Chefinfo Magazin 02-2024

MANAGEMENT 72 | CHEFINFO | 2/2024 FOTO: JULIA DELBOS MONKEYJOLIE PHOTOGRAPHIE Wie erklären Sie sich den Hang zu diesen Methoden? Philipper: Wie sich später herausstellte, hatte das nichts mit dem Hund zu tun, sondern lag an der militärischen Vergangenheit dieser Anstalten. Ich zweifelte früh daran, dass sich dieses Gehorsam-System auf ein ziviles Umfeld übertragen lässt. Nicht Zwang und Bevormundung, sondern die Grundhaltung, ein Individuum nicht gegen seine Natur verändern zu wollen und seine Eigenheiten zu akzeptieren. Das ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen Miteinander. Denn so wie sich Hunde am besten entwickeln, wenn man ihnen den Raum zur Entfaltung lässt, entwickeln sich auch Menschen am besten, wenn sie nicht gezwungen werden, sich grundlegend zu verändern, und sie das Recht haben, Fehler zu machen, Emotionen zu zeigen und ihre Potenziale zu entfalten. Nur so kommt das hoch motivierende Gefühl von Gleichwertigkeit auf, das nur Führungskräfte vermitteln können, die erkannt und akzeptiert haben, dass wir alle bedürfnisgleiche Wesen sind. Elon Musk gilt als toxischer Narzisst, Psychopath und Egomane. Dennoch folgen ihm viele Menschen blind. Philipper: Elon Musk ist ein Visionär, der von dem überzeugt ist, was er tut. Auch hier gibt die Natur eine simple Antwort: „Überzeugung führt!“ Weil Musk so selbstsicher auftritt, folgen ihm die Menschen bereitwillig. Aus demselben Grund folgen leider viele Menschen Donald Trump. Allerdings ist Trump nicht mal ein Visionär. Er selbst behauptet von sich, ein geborener Führer zu sein. Philipper: Geborene Führer gibt es nicht. Das ist Unsinn. Sonst wäre Führungsstärke vererbbar. Das ist sie aber nicht, wie uns etliche Beispiele von Familienunternehmen zeigen, die nur weiterexistieren konnten, weil man eben gerade nicht den führungsungeeigneten eigenen Nachwuchs auf den Chefsessel hievte. Ist Führungsstärke erlernbar? Philipper: Auf jeden Fall. Aber mangelnde Sachkenntnis kann man damit nicht kompensieren. Nehmen Sie etwa den deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck. Ihm fehlt aus Sicht vieler Mitbürger die Kompetenz, ein Wirtschaftsministerium zu führen. Die Leitung der Hochschule der Künste würde man ihm aber zutrauen. Anders sieht die Sache bei Bundeskanzler Olaf Scholz aus. Er gilt als kompetent, scheint aber führungsschwach. Weitaus wahrscheinlicher ist jedoch die Möglichkeit, dass er Idealismus mit Ideologie verwechselt hat. Ob ein Verwalter wie Scholz eine Industrienation wie Deutschland vor dem Abstieg bewahren kann, ist fraglich. Wer hätte das Zeug dazu? Philipper: Eine gute Frage. Vielleicht ist es an der Zeit, unsere bisherigen Vorstellungen vermeintlich kompetenter Führung auf den Prüfstand zu stellen. Ich spiele mit dem Gedanken, ein Buch mit dem augenzwinkernden Titel „Führer gesucht“ zu schreiben. Eine etwas andere Stellenausschreibung gewissermaßen. Im Fokus stünde der auffällige Hang verunsicherter Gesellschaften, Populisten zu folgen. Das Buch wäre auch ein Ratgeber, der es dem Leser ermöglichen soll, wahre Führungsmerkmale besser zu erkennen. Bisher hat sich leider noch kein deutscher Verlag getraut, mit mir dieses Projekt anzugehen. n ZUR PERSON Ulv Philipper (61) ist Autor des Bestsellers „Dog Management. Überraschend einfach führen“ (Murmann). Im Vorjahr erschien Philippers zweites Buch mit dem Titel „Dog Experience. Der Schlüssel zum perfekten Team“. Auch darin geht es nicht um klassische Tipps für Hundehalter, sondern um Kommunikation auf Augenhöhe und mehr Akzeptanz im sozialen Miteinander. Auch als Coach setzt Philipper auf die sogenannte Wolfslogik, nach der Menschen einer Führungskraft eher aus Überzeugung folgen und nicht aus Unterwürfigkeit. „Ulv“ ist übrigens ein Vorname althochdeutscher und altnordischer Herkunft und bedeutet „der Wolf“, was reiner Zufall sei, wie Philipper betont. Das Empfinden einer Gleichwertigkeit beginnt im eigenen Kopf und nicht bei der Krawatte. Ulv Philipper Autor und Coach

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