CHEFINFO 04_Mai 2024

FOTOS: PESTTECH, MLADENBALINOVAC/E+ WIRTSCHAFT 4/2024 | CHEFINFO | 35 34 | CHEFINFO | 4/2024 Wenn Michael Dzhafarov, Projektleiter von Pesttech, mit seinem Team ausrückt, wird es meist tierisch. Ratten, Tauben, Schaben bis hin zu Siebenschläfern oder Bettwanzen können auf die Pest-Manager, wie sie im angloamerikanischen Raum genannt werden, warten. „Rattenbefall kommt selbst in den besten Häusern vor. Die Zahl der Fälle steigt in letzter Zeit.“ Besteht der Verdacht auf Bettwanzen, kann auch schon mal ein Vierbeiner die Crew begleiten. Mit einem Bettwanzenspürhund werden die kleinen Quälgeister aufgestöbert. „Bettwanzen verstecken sich extrem gut. Sie stecken in Ritzen unterm Lattenrost oder sogar in Steckdosen. Die Menschen erkennen den Befall erst, wenn sie von Stichen oder Bissen attackiert werden. Meist ist es der Arzt, der sie darauf hinweist.“ Auch Ratten sind Überlebenskünstler. Wer denkt, Rattenbefall selbst bekämpfen zu müssen, stößt schnell an seine Grenzen. „Ratten haben Vorkoster. Wenn jemand Gift ausstreut und eine Ratte fällt tot um, greifen die anderen den Köder nicht an.“ Die Profis verwenden daher eigene, gesetzlich streng kontrollierte Wirkstoffe. Mit Speck fängt man auch keine Mäuse mehr, denn auch sie sind äußerst gewieft. „Nager haben Neophobie, sprich, sie fürchten sich vor allem Neuen.“ Von Käfern, Schwämmen & Pilzen Peter Fiedler, stellvertretender Bundesberufszweigvorsitzender der Schädlingsbekämpfer, kennt die Branche aus dem FF. „Wir sind nicht glücklich über den Namen Schädlingsbekämpfer, haben aber noch keinen besseren gefunden. International Auch mit Bettwanzenspürhunden wird ausgerückt, um die kleinen Quälgeister aufzustöbern. Bettwanzen finden immer wieder raffinierte Verstecke. SCHÄDLINGSBEKÄMPFER. Die Rattenpopulation in Städten steigt langsam wieder und die Bettwanzen sind zurück: ein Fall für die Schädlingsbekämpfer. Eine Branche zwischen Regulatorien und Hightech. TEXT: Jürgen Philipp nennt man uns Pest-Controller oder Pest-Manager.“ Die drei großen Tätigkeitsfelder sind der Schutz der menschlichen Gesundheit, der Schutz von Lebensmitteln und Materialien und der Holz- bzw. Bautenschutz. „Die menschliche Gesundheit betrifft vieles mehr als Bettwanze oder Nager. Es gibt auch verschiedene Gelsenarten oder die Pharaoameise, die Krankheiten übertragen können.“ Der Schutz von Lebensmitteln und Materialien ist in der EU-Lebensmittelhygieneordnung festgeschrieben. „Jedes Unternehmen, das mit Lebensmitteln zu tun hat, vom Bauern über den Transport bis zur Verabreichung im Supermarkt oder Gastrobetrieb, ist dabei eingeschlossen. Vom Würstelstand bis zum Haubenlokal.“ Dieses Monitoring gilt als Präventionsmaßnahme. Die Spezialisten erkennen den Schädlingsbefall bereits in Ansätzen und können gegenwirken. Beim Bautenschutz gibt es zwei Extremausprägungen, wie Fiedler verrät: „Etwa, wenn der Dachstuhl vom Hausbockkäfer befallen ist oder Kulturgüter gefährdet sind. Aber auch Mauerschwammsanierungen und Nassfäulepilze gehören dazu. Echter Hausschwamm ist gefährlicher als ein holzzerstörender Pilz und er ist leicht übertragbar.“ Hausschwämme können Holz im Umkreis von zehn bis 15 Metern zersetzen. Oft kommen diese Schädlinge in Kellern vor und verbreiten sich über Holzpaletten oder Holzverschlagstüren. Im Extremfall müssen etwa Nagekäfer begast werden. „Das dürfen nur Meister“, ergänzt Dzhafarov. Auch die Vogelabwehr gehört zum Geschäft: „Da geht es meist um Tauben, Sperlinge oder Möwen. Die dürfen wir nur abwehren. Tauben stehen unter Schutz.“ Abgewehrt wird mit Vernetzungen, mechanischen, akustischen oder elektrischen Hilfsmitteln. Neue Schädlinge durch Klimawandel Dass der Branche die Arbeit nie ausgehen wird, daran ist auch der Klimawandel beteiligt. Nach und nach breiten sich neue Arten von Schädlingen aus. Fiedler: „Durch das wärmere Klima können sie besser überleben. Ein Beispiel ist die Tigermücke. Sie stammt aus subtropischen Regionen, verbreitet sich aber durch den internationalen Transport. Erste Eintritte in Europa verzeichnen wir in Spanien, Italien, aber auch Bulgarien und Rumänien.“ Mücken die Dengue oder Fleckfieber übertragen können. Aber Fiedler gibt Entwarnung. Nicht alles ist so gefährlich, wie es oft medial dargestellt wird. „Die oft zitierte Dornfingerspinne kommt nicht so häufig vor, wie man sich das vorstellt. Das sind nur vereinzelte Tiere.“ Doch es kann mit der Zeit zu einem Thema werden. „Die meisten Insekten sind mesophil. Sie lieben mittlere Temperaturen zwischen 20 und 40 Grad, unter 10 Grad gibt es kaum Aktivität. Das Optimum liegt zwischen 28 und 35 Grad.“ Das betrifft natürlich nicht nur Exoten, sondern auch unsere heimischen Arten. „Die Anzahl der Generationen pro Jahr und die Entwicklung der Menge pro Generation sind durch die höheren Temperaturen begünstigt.“ Durch milde Winter mit geringen Frosttagen steigen die Überlebenschancen zusätzlich. „Leider geht uns die Arbeit nicht aus.“ Integrated Pest Management. Doch wie sind Schädlinge eigentlich definiert? „Es gibt die EU-Norm EN 16636. Dort werden einige Arten angeführt. Doch wann ist ein Schädling ein Schädling? Ô Michael Dzhafarov Projektleiter Pesttech In den USA ist man stolz darauf, wenn der Pest-Manager da ist, denn es ist ein Zeichen, dass proaktiv gegen Schädlinge gearbeitet wird. Steckt einmal der Holzwurm drin, hilft nur noch großflächige Begasung. In den USA ist man stolz, wenn der Pest-Manager kommt, bei uns weniger. FOTOS: PESTTECH Aus die Maus

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