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10/2022 | CHEFINFO | 57 56 | CHEFINFO | 10/2022 FOTOS: ERIC KRÜGL/VKB, KTM, PETERSCHREIBER.MEDIA / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS WIRTSCHAFT „Börse enorm wichtig für Unternehmen“ KAPITALMARKT. Wie wär’s mit etwas mehr Patriotismus im Depot? Wie trifft die Zins- wende Anleger und Firmen? Fragen und Antworten zum heimischen Kapitalmarkt und zur Performance oberösterreichischer Börsenunternehmen. TEXT: Klaus Schobesberger Voestalpine, Pierer Mobility (KTM), Lenzing, AMAG oder FACC: Oberösterreichische börsennotierte Top-300-Unternehmen sind Eckpfeiler der heimischen Wirtschaft. Sie sichern Arbeitsplätze und Wertschöpfung und treiben Innovationen voran. Österreichweit entfallen rund 12 Prozent der Produktionsleistung (oder 88,7 Milliarden Euro) auf Unternehmen, die an der Börse vertreten sind. Jeder zehnte Arbeitsplatz in Österreich ist direkt oder indirekt mit diesen Unternehmen verknüpft, rechnete das Industriewissenschaftliche Institut (IWI) kürzlich vor. 71 österreichische Unternehmen zählte man Mitte 2022 an der Wiener Börse, im Jahr 2015 waren es noch 90 Firmen. Der Anlass für diesen rückläufigen Trend der letzten Jahre liegt für den Wertpapier-Chef der VKB-Bank, Christian Burger, auch an den niedrigen Zinsen für Fremdkapital: „Das ist sicher der Grund, warum sich der eine oder andere von der Börse verabschiedet hat. Dank der Nullzinspolitik konnte man sich billig Geld beschaffen und vermied zudem den Einfluss von Aktionären im Unternehmen.“ Mit dem Ende der Nullzinspolitik könnte die Börse wieder attraktiver für heimische Firmen werden, sagt Burger im Gespräch mit CHEFINFO. CHEFINFO: Steigende Zinsen, hohe Inflation, Wirtschaftsabschwung: Welche Strategien verfolgen Anleger in diesen Zeiten? Christian Burger: Antizyklisch zu investieren und sich breit aufzustellen sind derzeit großeThemen. Gefragt in den Depots sind globale Player, die attraktive Dividenden und eineWachstumsstory aufweisen. Dazu zählen Evergreens wie Nestlé, Apple oder die international gut aufgestellte Deutsche Telekom. Auch heimische Börsenunternehmen wie die Österreichische Post sind solide Dividendenzahler und entwickeln sich weiter. Spiegelt sich ein gewisser Patriotismus in den Aktiendepots österreichischer Anleger wider? Burger: Definitiv ja. Das gesteigerte Interesse liegt auch darin begründet, dass Investoren aus der Region über Aktivitäten von Unternehmen wie die voestalpine sehr gut informiert werden. Da genügt am Morgen schon ein Blick in die Zeitung. Die voestalpine AG erwirtschaftet 15 Milliarden Euro Jahresumsatz, die Marktkapitalisierung liegt bei rund fünf Milliarden Euro. Warum schwächelt der Stahlkonzern an der Börse? Burger: Für Schwächen an der Börse kann es für Konzerne mehrere Gründe geben. Die Gewinnentwicklung spielt ebenso eine Rolle wie auch das Wettbewerbsumfeld, das bei der voestalpine traditionell hart ist. Zusätzlich kommen ein schwaches Marktumfeld und die Zurückhaltung größerer Investoren hinzu. Vor allem die USA sind stark vertreten am heimischen Börsenmarkt. Wien wird als Tor zu Osteuropa gesehen und österreichische Unternehmen werden mit in diesen Topf geworfen, obwohl sie oft kein oder nur wenig OstEngagement haben. Was könnte sich auf den Kurs positiv auswirken – Innovationen? Burger: Natürlich, die voestalpine ist ein Vorreiter bei grünem Stahl, das bei Investoren sehr positiv gesehen wird! Aber das ist ein langfristiges Projekt. Aufgrund der hohen Energiekosten könnte sich dieser Transformationsprozess verzögern. Grundlegend ist weiterhin eine gute Nachfrage in den wesentlichen Marktsegmenten zu sehen. Eine Frage ist auch, wie es mit den Investitionen weitergeht. Der gestiegene Leitzins der Zentralbanken versetzt der Konjunktur in der EU einen zusätzlichen Dämpfer. Das macht es auch etwas schwieriger. Wenn Menschen im Sparmodus sind, dann wirkt sich das negativ auf die Autoindustrie oder Bauwirtschaft aus. Diese Entwicklung könnte einen gewissen Druck auf die Industrie ausüben. Positiv aus Sicht der Anleger ist zu bemerken, dass die Hausaufgaben erledigt wurden. Vom verlustbringenden Werk in Corpus Christi, im US-Bundesstaat Texas, hat sich die voestalpine großteils verabschiedet. Auch hinsichtlich Versorgung mit Rohstoffen hat man sich neu organisiert und die Lieferketten neu aufgestellt. Ein neues Schwergewicht an der Wiener Börse ist die Pierer Mobility AG. Der Konzern rund um die Motorradmarke KTM setzt auf E-Bikes und Zukäufe – aktuell schnappte man sich die Kultmarke MV Agusta. Zutaten für eine gute Wachstumsstory? Burger: Auf jeden Fall. Zweirad und Elektromobilität sind ein Megatrend. KTM ist eine weltweit bekannte Motorradmarke mit Zugkraft und mit E-Mobility signalisiert man: Wir glauben an die Zukunft der erneuerbaren Energien. Hier wird der politische Faktor eine große Rolle spielen: Wie weit wird E-Mobilität weiterhin gefördert? Wie sieht es mit den Ressourcen aus, wenn die Energiepreise auf einem höheren Level bleiben? Bei Pierer Mobility und anderen wird die Aktienmehrheit von den Unternehmern oder Gründern gehal- Ô 104,88 Milliarden beträgt die Marktkapitalisierung der Wiener Börse. Stand September 2022. Christian Burger Leiter Veranlagung VKB-Bank Mit den steigenden Zinsen wird der Anreiz, sich Kapital von der Börse zu holen, wieder größer. WIRTSCHAFT KTM ist das Zugpferd der Pierer Mobility AG. Das Unternehmen ist in Frankfurt, Zürich und Wien gelistet.

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