Chefinfo Magazin 8-23

8/2023 | CHEFINFO | 93 FOTOS: SILKE BERNHARDT, SILBERFOTO.AT/ KAY NIETFELD, DPA, PICTUREDESK.COM UMWELT wie vom Erdboden verschluckt KLIMA. Vor allem Kohlenstoffdioxid heizt unsere Welt immer weiter auf. Die Technologie, mit der man das Treibhausgas einfangen und tief im Boden lagern könnte, war in Österreich viele Jahre verboten. Jetzt legen selbst ehemalige Gegner ihre Hoffnung in die CO2-Abscheidung und -Speicherung. Was es mit der Technologie auf sich hat, welche Bedenken Umweltschützer und Bevölkerung haben und wieso sich Experten für die Legalisierung aussprechen. TEXT: Michael Schwarz Feuerinfernos verschlingen Mittelmeerinseln und vernichten die Lebensgrundlage der Bevölkerung. Das Sturmtief Daniel schwemmt die Existenzen zahlreicher Menschen hinfort und forderte allein in Libyen über 10.000 Tote. Laut EU-Klimawandeldienst Copernicus war der diesjährige Sommer der heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1940. Und Copernicus-Vizedirektorin Samantha Burgess warnt: „Wir werden weiterhin Klimarekorde sowie intensivere und häufigere extreme Wettereignisse sehen, die sich auf Gesellschaft und Ökosysteme auswirken, bis wir aufhören, Treibhausgase auszustoßen.“ Hier liegt also der Hund begraben: Treibhausgase – und davon vor allem Kohlendioxid – verhindern die Abgabe von Wärmestrahlung ins Weltall. Doch was, wenn man CO2 einfach vergraben könnte? Was kann CO2-Speicherung CO2-Abscheidung und -Speicherung bzw. CO2-Sequestration bezeichnet den Prozess, bei dem Kohlendioxid am Erzeugungsort gefangen, komprimiert und letztlich zu einer Lagerstätte transportiert wird. Unterschiedliche chemische Verfahren können dazu verwendet werden. Als Langzeit-Lagerstätten bieten sich besondere geologische Formationen oder ausgeförderte Erdöl- und Gaslagerstätten an. Sedimentgestein im Wiener Becken eigne sich laut Holger Ott, Professor für Reservoir Engineering an der Montanuniversität Leoben. Die Methode, welche auf Englisch Carbon Dioxide Capture and Storage – kurz CCS – heißt, kann von Industriebetrieben verwendet werden, um die schädlichen CO2-Emmissionen zu minimieren. In der wissenschaftlichen Literatur wird meist von einer Abscheidungsrate von ca. 90 Prozent geschrieben. Eine britische Studie aus dem Jahr 2021 ergab, dass auch Abscheidungsraten von 98 Prozent möglich wären, ohne große Mehrkosten zu verursachen. Denn genau hier liegt ein Problem von CCS: Es ist sehr energie- und dadurch kostenintensiv. Laut Tobias Pröll, Professor am Institut für Verfahrens- und Energietechnik auf der BOKU Wien, bräuchte eine Anlage, die Strom aus fossilen Energieträgern erzeugt, 25 Prozent mehr Brennstoff, wenn CCS betrieben wird. Das verbraucht Ressourcen und kostet viel Geld. Schattendasein einer Technologie Im Jahr 2012 wurde in Deutschland das CCS-Gesetz verabschiedet, welches CCS nicht uneingeschränkt unmöglich machte, jedoch durch eine Länderklausel zu einem faktischen Lagerverbot von CO2 führte. Österreich war konsequenter und machte die Lagerung illegal. Zehn Jahre später setzte in der Politik ein Umdenken ein. Im Dezember 2022 kündigte der deutsche Grünen-Politiker und Klimaschutzminister Robert Habeck ein Gesetz an, das die Speicherung ermöglicht. Und das, obwohl er jahrelang gegen CCS war. Und auch dieses Mal zieht Österreich mit. Im September dieses Jahres traten Experten auf Einladung des Finanzministers Magnus Brunner zusammen und diskutierten die Möglichkeiten von CCS. Auch Umweltschutzorganisationen waren dabei. Sie sind noch nicht überzeugt. Greenpeace wittert beim Vorstoß zu CO2-Speicherung ein „Ablenkungsmanöver“ des Ministers. Wie die breite Bevölkerung die Legalisierungsbestrebungen aufnimmt, ist noch nicht klar. Eine Umfrage des Linzer Market-Instituts im Auftrag von Oecolution zeigt, dass die Österreicher zu dem Thema noch wenig aufgeklärt sind. Nur jeder zweite Österreicher kennt überhaupt die Möglichkeit der CO2-Speicherung unter der Erde. Eine Meinung zu dem Thema müssen sich die meisten Menschen wohl erst bilden. Früher war der deutsche Vizekanzler Robert Habeck noch ein Gegner der CO2-Speicherung. Ende des vergangenen Jahres änderte er seine Meinung und im Jänner besuchte er den norwegischen Zementerzeuger Norcem, um mehr über den Einsatz der Technologie zu erfahren. FOTOS: PHOTORAIDZ, ISTOCK, GETTY IMAGES PLUS 92 | CHEFINFO | 8/2023 Ô CO2 CCS wird sicher kommen, wird aber nur ein Instrument im Orchester zur Erreichung der Paris-Ziele sein können. Tobias Pröll Professor für Energietechnik und Energiemanagement, Universität für Bodenkultur Wien

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