Chefinfo 8 2021

8/2021 | CHEFINFO | 45 44 | CHEFINFO | 8/2021 REGIONAL-TV. LT1-Chef Dietmar Maier über den Wandel in der Fernsehwelt, die Neuaus- richtung von Oberösterreichs führendem Privat- TV-Sender und sein Verhältnis zum ORF. FOTOS: HERMANN WAKOLBINGER WIRTSCHAFT C HEFINFO: Im Vorjahr stieg die TV-Tagesreichweite in der heimischen Bevölkerung auf 70,3 Prozent. Das ist der höchste Wert seit 1991. Haben die Regional- sender auch davon profitiert? Dietmar Maier: Corona war für uns ein Quotenturbo. Bei allen Herausfor- derungen gilt die Devise: „Lasse nie eine Krise ungenützt verstreichen!“ Der Sender wurde in dieser Zeit völ- lig modernisiert. Mehr neue TV-For- mate als je zuvor wurden in dieser Zeit ins Leben gerufen. Mit LT1 Live wur- de zudem eine Produktionsfirma mit Schwerpunkten auf Live-Übertragun- gen und Live-Streams gegründet. Wir sind damit voll ausgelastet und stellen gerade weitere Mitarbeiter ein. Welche LT1-Sendungsinhalte wur- den während der Pandemie und der Lockdowns besonders nachgefragt? Maier: Zu Beginn war die tagesaktu- elle Nachrichtenredaktion gefordert. Wir haben täglich aus dem Bundes- kanzleramt berichtet und alle Informa- tionen aus Oberösterreich in tagesaktu- elle Beiträge verpackt. Je länger die Pandemie andauerte, desto stärker wurde die Nachfrage nach Reportagen aus Ober- österreich. Alles abseits der Krisenberichterstattung wurde mehr und mehr zum Quoten- hit. Noch im Pandemie-Herbst haben wir darauf reagiert und die Serien „Unterwegs in OÖ“, „Land- frauen“, „LT1 Fensterln“ und „Talk im Paneum“ ins Leben gerufen. Letzterer ist mit 130.000 Sehern neben den NEWS und „OÖ kocht“ mit Silvia Schneider mittlerweile der Quotenhit auf LT1. Erstmals produ- zieren wir auch Hauptabendsendungen fürs Wochenende. Wie hat sich LT1 in den vergangenen Jahren entwickelt? Maier: Wir sind kontinuierlich gewachsen, teilweise sogar etwas zu schnell. Wir befinden uns aber immer noch am Weg zur Umsetzung der Strategie vom Stadtsender zum Landes-TV, wobei wir längst nicht mehr der „Corona war für uns ein Quotenturbo“ INTERVIEW: Klaus Schobesberger Linzer Sender sind. Die Zahl der Mit- arbeiter hat sich in den letzten Jahren auf mehr als 55 verdoppelt. Vor allem die Redaktion wächst weiter und wird weiter ausgebaut. Die Anzahl der Seher hat sich in zehn Jahren von 30.000 auf über 140.000 täglich mehr als vervier- facht. Mit Zahlen wie diesen gehen wir aber normalerweise nicht an die Öffent- lichkeit. Immer am Boden bleiben und unterschätzt zu werden, ist sehr hilf- reich im Wachstum und Wettbewerb. Wer sind Ihre Seher und ist das klassische TV-Gerät noch das bevor- zugte Medium? Maier: Vom 30-Jährigen bis zur 70-jähri- gen Oma ist alles dabei. Dass der Alters- schnitt im Publikum nicht übermäßig steigt, dafür sorgt unsere Social-Media- Redaktion. Drei Mitarbeiter übersetzen unsere TV-Inhalte täglich für die Com- munity auf Facebook, Instagramund Tik- Tok. Das TV-Gerät ist nach wie vor das Massenmedium schlechthin. Das beste Beispiel ist die ZIB im ORF. Täglich ver- sammeln sich 1,3 Millionen Österreicher vor ihren TV-Geräten. Der Anteil der 14- bis 29-Jährigen im klassisch-linearen Fernsehen liegt nur noch bei 33, 3 Prozent – 2016 waren es noch 66,4 Prozent. Die Jungen streamen heute mehr und hängen auf sozialen Medien ab. Wie reagieren regionale TV-Sender auf diese Entwicklung? Maier: Wir haben keine Angst vor Streaming-Diensten und sozialen Medien, im Gegenteil: Es hilft uns, noch mehr Menschen für uns zu gewin- nen. Ein Beispiel: Früher haben wir den Großteil der Seher nur in der Primetime zwischen 18.30 und 22.30 Uhr erreicht. Heute beginnt unsere Berichterstattung bereits in der Früh um 5.30 Uhr online – und das auf allen sozialen Netzwerken. Wohin muss sich das traditionelle Fernsehen entwickeln, damit es attraktiv bleibt und wie reagiert LT1 konkret auf Trends? Maier: Für uns ergeben sich dadurch ungeahnte neue Möglichkeiten. Unser Sender ist längst auf allen digitalen Kanälen angelangt. Wir nutzen jede Möglichkeit, unsere bewegten Bilder auf allen Plattformen auszuspielen. Nächs- tes Jahr steigen wir mit zwei TV-Pro- duktionen ins Streaming-Geschäft ein. Die Produktion von der Streaming- Staffel à zwölf Teile läuft gerade. Es sind die aufwendigsten Produktionen, die es je im Regionalfernsehen gegeben hat. Mehr darf ich noch nicht verraten. Nur so viel: Wer sich den neuen Trends ver- weigert, wird nicht überleben. Auf der einen Seite ist der unüber- sichtlich wirkende Markt der Privat- sender, auf der anderen Seite der monolithische Block des gebühren- finanzierten ORF. Wie sehen Sie die- ses Match aus der Sicht des größten Privatsenders in OÖ? Maier: Ichhaltenichts vomORF-Bashing, das in Österreich leider viele Privatsender betreiben. Öffentlich-rechtliches Fern- sehen ist für ein demokratisches Land unverzichtbar, dafür Gebühren zu zah- len ist für mich selbstverständlich. Zwei Voraussetzungen sind für mich wichtig: Gebühren für österreichische Formate und weniger für Hollywood-Blockbuster und US-Serien verwenden und eine par- teiunabhängige Berichterstattung. Ich maße mir aber nicht an, den ORF zu kritisieren, die machen einen guten Job und wir haben selbst noch viele Haus- aufgaben zu erledigen. Ich habe übrigens ein sehr gutes Verhältnis zum ORF, es ist Platz für alle da. n 4 Stunden täglich schauen Frau und Herr Österreicher klassisch-lineares TV, gefolgt von Netflix mit 30 Minuten und YouTube mit 20 Minuten. WIRTSCHAFT LT1-Geschäfts- führer Dietmar Maier im neuen News-Studio: Die Anzahl der Seher hat sich in zehn Jahren von 30.000 auf über 140.000 täglich mehr als vervierfacht.

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