Chefinfo Magazin 2-23

2/2023 | CHEFINFO | 61 60 | CHEFINFO | 2/2023 FINANZEN FINANZEN FOTOS: NATALI_MIS / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, HASLINGER / NAGELE Landgericht München, 13. Februar 2023, alle Blicke sind auf einen Mann im schwarzen Rollkragenpullover, der ein wenig an Steven Jobs erinnert, gerichtet: Markus Braun, ehemaliger CEO der Wirecard AG und damit einer der Hauptakteure in einem der größten Wirtschaftsskandale der deutschen Geschichte. Er wirkt selbstbewusst und siegessicher, denn seine Anwälte bauen eine Verteidigungslinie auf, die er selbst knapp verkündet: „Ich hatte keinerlei Kenntnisse von Fälschungen oder Veruntreuungen.“ Natürlich gilt für Braun die Unschuldsvermutung, doch Unwissenheit schützt bekanntlich nicht vor Strafe, schon gar keinen Geschäftsführer oder CEO. Auch wenn der Fall Wirecard sehr speziell und atypisch ist, es ist ein Mythos, zu glauben, dass eine Aussage à la „Damit habe ich nichts zu tun“ Geschäftsführer aus ihrer Haftung entlässt. Mythos 1: Damit habe ich nichts zu tun Eine von vielen Mythen und Mysterien rund um die Geschäftsführerhaftung. Daniela Huemer, Partnerin von Haslinger / Nagele Rechtsanwälte, hilft mit, diesen aufzuräumen. Zentral ist dabei, dass „die Geschäftsführer nicht für einen bestimmten Erfolg haften, aber für sorgfältiges Vorgehen“. Ist diese Sorgfaltspflicht nicht gegeben, kann die Haftung eintreten. Auch bei mehreren Geschäftsführern. „Viele glauben, bei der Bestellung von mehreren Geschäftsführern sei jeder nur für sein eigenes Handeln verantwortlich – das ist pauschal so nicht richtig. So sieht beispielsweise das GmbHGesetz explizit vor, dass Geschäftsführer zur ungeteilten Hand haften. Eine klare, auch tatsächlich gelebte Ressortverteilung unter den Geschäftsführern kann zwar helfen, das Haftungsrisiko zu reduzieren, schützt aber nicht zu 100 Prozent.“ Mythos 2: Rücktritt schützt vor Haftung Geschäftsführer, die bei einer deutlichen Schieflage des Unternehmens dieses verlassen und stattdessen ahnungslose Nachfolger einsetzen, retten sich nicht ins vermeintliche Rettungsboot, wie die Expertin schildert. „Eine Rücktrittserklärung eines Geschäftsführers zur Unzeit kann schadenersatzrechtliche KonseGESCHÄFTSFÜHRERHAFTUNG. Welche Rechte und Pflichten Geschäftsführer haben, ist klar geregelt. Auch wann sie haftend gemacht werden können. Und dennoch gibt es viele Mythen und Mysterien. Ein Aufklärungsversuch. TEXT: Jürgen Philipp Geschäftsführer mit (un)beschränkter Haftung? GmbH quenzen nach sich ziehen.“ Das Insolvenzrecht hat klare Regeln: „In bestimmten Konstellationen ist der Rücktritt des Geschäftsführers bei materieller Insolvenz des Unternehmens unzulässig. Auch sind die Geschäftsführer verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber binnen 60 Tagen nach Eintritt der Voraussetzungen der Insolvenz, den Insolvenzantrag zu stellen.“ Für einen neu hinzugekommenen Geschäftsführer gibt es keine „Schonfrist“, sprich: „Das heißt, die 60TageFrist beginnt nicht mit der Bestellung neu zu laufen.“ Mythos 3: Prinzip Hoffnung Eine ordentliche Finanzplanung bzw. überwachung ist das A und O eines Geschäftsführers. Entscheidungen müssen sauber dokumentiert sein. Gerät das Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten muss eine positive Fortbestehensprognose erstellt werden. „Es ist laufend zu prüfen, ob die Fortbestehensprognose noch haltbar und ein SollIst Vergleich zu den Prognosedaten notwendig ist.“ Ein „Weiterwurschteln‘“ nach dem Prinzip Hoffnung, „kann für den Geschäftsführer drastische Konsequenzen haben“, so Huemer. Mythos 4: Mitarbeiter ist schuld Selbstredend ist ein „Ausräumen der Gesellschaft kurz vor Insolvenzeröffnung“ nicht erlaubt. „Auch übersehen viele, wann ein Fall der ,verbotenen Einlagenrückgewähr‘ vorliegt; also fremdunübliche Geschäfte mit Nahebeziehungen abgeschlossen werden.“ Und es gelten auch keine Ausreden, etwa, dass ein Mitarbeiter an einem eventuellen Fiasko schuld sein soll: „Der Geschäftsführer hat eine Überwachungspflicht – er kann sich daher nicht auf das Verschulden eines nachrangigen Mitarbeiters berufen.“ Mythos 5: Ich konzentriere mich auf mein Kerngeschäft Doch wie gut sind Geschäftsführer eigentlich auf ihre Tätigkeit, ihre Rechte und Pflichten vorbereitet? „Es kommt in der Praxis durchaus vor, dass sich Geschäftsführer hauptsächlich auf das ,Kerngeschäft‘ – den eigentlichen Betrieb des Unternehmens – konzentrieren und andere Geschäftsführeraufgaben vernachlässigt werden.“ Geschäftsführer sollten sich daher in ihre Rechte und Ô Expertin Daniela Huemer räumt mit Mythen und Mysterien rund um die Geschäftsführerhaftung auf. Daniela Huemer Partnerin Haslinger / Nagele Rechtsanwälte Geschäftsführer haften nicht für einen bestimmten Erfolg, aber für sorgfältiges Vorgehen.

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