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COVERSTORY 26 | CHEFINFO | 10/2022 FOTO: ALPHASPIRIT / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS Mehr digitale Effizienz Doch wo viel Schatten, ist auch Licht. So ist Österreich beimThema E-Government im Vergleich relativ gut aufgestellt. Roland Fürst, CFO von Hofmann Personal Österreich, kann das bestätigen: „Wir nutzen diese Tools sehr umfangreich. Tatsächlich ist das E-Government in Österreich sehr ausgeprägt und es funktioniert auch sehr gut. Der Nachteil ist sicher, dass es bei rasch auftretenden Änderungen wie in der Pandemie, bei der Kurzarbeit und Co. an seine Grenzen stieß. Das war aber eine Ausnahmesituation.“ Noch mehr Effizienz würde aber nicht schaden, meint Hummer: „Das Ziel muss es sein, komplette Verfahren digital zu transformieren. Es geht um einen Datenaustausch und darum, dass mehrere Bearbeiter gleichzeitig an einem Einreichprojekt arbeiten können.“ Das Land OÖ hat dieses Problem bereits erkannt, so die Präsidentin: „Und das Projekt ‚Elektronische Plattform für AVG-konforme Verfahren‘ gestartet. Wir bringen hier die Sicht der Betriebe ein.“ Trotz Digitalisierungsschub: „Die öffentliche Hand muss auf ausreichend Personal achten. Gerade wenn man an die Herausforderung der ökologischen Transformation denkt, sind Fachleute auf Behördenseite wichtig, um die Energiewende möglichst rasch umzusetzen.“ Würgt die Bürokratie die Ökologisierung ab? Genau bei dieser ökologischen Transformation steht die Bürokratie massiv in der Kritik. Genehmigungsverfahren, etwa für PV-Anlagen, dauern lang und sind mühsam. Auch davon kann Roland Fürst aus erster Hand berichten. „Das Fördersystem ist für eine rasche Energiewende nicht sehr hilfreich.“ Hofmann Personal musste den Antrag gleich dreimal stellen. „Wir haben ein sechsstelliges Investment geplant, das rund ein Drittel unserer Standorte in Österreich mit Strom versorgen soll. Im Frühjahr wurde es geplant und die Förderung beantragt. Man muss angeben, wie viel Förderung man möchte. Wir gaben 180 Euro an, der Maximalbetrag lag in diesem Förder-Call aber bei 179 Euro pro kW Peak. Wir sind dann mit dem geforderten Betrag runtergegangen und wurden ohne Begründung wieder abgelehnt.“ Danach startete der Personaldienstleister den dritten Anlauf. „Der Prozess läuft nun schon neun Monate. So kann man die Energiewende abwürgen. Übersehen wurde dabei, dass die Preise für Module und Speichersysteme enorm gestiegen sind. Je länger der Prozess dauert, desto höher das Investment. Man fühlt sich an der Nase herumgeführt, das Ganze wirkt lächerlich. Man nimmt schließlich viel Geld in die Hand, um einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten.“ Dauerbaustelle Förderungen Die Bürokratie rund um Förderungen ist ein echtes Reizthema der Wirtschaft. Hummer: „Bei vier Förder-Calls pro Jahr nach dem First-come-first-servedPrinzip waren Schwierigkeiten vorprogrammiert. Also ein Projektstau bis zum Förderstart, Tausende Anträge binnen weniger Minuten, die Ablehnung vieler Anträge und ein weiterer Projektstau. Wir brauchen eine ausreichende Dotierung eines Förderbudgets mit fortlaufender Einreichmöglichkeit oder zumindest eine Entspannung der Lage durch mehr Förder-Calls.“ Ein Beispiel für die verwirrende Fördergestaltung in Österreich bringt Gerald Hackl, Vorstandsvorsitzender der VIVATIS Holding AG: „Wir haben Standorte derselben Gesellschaft in bis zu vier Bundesländern. In allen gelten andere Kriterien. Wenn wir in Oberösterreich bauen, gibt es andere Vorschriften als in Kärnten.“ Auch bei den Landesförderungen: „Man steht als Unternehmer oft da und weiß nicht, ob man sie überhaupt beantragen kann. Bekommt man eine Zusage, dauert es ewig, bis es zu Auszahlungen kommt.“ Für Hackl fehlt die Kommunikation über diese Förderrichtlinien. „Größere Betriebe wie wir halten das aus, aber kleinere Betriebe tun sich schwer. Sie brauchen Planungssicherheit.“ Hackl fordert wie viele eine zentrale koordinierende Stelle, dazu brauche es auch RessourDie Bürokratie muss den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Das Grundprinzip lautet: So wenig Bürokratie wie nötig, so viel Freiraum wie möglich. Doris Hummer Präsidentin WKOÖ Ô 10/2022 | CHEFINFO | 27 COVERSTORY FOTO: CHRISTIAN HUBER INDUSTRIE. Axel Kühner, CEO der Greiner AG, lobt die regionalen Behörden, sieht aber viel Potenzial bei Effizienz, Digitalisierung und Geschwindigkeit. Ein Vorbild könnte der „digital first“-Ansatz Estlands sein. CHEFINFO: Wo drückt in Ihrer Branche der Schuh in puncto Bürokratie? Axel Kühner: Viele bürokratische Hürden entstehen, weil die Behörden einerseits zu wenig personelle Ressourcen für die Verfahrensbearbeitung aufbringen können und andererseits weil das Potenzial für digitale Behördenwege noch nicht ausreichend ausgeschöpft ist. Es gibt durchaus Programme und intelligente Algorithmen, welche die Behörden entlasten könnten. Außerdem glaube ich, dass wir nicht jede Richtlinie brauchen, sondern manchmal eben weniger doch mehr ist. Wo wir sicher einen Mangel haben, sind amtliche Sachverständige, die etwa für Betriebsanlagengenehmigungen notwendig sind. Aus Sicht von Greiner funktioniert die Zusammenarbeit mit den regionalen Behörden aber gut. Eine zentrale Forderung ist der Ausbau der Digitalisierung. Wo sehen Sie Potenzial und gibt es für Sie einen europäischen Benchmark in diesem Bereich? Kühner: Bisher mussten Einreichunterlagen in Oberösterreich in mehrfacher Ausführung an die Behörde gesendet werden. Nun kommt endlich der digitale Akt, aber leider auch wieder nicht in allen Bezirken. Papier hatte aber auch seine Vorteile: Man kann schnell mehrere Seiten überfliegen und vergleichen. Auch Pläne sind so manchmal besser zu lesen als digital. Als europäische Benchmark wird sehr oft Estland genannt. Für alle Behördenwege gilt das Prinzip „digital first“ und sämtliche Anträge werden über ein zentrales Onlineportal abgewickelt. Aktuell ärgert viele Unternehmer die Dauer einer Förderzusage für die Errichtung von PV-Anlagen. Können Sie das bestätigen? Kühner: Module und Wechselrichter sind derzeit oft schwer lieferbar und die Fördertöpfe wurden in der Zwischenzeit ausgeschöpft – und natürlich muss auch der Netzausbau mit dem Photovoltaiktrend mithalten können. Die Netzanbieter sind mit dem Ansturm an Anträgen für Zählpunkte derart überfordert, dass es teilweise Monate dauert, einen Einspeisepunkt zu bekommen. Man hat dort die Zeichen der Zeit leider übersehen und versäumt, hier Personal aufzustocken, um die Flut der Anträge abzuarbeiten. Auch nach der Errichtung der PV-Anlage kann sich die Inbetriebnahme und Vernetzung mit dem Energiebetreiber über Wochen hinauszögern. Was wären Ihre zentralen Forderungen bzw. Vorschläge, umdie Bürokratie effizienter zu gestalten? Kühner: Die zentralste und wahrscheinlich beste, aber auch gleichzeitig unrealistische Forderung wäre ein „Systemneustart“ der Verwaltung, sodass von vorneherein effiziente Strukturen geschaffen werden, bei denen es klare Zuständigkeiten und keinerlei Doppelgleisigkeiten gibt. Was sich noch verbessern ließe, ist die Sprache, in denen Bescheide und Anträge verschriftlicht werden. Die Formulierungen sind teilweise etwas unverständlich, was manchmal für Verwirrung und leider auch zu unnötigen Verzögerungen sorgt. Was bereits gut läuft, ist der sogenannte „Behördensprechtag“ für größere und anspruchsvollere Projekte. „Weniger kann oft mehr sein“ Axel Kühner CEO Greiner AG Die zentralste und wahrscheinlich beste, aber auch gleichzeitig unrealistische Forderung wäre ein ,Systemneustart‘ der Verwaltung. Axel Kühner sieht auf der einen Seite zu wenig personelle Ressourcen für die Verfahrensbearbeitung, auf der anderen, dass das Potenzial für digitale Behördenwege noch nicht ausgeschöpft ist.

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