Chefinfo Magazin 10-23

ANZEIGE FOTO: © IV OÖ/ROLAND PELZL n Herr Pierer, Sie haben die Personalkosten erwähnt. Die Lohnverhandlungen haben daher entscheidende Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Wie sehen Sie die aktuelle Lage? Pierer: Wir stehen kurz vor dem Kipppunkt, an dem der österreichische Industriestandort massiven Schaden erleidet. Ja, wir sind österreichische Unternehmer. Ja, wir werden unsere Burg hier in Österreich mit aller Kraft verteidigen. Aber wir werden unsere Mitarbeiter nicht mehr in Österreich, sondern an den dezentralen Standorten erhöhen können. Warum das so ist, zeigen die Zahlen: Meine Firmengruppe ist global aufgestellt, was einen direkten Vergleich der Produktionskosten in einzelnen Ländern zulässt. Was kostet also ein Blue Collar Worker uns als Arbeitgeber im Jahr? Im Innviertel bei KTM sind es im Schnitt 54.000 Euro, in Süddeutschland, wo wir mehrere Werke betreiben, belaufen sich die Kosten pro Arbeiter auf 57.000 Euro. In der Slowakei sind es 27.000 Euro, in Bulgarien und in China 14.000 Euro – und in Indien, in unserem Automotive-Zentrum in Pune, belaufen sich die Personalkosten pro Mann und Jahr auf 8.000 Euro. Hier wird auch noch samstags gearbeitet. Wird Indien die Rolle Chinas als Mekka der globalen Fertigung einnehmen? Pierer: Nein, ohne China mit seinem riesigen, technologisch hochgerüsteten Markt wird es nicht gehen. China dominiert global den Bereich der Elektroautos mit einer Qualität, die mindestens auf dem Niveau europäischer Hersteller liegt. Beim Thema Connectivity und Elektromobilität haben uns die Chinesen bereits überholt. Auf der anderen Seite lockt Amerika Betriebe mit Milliardenanreizen und schafft damit neue Jobs. Das ist sehr simpel, effektiv und schlau gemacht. Und wo bleibt Europa, wo bleibt Oberösterreich mit seiner Industriepolitik? Pierer: Wir haben eine tüchtige Mitarbeiterstruktur in Oberösterreich. Es gibt zwischen Landesregierung und der Industrie einen engen Schulterschluss. Aber wir sind auch Teil einer europäischen Energiearchitektur. Wir sind eingebunden in eine europäische Politik, die mit der ESGTaxonomie oder mit dem Lieferkettengesetz unseren KMU eine Vielzahl an Regulatorien aufzwingt, die auf anderen Kontinenten in den nächsten Jahren nicht zu erwarten sind. Statt einer Politik der Anreize wie in den USA steht Europa für Vorgaben, Verbote und Strafen. Mit der europäischen Vision von 1995, als Österreich der Europäischen Union beigetreten ist, hat das nichts mehr zu tun. Europa reguliert sich zum Stillstand. Was muss passieren? Pierer: Wir müssen uns der Realität stellen. Es stehen uns schwierige Zeiten ins Haus. 2024 wird die Wirtschaft schrumpfen, Österreich steckt in der Rezession. Wir müssen entsprechend reagieren. Ein braucht ein Umdenken in der politischen Meinung, in den Notwendigkeiten, was wir in Europa benötigen und was wir nicht benötigen. Es braucht ein Umdenken in Teilen der Bevölkerung. Der Traum vom leistungslosen Wohlstand führt in eine Sackgasse. Haindl-Grutsch: Die Einstellung der Menschen zur Arbeit ist entscheidend dafür, ob der Standort Österreich auch in Zukunft durch Innovation und hohe Produktivität weltweit erfolgreich ist und damit der Wohlstand der Bevölkerung erhalten und ausgebaut werden kann. Eine aktuelle Umfrage der IV OÖ gemeinsam mit dem Spectra Marktforschungsinstitut zum Thema Wohlstand und Einstellung zur Arbeit zeigt, dass die Bevölkerung ein sehr realistisches Bild von der aktuellen Lage hat: Die Mehrheit geht davon aus, dass unser Wohlstand sinken wird, während er in China und Indien deutlich zunehmen wird. Der viel diskutierten 32-StundenWoche wird eine klare Absage erteilt. Die Menschen spüren sehr klar, dass eine Arbeitszeitverkürzung eine Sackgasse ist, die die Österreicher massiv Wohlstand kosten würde. Viel stärker sollten man darauf setzen, die vorhandene Freude an der Arbeit mit Anreizen weiter zu stärken, damit sich Leistung stärker lohnt. 106 | CHEFINFO | 10/2023 Die Menschen spüren sehr klar, dass eine Arbeitszeitverkürzung eine Sackgasse ist, die die Österreicher massiv Wohlstand kosten würde. Joachim Haindl-Grutsch Geschäftsführer der Industriellenvereinigung OÖ Wir haben höhere Lohnstückkosten als Deutschland. Bei Personal- und Energiekosten sind wir nicht mehr wettbewerbsfähig. Stefan Pierer Präsident der Industriellenvereinigung OÖ und Vorstandschef der Pierer Mobility AG statt INDUSTRIE STAND DORT INDUSTRIE STANDORT ZUKUNFT GESTALTEN EXPLODIERENDE ENERGIEPREISE BEDROHEN TAUSENDE ARBEITSPLÄTZE! Jetzt handeln, sonst heißt es bald: „Die Industrie stand dort“. INDUSTRIELAND OBERÖSTERREICH industrieland-oesterreich.at

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