Chefinfo Magazin 2-23

2/2023 | CHEFINFO | 93 92 | CHEFINFO | 2/2023 nur, welche Relevanz es für die Gesellschaft hat – und für die Zukunft. Diese Fragen müssen zuerst geklärt werden, bevor man etwas macht“, sagt Assmann. Für den Kunsthistoriker hatten Museen immer schon persönlichen Denkmalcharakter, der mit dem Trend zum Privatmuseum verstärkt in Erscheinung tritt. Der Gemeinschaftscharakter des Nationalmuseums, ein Kind des 19. Jahrhunderts, sei im Unterschied dazu ein revolutionärer Museumsgedanke, weil er klar macht: Die wichtigsten Objekte einer Gemeinschaft gehören allen. Jeder hat klein angefangen Auf der anderen Seite zeigt sich: Auch jeder Besitzer eines Privatmuseums hat einmal klein angefangen. „Kunst zu sammeln ist ein Virus, jeder von uns in der Familie ist davon angesteckt. Eine zentrale Rolle übt dabei meine Mutter aus. Sie ist das BackupSystem. Sie archiviert, dokumentiert und trägt das gesamte Projekt mit“, sagt Liaunig. Gesammelt wird übrigens alles: vom Kieselstein am Strand bis zu Pilzen. Vater Herbert Liaunig hat bereits mit vier Jahren Zigarettenpackungen der Marke „Austria 3“ gehortet; heute „sammelt“ er ganz virtuell alle Schweizer Pässe, indem er sie erwandert. Einen Geschmack dieser Leidenschaft erhalten die Museumsbesucher in den 2015 zusätzlich eröffneten unterirdisch liegenden Ausstellungsräumen: Hier werden im Halbdunkel historische und ethnologische Objekte präsentiert: Gold der Akan, afrikanische Glasperlenkunst, Briefmarken oder klassisches Kunsthandwerk. Anfangs hatten die Exponate noch in der Wiener Wohnung Platz. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg Liaunigs wuchs auch die Zahl der Objekte rasch – und die Wohnung als Ausstellungsort wurde zu klein. 1988 kaufte und renovierte Liaunig das Schloss Neuhaus, um seine Kunstsammlung stilgerecht unterzubringen. Nachdem selbst in diesem riesigen Komplex die Wandflächen knapp wurden, wurde der Bau eines Museums im Ort ins Auge gefasst. Ein Museum kostet Geld Damals gab es in dieser Dimension nur das Museum Essl in Klosterneuburg, dessen Ausstellungsbetrieb 2016 nach dem Zusammenbruch der von Karlheinz Essl gegründeten Baumarktkette BauMax eingestellt wurde. „Ich habe Herrn Essl für seinen Einsatz immer bewundert. Er hat das Museum 17 Jahre mit großem Engagement betrieben. Unser Kunstschwerpunkt ist allerdings ein anderer“, sagt Liaunig, der sein Museum schlanker aufgestellt sieht. Während im flächenmäßig kleineren Museum Essl 40 Mitarbeiter beschäftigt waren, ist es in Neuhaus nur ein halbes Dutzend. Zudem ist die Ausstellung nur von Mai bis Oktober geöffnet. Ein Privatmuseum ist ein ständiger Kampf mit der Finanz und kostet Geld. „Wir zählen jährlich 10.000 Besucher und laufende Kosten von einer halben Million Euro. Pro Ticket legen wir 50 Euro drauf “, rechnet Liaunig vor. L O FOTOS: ANDREAS TISCHLER / PICTUREDESK.COM LIFESTYLE LIFESTYLE Immer mehr Privatsammlungen Im 500 Quadratmeter großen Museumsdepot lagert hinter gesicherten Glaswänden ein Großteil von annähernd 4.000 Exponaten mit großen Namen wie Hans Staudacher, Gunter Damisch, Arnulf Rainer, Peter Pongratz, Maria Lassnig oder Hubert Schmalix. Privatmuseen erlebten in den letzten Jahrzehnten einen regelrechten Boom. Alleine in Deutschland zählt der „BMW Art Guide“ mehr als 40 öffentlich zugängliche Privatsammlungen. Auch in Österreich ist die Zahl der Privatmuseen sprunghaft angestiegen. Zuletzt machte die Milliardärin Heidi GoëssHorten (1941–2022) mit ihrem Privatmuseum in der Wiener Innenstadt gegenüber der Albertina von sich reden, das im Vorjahr kurz vor ihrem Tod eröffnet wurde. In Oberösterreich öffnete das Ehepaar Josef und Irene Schütz 2021 das Schütz Art Museum in Engelhartszell – der spektakulärste Privatmuseumsbau im Land seit 2013. Damals machte Heinz J. Angerlehner seine umfangreiche Sammlung in einem eigenen Gebäude in Thalheim bei Wels öffentlich zugänglich. Große internationale Namen sind das Guggenheim Museum in Bilbao, die Saatchi Gallery in London oder die Fondation Louis Vuitton in Paris, die der Milliardär Bernard Arnault vom Architekten Frank Gehry erbauen ließ. „Die spielen in einer anderen Liga. Wir wollten ja nie ein Museum“, erzählt Liaunig. Und das Museum sei nichts anderes als ein wegen akuter Platznot verlängertes Wohnzimmer, das nun mit umso größerer Begeisterung betrieben wird. Ein Privatmuseum als Denkmal „Das Museum Liaunig zählt in puncto Architektur und Sammlung international mit zu den besten Privatmuseen. Aber wie bei anderen Beispielen auch lebt es vom finanziellen und geistigen Engagement des Gründers und Stifters“, sagt Museumsexperte Peter Assmann, 59. So wichtig und gut private Sammelleidenschaft und die Förderung junger Künstler sei, so stellt sich doch gezwungenermaßen die Frage der Nachhaltigkeit bei einem Privatmuseum. Das betrifft sowohl die Frage nach der Qualität der Sammlung als auch die Frage nach der Finanzierung. Denn finanziell geht es sich fast nie aus: Ein Museum ist und bleibt ein Zuschussbetrieb. „Daher landen alle Privatmuseumsinitiativen irgendwann auf dem Tisch der Politik“, ist Assmann überzeugt. Ein prominentes Beispiel dafür sei die Sammlung Essl, die 2017 der Albertina Wien als Dauerleihgabe übergeben wurde. „Jeder kann sein Museum machen. Die Frage ist Peter Assmann Museumsexperte Jeder kann sein Museum machen. Die Frage ist nur: Welche Relevanz hat es für die Gesellschaft? Peter Liaunig im 500 Quadratmeter großen Museumsdepot. Hier lagert ein Großteil der 4.000 Exponate zeitgenössischer Kunst aus Österreich. Kaum ein großer Name fehlt. Agnes Husslein ist Direktorin des im Vorjahr eröffneten Privatmuseums Heidi Horten Collection. Die Sammlung der verstorbenen Milliardärin Heidi Horten vereint Mode und Kunst. Ô

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