Chefinfo Magazin 02-2024

MANAGEMENT 2/2024 | CHEFINFO | 71 übernachtete in einem Hotel und las morgens beim Frühstück zufällig eine Stellenanzeige dieser Bank. Gesucht wurde eine Persönlichkeit mit starker Durchsetzungskraft. Was ist so schlimm daran? Philipper: Mit starker Durchsetzungskraft führen heißt oft, anderen Menschen die Luft zum Atmen zu nehmen, ihnen ihre Entfaltungskraft zu rauben, sie zu gängeln und ihnen das Gefühl zu geben, nicht gleichwertig zu sein. Das habe ich nach meinem Vortrag auch der Führungsriege der Bank verdeutlichen können. Ich habe dem Vorstand veranschaulicht, dass solche Stellenanzeigen abschreckend wirken können, weil sie die Botschaft transportieren, dass in den Fluren der Bank die Angst umgeht. Früher waren solche Stellenanzeigen gang und gäbe. Philipper: Die Zeiten haben sich nun mal gewandelt. Es findet zumindest in den westlichen Gesellschaften in vielen Bereichen bereits ein Hinterfragen autoritärer Strukturen statt. Heute regiert weder in den Schulen noch in den Familien die harte Hand. In Deutschland kommt noch hinzu, dass die Wehrpflicht ausgesetzt wurde. Dadurch fehlt jungen Männern und Frauen die Erfahrung, sich für ein größeres Ziel selbst zurückzunehmen. Landen die jungen Leute dann in einem Unternehmen, in dem die Angst vor dem Chef regiert, vergeht ihnen schnell die Lust am Arbeiten. Das Arbeitsklima wird zum Motivationskiller. Viele Firmen wissen das und haben sich schon gewandelt. Es gibt inzwischen quer durch alle Branchen abgeflachte Hierarchien und bei größeren Konzernen sogar Beschwerdestellen für alles Mögliche. Reicht das nicht? Philipper: Das ist doch häufig nur „Greenwashing“. Das Empfinden einer Gleichwertigkeit beginnt im eigenen Kopf und nicht bei der Krawatte. Außerdem können Schritte in die vermeintlich richtige Richtung manchmal auch kontraproduktiv sein. Denn man kann durchaus zu viele Veränderungen auf einmal vornehmen. In großen Konzernen beispielsweise arbeiten auch zahlreiche Menschen, die jahrzehntelang etwas anderes gewohnt waren. Wenn nun plötzlich alles anders ist, kann das verunsichern – vor allem dann, wenn auf die Einführung der kollegialen Du-Ansprache zwei Entlassungswellen folgen. Das lässt sich in gewinnorientierten Unternehmen nicht immer vermeiden. Philipper: Das stimmt. Umso wichtiger ist es, in solchen kritischen Situationen wenigstens gut zu kommunizieren. Es gibt jedoch immer noch viele Manager, die gar nicht kommunizieren und bewusst eine große Distanz zu ihren Mitarbeitern pflegen. Es könnte ja sein, dass sie diesen oder jenen Mitarbeiter eines Tages entlassen müssen. Diese Denkweise ist verkehrt. Denn die Menschen spüren die Distanz und sind verunsichert. Sie verlieren das Vertrauen in ihre Führung und folgen ihr nur noch widerwillig. Der Grund liegt in der Natur des Menschen, der sich seit jeher nach Vertrauen und Sicherheit sehnt. So wie alle anderen Säugetiere auch. Was veranlasste Sie eigentlich, die Beziehung von Menschen zu Hunden auf zwischenmenschliche Beziehungen zu übertragen? Philipper: Das lag an meinem ersten Hund, den ich nach meiner Zeit bei der Bundeswehr erhalten hatte. Ich war dort mehrere Jahre als Ausbilder in einer Einheit beschäftigt, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte. Ich erfüllte mir danach den lang gehegten Wunsch, einen Großteil meiner Freizeit mit einem Hund als Begleiter zu teilen. Bei der Suche nach einer geeigneten Schulung für meinen Hund musste ich zu meiner Überraschung feststellen, dass alle zu diesem Zeitpunkt angebotenen Ausbildungseinrichtungen nach dem Prinzip des militärischen Gehorsams operierten. Einem Prinzip, das mir als ehemaligem Soldaten sehr vertraut war. Sowohl Hunde als auch Menschen entwickeln sich am besten, wenn man ihnen Raum zur Entfaltung lässt, ist Ulv Philipper überzeugt. Ulv Philipper Autor und Coach Ob ein Verwalter wie Scholz eine Industrienation wie Deutschland vor dem Abstieg bewahren kann, ist fraglich. Ô

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