: Der Lehrberuf Hufschmied wurde 1973 aufgelassen, doch es kamen immer mehr Freizeit- und Landwirtschaftspferde und damit die Nachfrage zurück. Der Beruf feiert ein Comeback, und wer glaubt, dass Hufschmiede sich nicht mit Digitalisierung auseinandersetzen müssen, der irrt. Mit Kameras wird der Gang der Pferde digital analysiert und Kunststoffhufe werden mittlerweile im 3D-Drucker gefertigt. Wie entsteht ein neuer Lehrberuf? Praschl: Im Prinzip kommen die Vorschläge für neue Berufe aus der Wirtschaft, aus der WKO und auch von Außenstehenden. Berufe entwickeln sich weiter, neue Technologien verändern sie. Man dampft all diese Faktoren zu einem Berufsbild zusammen und klopft ab, wie viele Lehrstellen man da erwarten könnte. Die Einführung eines neuen Lehrberufs ist Sache der Sozialpartnerschaft. Jeder Lehrberuf muss durch diesen Beirat. Es muss dafür natürlich Berufsschulen geben und man muss passende Lehrer finden. Das ist ein großer Aufwand. Anna Karina Feldbauer aus Aistersheim wurde Weltmeisterin der Steinmetze in Bordeaux. „Dieser Lehrberuf hat mir schon jetzt so viele Türen geöffnet.“ n Immer wenn es um Bildungspolitik geht, meint man die Bildung, die aus der Schule kommt. Es wird ein wenig vermittelt, dass die Lehre der unterste Einstieg ist. Stefan Praschl Technischer Delegierter SkillsAustria Allein heuer wächst Fronius Österreich um rund 700 Mitarbeiter:innen, 2023 soll dieses Wachstum rund 800 Mitarbeiter:innen betragen. „Der Großteil davon wird im Fertigungsumfeld eingesetzt. HR wird immer mehr zu einer Schlüsselfunktion, nicht nur im Recruiting, sondern auch in der Aus- und Weiterbildung“, schildert Katrin Gatterbauer, Leitung Personalentwicklung bei Fronius. Doch wo findet man qualifiziertes Personal? „Es ist schwer, Fachkräfte zu finden, viele haben keinen Abschluss oder kommen aus einem anderen Bereich“, erzählt Heidi Kern-Steinparzer, Personalentwicklerin bei Fronius. Grund genug, ein geeignetes Programm aufzulegen, das aus Anlernkräften in nur zwölf Monaten Elektroanlagentechniker:innen macht. Die Teilnehmer absolvieren dieses Programm im Rahmen einer Bildungskarenz. „Den Lehrgang haben wir gemeinsam mit demWIFI maßgeschneidert und an unsere Bedürfnisse angepasst.“ Nach drei Monaten Ausbildung beginnen Praxistage, in denen die Mitarbeiter:innen verschiedene Fertigungsstationen durchlaufen. „Dabei können sie das Gelernte hinterfragen und das erworbene Wissen gleich anwenden.“ Maßgeschneidertes Fachkräfteprogramm Im Jänner 2021 wurde der erste Lehrgang gestartet, über 20 Personen haben ihren Abschluss bereits in der Tasche, aktuell läuft bereits der vierte Durchgang. „Jeder freut sich, wenn er den Lehrgang machen darf.“ Mitarbeiter:innen können sich dafür bewerben. Vorher durchlaufen sie einen Potenzialcheck, in dem Logik, technisches Verständnis und Motivation getestet werden.“ Mit viel Aufwand und dem Knowhow des WIFI wurde das Programm kontinuierlich weiterentwickelt. „Es ist nicht so wie bei anderen Trainings, wo man etwas organisiert, und dann läuft es von selbst“, gibt Katrin Gatterbauer zu bedenken und schränkt ein: „Es dauert dann auch noch ein wenig, bis man das Wissen anwenden kann. Eine gute Verschränkung zwischen Theorie und Praxis ist wichtig, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann im Zielbereich optimal einsetzen zu können.“ Zweite Chance, neue Perspektiven Für die Mitarbeiter:innen bedeutet es jedenfalls in mehrfacher Hinsicht einen gewaltigen Entwicklungsschritt: „Es ist für sie eine zweite Chance und es ist ein Schritt in der vertikalen Skala, der auch finanziell positive Auswirkungen hat.“ Für den Leiter von WIFI FIT, Werner Philipp, ist das Programm ein probates Mittel, dem Fachkräftemangel zu begegnen: „Fronius ist bei der Qualifizierung von Fachkräften Vorreiter. Dieses Modell werden in Zukunft wohl mehrere Betriebe in Anspruch nehmen. Fronius ist daher für uns ein perfekter Partner.“ Ein Partner, der bereits überlegt, das Programm auf andere Berufe auszurollen. Auch wenn es viele Kräfte bündelt, es zahlt sich aus. Katrin Gatterbauer: „Der Schlüssel des Erfolgs ist, dass alles engmaschig koordiniert wird, es einen permanenten Austausch gibt und dass schnell reagiert wird, auch wenn etwas nicht ideal läuft.“ Schul- und Werkbank FACHKRÄFTEAUSBILDUNG. Fronius wächst, und wie. Die Energiewende befeuert den Hunger nach Wechselrichtern, welche das Unternehmen in Oberösterreich produziert. Ein eigenes Aus- bildungsprogramm, das mit WIFI FIT entwickelt wurde, sorgt für die passenden Fachkräfte. ANZEIGE FOTOS: FRONIUS Katrin Gatterbauer Leitung Personalentwicklung Fronius HR wird immer mehr zur Schlüsselfunktion, nicht nur im Recruiting, sondern auch in der Aus- und Weiterbildung. In nur zwölf Monaten zum Lehrabschluss? Bei Fronius wird das möglich. Im Rahmen der Bildungskarenz durchlaufen Mitarbeiter:innen ein maßgeschneidertes Programm. KONTAKT WIFI OÖ Firmen-Intern- Training GmbH 4021 Linz | Wiener Straße 150 T +43 (0)5 7000-7356 | W www.wifi-fit.at 10/2022 | CHEFINFO | 55

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