Chefinfo Magazin 02-22

2/2022 | CHEFINFO | 75 IT & MORE 74 | CHEFINFO | 2/2022 FOTOS: KATHARINA GOSSOW C HEFINFO: Ist für Sie ein Kon- zept wie das Metaverse eine Dystopie oder eine Utopie? Janina Loh: Ich sehe sowohl utopische als auch dystopische Elemente. Dysto­ pisch: Die Herausforderungen und Pro­ bleme werden auf einer anderen Ebe­ ne fortgesetzt, ohne die eigentlichen Probleme anzugehen, weil im Metaver­ se alles hip und fancy ausschaut. Das Denken, wir würden uns vom Ballast einer physischen Welt befreien, ist fatal. Eine utopische Facette wäre aber, dass wir versuchen könnten, das Digitale als Gestaltungsspielraum zu sehen und Din­ ge anders zu machen. Dazu brauchen wir aber eine Vorstellung, wie eine lebens­ werte Gesellschaft aussehen könnte. Wir haben unendliche Vorstellungen, wie wir diese Welt an die Wand fahren kön­ nen, aber sehr wenig Vorstellung davon, wie wir die Gesellschaft durch Techno­ logie konkret und real verbessern kön­ nen. Die klassischen sozialen und poli­ tischen Utopien sind nicht einfach nur hingeworfene Visionen, sondern aus­ geklügelte Gesellschaftsmodelle. Das erfordert Arbeit und braucht eine The­ orie, wie wir dahin gelangen könnten. Es erfordert mehr als ScienceFiction. Wir tun uns mit solchen Schreckens­ szenarien leichter. Wir hören Roboter und denken an Terminator. Es ist eben bequem sich auf ein SchwarzWeiß­ Denken zurückzuziehen. Wird dieses Schwarz-Weiß-Denken nicht erst recht durch die Technolo- gie unterstützt? Loh: Die schöne neue Welt, eine Welt ohne spürbare Konsequenzen auf das eigene Handeln, kennen wir, wenn wir im Internet auf irgendwelchen Platt­ formen irgendwas publizieren. Da ste­ hen die garstigsten Kommentare drun­ ter, weil es keine Konsequenzen gibt. Es wäre etwas völlig anderes, wenn ich jemandem gegenübersitzen würde. Schon mit dem Fernsehen wurde vie­ les sichtbar, aber es blieb distanziert. Wir sahen nicht nur in Nachbars Gar­ ten, sondern bis ans Ende des Planeten. Wir schalten den Fernseher nach hässli­ chen Kriegsbildern aus und gehen dann zum Abendessen. Wir pinnen eine klei­ ne Ukrainefahne an unseren Avatar und denken, wir hätten unser Soll erfüllt. Wie hoch ist der Stellenwert der Technologiephilosophie bzw. -ethik mittlerweile? Loh: Das Interesse an Technikphilo­ sophie ist gestiegen. Vor sechs, sieben Jahren haben einen Leute noch schräg angeschaut, wenn man etwas von Robo­ terethik, Trans und Posthumanismus geredet hat. Einzelne Disziplinen haben gemerkt, dass man zusammenarbeiten muss. Wir sind zumindest so weit, dass wir mittlerweile ein ethisches Feigen­ blatt brauchen. Am Ende geht es um Kapitalismuskritik. Was bedeutet gute Arbeit? Was bedeutet ein gutes gesell­ schaftliches Miteinander? Es geht um Fragen, die wir uns schon seit der grie­ chischen Antike stellen. n INTERVIEW. Die Technikphilosophin Janina Loh über Dystopie und Utopie, warum wir uns leichter tun, die Welt an die Wand zu fahren, als sie zu gestalten, und warum sich in diesem Punkt seit der Antike nichts geändert hat. „Am Ende geht es um Kapitalismuskritik“ Selbst im Hochtechnologie- zeitalter der virtuellen Rea- litäten stellen sich laut Tech- nologiephilosophin Janina Loh dieselben Fragen wie in der griechischen Antike. Janina Loh Technikphilosophin Wir pinnen eine kleine Ukrainefahne an unseren Avatar und denken, wir hätten unser Soll erfüllt. B ei der technologischen Wei­ terentwicklung von KI haben Frauen eine zunehmend starke Stimme. Forscherinnen aus dem UAR Innovation Network geben Einblicke, welche Forschungsfragen im „KITeam­ building“ zukunftsweisend sind und warum Diversität in der Forschung einen hohen Stellenwert einnimmt. Welche Rolle spielt die Erklärbarkeit bei KI-Modellen? Manuela Geiß: Ein großes Potenzial von Lernalgorithmen besteht in der Fähig­ keit, von komplexen Daten zu lernen und dabei bisher unbekannte Zusammen­ hänge zu nutzen. Erklärbare KI kann dabei helfen, diese Zusammenhänge aufzudecken, zu verstehen und so neues Wissen zu generieren. Auf diese Weise können durch Erklärbarkeit auch Schwä­ chen eines KIModells (z. B. Datenbias) frühzeitig identifiziert und mögliche Fol­ gen wie diskriminierende Entscheidun­ gen des Algorithmus verhindert werden. Dies stärkt gleichzeitig auch das Vertrau­ en in KIMethoden – eine Grundvoraus­ setzung dafür, dass die Zusammenarbeit zwischen Menschen und Künstlicher Intelligenz gut funktioniert. Warum ist Diversität in der KI- Forschung wichtig? Roxana Holom: Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz eröffnen neue Möglichkeiten. Sie sind aber auch mit Herausforderungen verbunden. KISys­ teme können automatisch diskriminie­ rende Entscheidungen treffen, wenn sich in den verwendeten Datensätzen Vorur­ teile widerspiegeln. Ausgewogene Exper­ tenteams können dem entgegenwirken, da unterschiedliche, geschlechtsspezifi­ sche Sichtweisen bereits in einem frü­ hen Stadium in die Forschungsarbeit einbezogen werden. Das breite Spek­ trum der Anwendung von KISystemen erfordert zudem nicht nur technisches Fachwissen, sondern auch Kenntnisse, die zur Lösung der vielen ethischen und rechtlichen Fragen beitragen können. Mehr Einblicke in die vielfältigen Seiten der Forschung unter www.uar.at/Insights Gelebte Vielfalt in der Forschung Das UAR Innovation Network zählt insgesamt 17 hochkarätige Forschungs­ zentren, die Unternehmen bei der Rea­ lisierung ihrer Innovationsvorhaben tatkräftig unterstützen. Die Kernkompe­ tenzen lassen sich in drei Stärkefeldern zusammenfassen – smarte Systeme, digitale Technologien und nachhaltige Materialien. www.uar.at Manuela Geiß (links), Senior Resear- cher im Bereich Data Science am Soft- ware Competence Center Hagen- berg, und Roxana Holom (rechts), Data Science Project Manager & Researcher bei RISC Software. Die weibliche Seite der Künstlichen Intelligenz #DiversityInScience. Mensch und Künstliche Intelligenz (KI) sind die Teamkollegen der Zukunft. Ein Ansatz für eine gut funktionierende Zusammenarbeit ist „Human-Centered Artificial Intelligence (AI)“ oder „menschzentrierte KI“. Erklärbarkeit und Vertrauen sind dabei zentrale Aspekte. Bei einem Expert*innen-Talk des Netzwerks Women in AI gaben die Forscherinnen Einblicke in die praktische Perspektive einer vertrauenswürdigen und erklärbaren KI. ANZEIGE FOTOS: UAR, RIGERTA DEMIRI, SCCH, RISC SOFTWARE scch { } software competence center hagenberg

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