Chefinfo Magazin 1-23

Erben wird sofort mit Streitigkeiten und Zerwürfnissen konnotiert. In Österreich laufen diese Verfahren aber meist sehr harmonisch ab. er Film „Knives Out“, der 2019 erschien und auf einem Drehbuch basiert, das Agatha Christie geschrieben haben könnte, handelt von Erbschleicherei in der Familie. Ein von einer unbekannten Person bezahlter Privatermittler, dargestellt von Daniel Craig, glaubt nicht an einen Selbstmord und entwirrt das Rätsel um die „liebe Familie“ samt anderer Figuren, die alle auf das Erbe des (erfolg)reichen fiktiven Krimiautors Harlan Thrombey schielen. Auch wenn es nie offiziell bestätigt wurde, soll Drehbuchautor und Produzent Rian Johnson die Idee zum Film auf dem kuriosen Erbfall der Madame Liliane Bettencourt basieren. Die Tochter von L’Oréal-Gründer Eugène Schueller begann mit 15 Jahren als Verpackerin und Lageristin bei L’Oréal. 1957 starb ihr Vater und vererbte ihr ein (noch) kleines Vermögen. Aus diesem sollte ein großes werden. L’Oréal ist heute einer der größten internationalen Kosmetikkonzerne und Liliane war bei ihrem Tod 2017 die reichste Frau der Welt. Ihr letzter Wille hinterließ einige Fragezeichen. Mehrere Hundert Millionen Euro vermachte sie der Forschung, ihre Kunstsammlung dem Staat, rund zehn Millionen FOTOS: JACQUES BRINON / AP / PICTUREDESK.COM, GLOBALP, ILYA BURDUN / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS 1/2023 | CHEFINFO | 19 18 | CHEFINFO | 1/2023 Alles für die Katz? Karl Lagerfeld vererbte seiner Katze Choupette einen Teil seines 500MillionenFrankenVermögens, noch besser geht es Kater Tomasso, der von der wohlhabenden italienischen Witwe Maria Assunta gefunden und aufgezogen wurde. Als Maria starb, wurde Tomasso Alleinerbe und darf nun über seine eigenen Ländereien in Kalabrien stolzieren. KURIOSES Angeblich soll der Fall der ehemaligen L’Oréal-Inhaberin Liliane Bettencourt Vorlage für den Blockbuster „Knives Out“ mit Daniel Craig in der Hauptrolle gewesen sein. 14 Milliarden beträgt der Gesamtwert des vererbten Vermögens in Österreich 2021. sollte ihr Krankenpfleger erben. Tochter Françoise Bettencourt-Meyers zweifelte an der Zurechnungsfähigkeit ihrer Mutter und das schon neun Jahre vor ihrem Tod. 2008 setzte Liliane nämlich den Fotografen und langjährigen Freund François-Marie Banier als Alleinerben ein (die Aktien an L’Oréal hatte sie vorher schon an Françoise übergeben). Ihre Tochter verklagte Banier und unterstellte ihm Erbschleicherei – und sie bekam recht. Der Fotograf wurde wegen „Ausnutzung von Schwäche“ zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, später wurde eine Bewährungsstrafe daraus. Ab diesem Zeitpunkt versuchte Françoise ihre Mutter für unzurechnungsfähig zu erklären. Doch wie stellt man das fest? Notar Bernd Alber erklärt: „Man muss testierfähig sein. Der Begriff ist eine ein wenig abgeschwächte Variante der Geschäftsfähigkeit. Wenn Zweifel bestehen und zum Zeitpunkt des Testaments kein ärztliches Gutachten vorliegt, muss das in einem Prozess im Nachhinein geklärt werden, das passiert mit Zeugenaussagen, ärztlichen Briefen oder Befunden.“ 2017 starb Liliane und Françoise folgte ihr als reichste Frau der Welt nach. Mit einem Vermögen von rund 75 Milliarden Euro liegt sie vor ihren Kolleginnen deutlich in Pole Position. Ihr männlicher Konterpart und Landsmann Bernard Arnault (LVMH – Louis Vuitton, Moet, Hennessy) hat allerdings fast 120 Milliarden mehr an Vermögen. Frank„reich“ gibt bei den Superreichen jedenfalls den Ton an. Erbschleicherei im Vormarsch? Doch ist Erbschleicherei nur etwas für fiktionale Stoffe bzw. bei Superreichen ein Thema? Keinesfalls, wie Prof. Volker Thieler im Manager Magazin erklärt. Thieler bekämpft mit seiner Stiftung skrupellose Abzocker, die vor allem ältere Menschen im Visier haben. Thieler berichtet von steigenden Beschwerden: „Es lohnt sich ja auch. In Deutschland werden nach Schätzungen rund 250 bis 400 Milliarden Euro pro Jahr vererbt.“ Die Methode fasst er dabei mit den „drei A“ zusammen: „Also erst Anschleichen, dann Abschotten und am Schluss Abzocken.“ Erbberechtigte sollten diese Warnzeichen verstehen, vor allem, wenn der Kontakt immer mehr abreißt und sich die ältere Person immer mehr isoliert. Etwa wenn „Sie die Telefongespräche mit einer Ihnen vertrauten Person nicht mehr so führen können, wie gewohnt. Wenn die Telefonate plötzlich abgehackt, kurz und knapp sind, dann können Sie davon ausgehen, der Erbschleicher steht hinter Ihrem Angehörigen und kontrolliert alles.“ Ô ca. COVERSTORY COVERSTORY

RkJQdWJsaXNoZXIy NzkxMTU1