Chefinfo Magazin 7-23

DAS MAGAZIN DER FÜHRUNGSKRÄFTE SCHARFBLICK WOLF, KLIMA & DIE ZUKUNFT DER BAUERN MICHAELA LANGER-WENINGER DURCHBLICK SEHHILFE FÜR ARBEITEN AM BILDSCHIRM KLAUS PIPPIG WEITBLICK MIT BILDUNG GEGEN DIE PERSONALNOT WERNER PHILIPP SEPTEMBER 2023/33. JG./NR. 7/2,50 EURO, ÖSTERREICHISCHE POST AG, GZ 02Z031559 M, ZIELGRUPPEN-ZEITUNGSVERLAGS GMBH, ZAMENHOFSTRASSE 9, 4020 LINZ ERWISCHT! SEPTEMBER 2023 KONZERTE ERFOLGREICH IN DER NISCHE FINANZPOLIZEI JAGD NACH DEN STEUERMILLIONEN DROHNEN LUFTIGE GESCHÄFTE MIT POTENZIAL BILDUNG. Warum in Österreich für einen Titel oftmals getrickst, betrogen und plagiiert wird. AMERICA’S CUP FORMEL 1 AUF HOHER SEE NEURODIVERSITÄT SPEZIELLE BEGABUNGEN IM BETRIEB NUTZEN

Cyrus Rahmat Tel.: 0732 650350-22 | Mobil: 0664 1006505 | E-Mail: cyra@cyra.at Cyra Immobilien GmbH | Berggasse 23 b | A-4040 Linz | www.cyra.at Neuson Real GmbH Zollamtstraße 7 | A-4020 Linz | Tel. 0732 673500 office@neuson-real.com www.neuson-real.com BERATUNG | VERMITTLUNG | PROJEKTENTWICKLUNG IHRE NEUE IMMOBILIE 2023 Ein Campus für innovative Unternehmen Lage: Linz Zentrum vis-à-vis Wifi OÖ, MIETERWÜNSCHE können berücksichtigt werden! Freie Raumplanung • Individuell gestaltbare Büroflächen vom klassischen Einzelbüro bis hin zum Großraumbüro • High-End-Ausstattung: Klima, Doppelböden, Akustikdecken, hochwertige Böden/Beleuchtung, Befeuchtungsanlage uvm. • Innovative Gebäude-/Haustechnik: Fernwärme und Fernkälte (betriebskostenschonend), modernste Raum- und Steuerungstechnik, High-Speed-Datenleitung • Benefits für alle am Campus: Konferenzzentrum, Restaurant, Nahversorger, Kindergarten und Hotel • Tiefgarage: gesamt 1.040 Stellplätze, E-Ladestationen (optional) PROVISIONSFREI FÜR MIETER Gesamt ca. 8.000 m² Nutzfläche Letzte freie Bürofläche: ca. 1.600 m² teilbar, Bezug Ende 2023, Miete auf Anfrage, HWB: 86 kWh/m²a, fGEE: 1,23 Gesamte Nutzfläche: ca. 13.500 m² BAUTEIL 1 Das TECHBASE LINZ bietet heute schon die Büroqualität der Zukunft! Gesamt: ca. 7.380 m², freie Bürofläche: ca. 5.344 m² teilbar (ab 2024), Miete: auf Anfrage, HWB: 18 kWh/m²a, fGEE: 0,73 Bürofläche: ca. 5.740 m² teilbar (ab 2024), Stand-alone-Objekt, Miete auf Anfrage, HWB: 20 kWh/m²a, fGEE: 0,81 BAUTEIL 3 BAUTEIL 4 TECHBASELINZ TECHBASELINZ TECHBASELINZ TECHBASELINZ VERMIETET BAUTEIL 2 Gewerbeobjekt mit 3 Wohnungen und Schwimmbiotop in St. Martin im Mühlkreis zu verkaufen Adresse: Anzing 48, 4113 St Martin im Mühlkreis Halle, Büro, 3 Wohnungen im Obergeschoß, voll unterkellert inkl. Sauna und Welllnessbereich, 20 Parkplätze Hallenfläche: 320 m², Büro: 197 m², 3 Wohnungen: 60 m² + 73 m² + 137 m², Keller: 184 m² Kaufpreis: Auf Anfrage Modernes Gewerbeobjekt und effiziente Bestandshallen in Neufelden zu vermieten Neubau-Gewerbeobjekt mit Halle über 2 Ebenen. Hallenfläche: 4.833 m², Büro: 226 m², 20 Pkw-Stellplätze, Beschickung ebenerdig und über innen liegende Rampe Bestandshallenflächen: 14.400 m², und Büro: 300 m², Beschickung ebenerdig und über innen liegende Rampe, Mietkonditionen auf Anfrage OBJEKT 2 Helle attraktive Büroflächen nach Generalsanierung zu vermieten Adresse: Wahringerstraße, 4030 Linz Größe: 20 m²–2.000 m² Parkplätze: im Innenhof Ausstattung: neue Böden, Trennwände nach Wunsch, Klimaanlage OBJEKT 1 Schwerlasthalle in Top-Gewerbegebiet von Linz zu vermieten Adresse: Wahringerstraße 34, 4030 Linz Größe: 4.170 m², Höhe: 20 Meter, 2 Deckenkräne mit 70/35 Tonnen und 32/12 Tonnen 2 Seitenkräne mit 5 Tonnen Traglast Freilager: 3.120 m² mit 32-Tonnen-Kran Kleinteilelager, Sozialräume, Büroflächen, Parkplätze Mietkonditionen: auf Anfrage Neubauhallenflächen können mieterspezifisch errichtet werden. Größen: 1.500–7.000 m² pro Halle, Höhe: bis 30 Meter Kirchschlag, Neubauprojekt über der Nebelgrenze: Wohnungen für Eigennutzer und Anleger zu verkaufen Größen: 46 m², 64 m², 70 m², 85 m², 92 m² und Penthouse mit 103 m² Alle Wohnungen mit 2 Tiefgaragenplätzen, Terrassen, und 3 haben einen Eigengarten. Wunderschöne Aussichtslage und sehr sonnig. Kaufpreise auf Anfrage OBJEKT 5 OBJEKT 3 OBJEKT 4

Metallbau Wastler ist ein innovatives Traditionsunternehmen mit Sitz in Linz. Als anerkannter und verlässlicher Partner im Bereich Metalltechnik und Fassadenbau realisiert der Metallbauspezialist technisch höchst anspruchsvolle Projekte. Zum Leistungsportfolio gehören der Fenster- und Fassadenbau, Stahlbau und Schlosserarbeiten (wie etwa Ge- länder, Treppen und Vordächer), Brandschutzkonstruktionen, Glasbau und immer wieder einzigartige Sonderkonstruktionen. Pachmayrstr. 2, 4040 Linz +43 (732) 757610-0 metallbau@wastler.at www.wastler.at

6 | CHEFINFO | 7/2023 7/2023 | CHEFINFO | 7 Klaus Schobesberger Chefredakteur „Eine spannende Geschichte“ k.schobesberger@chefinfo.at Die Zahlen dokumentieren den wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens. Aber ganz ehrlich: Was wären die Wirtschaft und ein Wirtschaftsmagazin ohne gute Geschichten? Dass spannende Storys für die positive Entwicklung von Organisationen nicht unerheblich sind, hat der US-Ökonom und Nobelpreisträger Robert Shiller in seinem Buch „Narrative Wirtschaft“ gut erklärt. Erfolgreiche Unternehmen haben meist auch eine faszinierende Geschichte zu erzählen. Und diese Erzählungen beeinflussen Menschen in vielfältiger Weise. Wir hoffen, dass wir auch in dieser Ausgabe „eine spannende Geschichte“ für Sie bereit haben. Hohe Wellen haben die letzten Jahre immer wieder nicht korrekt erworbene akademische Titel geschlagen. In der Coverstory blicken wir hinter das Phänomen. Spannend finden wir die Arbeit der Finanzpolizei und die Geschichte des America’s Cup, der ältesten Segelregatta der Welt. Viel Gewinn beim Lesen dieser Ausgabe wünscht Ihnen Editorial IMPRESSUM: Eigentümer und Medieninhaber: Zielgruppen-Zeitungsverlags GmbH. Redaktionsanschrift: Zamenhofstraße 9, 4020 Linz, Tel.: +43 (0)50 6964-0, E-Mail: redaktion@chefinfo.at. Herausgeber: Peter Lengauer. Geschäftsführung: Mag. Johanna Lengauer, Hans Huber. Chefredaktion: Klaus Schobesberger. Redaktion: Jürgen Philipp Bakk. Komm. MBA, Michael Schwarz BA. Verlagsverkaufsleitung: Christian Schüttengruber. Anzeigen: Mirijam Mayer, Isolde Kainz, Roswitha Lang, Romana Gerard. Artdirector: Thomas Bruckmüller. Artdirector-Stv.: Julia Pargfrieder. Grafik: Vanessa Modandell, Malina Lahner, Rebecca Falmbigl. Bildbearbeitung: Andrea Laban, Frank Garzarolli. Korrektur: Mag. Dorrit Korger. Druck: Radin print d.o.o., Sveta Nedelja, Kroatien. Abo-Hotline: Tel.: 0506964-4091. E-Mail: abo@chefinfo.at. Internet: www.chefinfo.at. Gültig ist die Preisliste 2023. Im Sinne einer leichteren Lesbarkeit werden geschlechtsspezifische Bezeichnungen überwiegend in männlicher Form verwendet. moments ● CHEFINFO ● WEEKEND MAGAZIN ● Corporate Publishing CHEFINFO IST EIN PRODUKT IM Zukunft des Wolfs Agrar-Landesrätin Michaela Langer-Weninger erzählt über Klima, Anbau exotischer Pflanzen und den Wolf. Hartes Showbiz Ticketmonopole, Steuerlast, Streamingplattformen. Für Musiker ist es derzeit schwer. Silicon Valley in Linz Die Techbase Linz will als Stadt in der Stadt neue Standards in puncto Arbeiten der Zukunft setzen. 26 30 42 Wirtschaft Vorsicht, Finanzpolizei! Was die Finanzpolizei leistet, wie sie ausgebildet wird und welche Möglichkeiten sie hat. Die Kritik an Banken Die Opposition will Banken zur Kasse bitten. Diese halten wenig von Markteingriffen. 50 55 Bildung vs. Personalmangel Mit Personalentwicklung und Bildungsbudgets beschäftigen sich heute alle Branchen. Kongress-Tourismus Wie geht es den Anbietern von Messen, Tagungen und Seminaren nach Corona? 58 72 30 50 58 Inhalt Finanzen Bildung Dr. Mag. man eben Über die österreichische Titelsucht und ihre Folgen 16Coverstory 82 84 88 Kompetenz Neurodiversität KI eröffnet ein neues Arbeitsfeld, für das Menschen mit Autismus besonders geeignet sind. Durchblick am PC Unsere Augen hängen täglich am Bildschirm. Wie wir sie schützen können, verrät Klaus Pippig. America’s Cup Superreiche duellieren sich in der prestigeträchtigsten Regatta der Welt – seit 1851. Gesundheit Lifestyle 88 84 26 FOTOS: OLEKSANDR SHCHUS, RANCESCOCORTICCHIA, SASUN BUGHDARYAN, TADAMICHI, JACKF / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS COVERFOTOS: HERMANN WAKOLBINGER, MARTIN STEIGER, OLEKSANDR SHCHUS / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS FOTOS: HERMANN WAKOLBINGER, GORODENKOFF / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, SAMO VIDIC / ALINGHI RED BULL RACING

7/2023 | CHEFINFO | 9 8 | CHEFINFO | 7/2023 FOTOS: STEPHAN RUMPF / SZ-PHOTO / PICTUREDESK.COM / CREDIT TRUMP: ROBYN BECK / AFP / PICTUREDESK.COM Radar Mugshot als Werbung Donald Trump. Jedem wäre die Veröffentlichung seines Polizeifotos peinlich. Nicht Donald Trump. Er muss sich wegen des Vorwurfs der Wahlbeeinflussung vor Gericht in Georgia verantworten. Weil er 2024 zur Wahl antreten will, nutzt er den „mugshot“ unverfroren für Wahlkampfzwecke. Nur Stunden nach der Veröffentlichung des grimmigen Konterfeis kommen T-Shirts und Tassen auf den Markt, garniert mit dem Spruch: „Niemals aufgeben!“ Markenexperten, die keine Trump-Fans sind, konzedieren,: „Trump ist ein Marketing-Genie.“ Katar 0,1 Prozent Fußball-WM & Gaslieferant: Das Land war viel in den Medien vertreten. Auch die niedrige Arbeitslosigkeit ist eine Meldung wert. Südafrika 32,6 Prozent Die Beschäftigungskrise in Südafrika verschärft sich von Jahr zu Jahr. Jeder zweite junge Mensch ist im BRICS-Land ohne Job. Schweiz 1,9 Prozent In Europa kann niemand den Eidgenossen das Wasser reichen. Das gilt sowohl für die Geldanlage als auch für den Arbeitsmarkt. Spanien 11,6 Prozent Innerhalb der EU hat Spanien die höchste Arbeitslosenquote. Auch hier kämpfen viele Jugendliche verzweifelt um eine Anstellung. TOP DOWN Länder mit der weltweit niedrigsten Arbeitslosigkeit Länder mit der weltweit höchsten Arbeitslosigkeit Wolfgang Reitzle Chairman der Linde plc. „Wohlstand ohne Leistung ist Illusion. Vieles, wofür Deutschland in der Welt bewundert wurde, funktioniert nicht mehr.“ Dahin gesagt Woran arbeiten Sie gerade? Daniel Höller und Dominic Koll haben 2020 qapture gegründet und begleiten mit ihrem Digitalen Zwilling namhafte Bauprojekte. Baufortschritt beobachten, Zeitpläne besser einhalten und Probleme frühzeitig erkennen. Beim Digital Twin handelt es sich um die digitale Begleitung eines Bauprojekts: Mittels 3D-Laserscanning werden Bestand und Fortschritt der Baustelle festgehalten. Zudem müssen nicht alle Beteiligten zur Baustelle reisen, sondern können virtuell mitarbeiten. Ein weiterer Vorteil: Mittels Forecast können Fehler bereits im Vorfeld vermieden werden. Qapture war unter anderem beim Umbau des Parlamentsgebäudes in Wien sowie für den Neubau der Herzklinik UK Bonn im Einsatz. FOTOS: HAMAD AL-KAABI / AFP / PICTUREDESK.COM, SEBASTIEN NOGIER / EPA / PICTUREDESK.COM, ALEXANDRA WEY / KEYSTONE / PICTUREDESK.COM ZAHL Quelle: The Spectatotor Index Milliarden Dollar beträgt der Börsenwert des chinesischen Immobiliengiganten Evergrande im September 2023. Im Oktober 2017 lag dieser noch bei 50 Milliarden Dollar. Nun eilt der Staat zu Hilfe. Best of 0,4 Nachgefragt Zins-Kommunismus Der CHEFINFO-Gastkommentar über Finanzberatung ganz im Sinne Fidel Castros. Wo sind die Zeiten geblieben, als Hannes Androsch in Lederhosen regionalen Raiffeisen-Kaisern beim Kartenspielen die Welt erklärte und alles gut war? Was ist nur aus der einst staatstragenden Partei SPÖ geworden, die einen Marxismus-Verehrer aus einem Provinznest zum Parteivorsitzenden kürte? Seither geht ein Ruck durchs Land – weil sich viele Bürger gleichzeitig mit der Hand auf die Stirn klatschen. Beispiel gefällig? Zinsspekulanten, die ihr Haus mit variablen Krediten finanzieren, soll der Staat per willkürlicher Gewinnabschöpfung und Zinsdeckelung unter die Arme greifen. Steuerzahler, Fixzinskreditnehmer und Mieter dürfen sich zu Recht verarscht fühlen. Rettet das Sparbuch. Der ZinsKommunismus macht bekanntlich auch vor dem Sparbuch nicht halt. Die SPÖ will regulierte und damit staatlich subventionierte Fixzinsen für Spareinlagen. Dass das Sparbuch seit Jahrzehnten vor allem in Zeiten hoher Inflationsraten ein Verlustgeschäft für Sparer ist, wird gerne verschwiegen. Die Parole lautet: „Rettet das Sparbuch, was immer es kostet!“ Wann hat die Politik endlich Mut, den Wählern reinen Wein einzuschenken? Langfristiger Vermögensaufbau funktioniert nur mit Aktien wirklich gut. „Stopp“, hör ich die Zins-Kommunisten rufen. „Das ist Spekulation!“ Und die ist offenbar nur bei Krediten zulässig. Ihr Anonymus Anonymus Mohamed bin Zayid (re.) Herrscher von Abu Dhabi 2020 kaufte Chimera Investment aus Abu Dhabi die von Ernesto Colnago 1954 gegründete Rennradmarke. Das UAE-Team Emirates Profiteam wird seit Jahren von Colnago ausgerüstet. Ivan Glasenberg Ehemaliger Glencore-Chef Kurz vor dem Start der Tour de France verkaufte die Investorengruppe Catterton die Rennradikone Pinarello an Milliardär Ivan Glasenberg. Der ExBoss von Glencore ist Radsport-Enthusiast. Andy Rihs (†75, re.) Schweizer Unternehmer Der 2018 verstorbene Milliardär und Rennradfan war im Besitz der Kultmarke BMC Switzerland. Im Frühjahr wurden Berater engagiert, um Optionen zu prüfen - einen Verkauf inklusive. COLNAGO Edle Radmarken im Visier von Milliardären PINARELLO BMC

FOTOS: IZUSEK / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS 10 | CHEFINFO | 7/2023 Anders gedacht von Klaus Schobesberger Chefredakteur Woran misst man Leistung in der Politik? Wer diese Frage stellt, erhält einen Blumenstrauß an Antworten oder einen Kaktus. Vox populi ist launisch. Es zählt die Stimme des Volkes – vor allem an der Wahlurne. Weil Stimme und Stimmung artverwandt sind, ist die Meinungshoheit durch Agendasetting entscheidend. Genau aus diesem Grund diskutierte halb Österreich an heißen Sommertagen über Schnitzel, Bargeld – und Politikergagen. Für Außenstehende ein absurd anmutender Wettbewerb nach unten: Weil Vorwahlkampf ist, verzichten Mitglieder der Bundesregierung auf eine Gehaltserhöhung. Nicht unbedingt eine wertsteigernde Geste für einen Job, der einem alles abverlangt. Dem Druck im Dauerrampenlicht standzuhalten, ist schon eine Leistung an sich. Überdies wird gerne gezählt und aufgezählt für die Habenseite der eigenen Bilanz: die Zahl der Gesetze, die verabschiedet, die Menge der Reden, die im Parlament und Landtagen geschwungen, und die Anzahl der Termine, die täglich absolviert werden. Eine Bühne, viele Rollen Politik ist eine Bühne, auf der dicke Bretter gebohrt und Schmierenkomödien gespielt werden. Auf ihr treten Minderleister wie nicht amtsführende Stadträte auf, die bei vollen Bezügen keine politische Verantwortung tragen. Es gibt Sisyphos-Rollen wie jene des Gesundheitsministers, der wohl auch in hundert Jahren noch an der Reform des österreichischen Gesundheitssystems wortreich zerschellen wird. Und dann gibt es Ortskaiser, die ob der zur Schau gestellten Bauleistung ihr eigenes Denkmal aus Beton verkörpern. Auch wenn der Wert der politischen Arbeit für ein Land unbestritten wichtig ist, fällt eine Beurteilung im Konkreten schwer. Es obliegt dem Einzelnen, politische Meinungsbildung für sich zu betreiben. Und das ist gut so. Auf der anderen Seite: Politische Fehlentscheidungen ziehen nur selten Konsequenzen nach sich, selbst wenn sie an der Zahl von 243 Millionen Euro festzumachen sind. Diese Summe muss Deutschland an Kapsch als Schadenersatz wegen des Maut-Debakels eines ehemaligen Verkehrsministers zahlen. Worauf es ankommt Zur Ehrenrettung sei gesagt: Der Job des Politikers war zuletzt nicht einfach. Folgenschwere Entscheidungen mussten gefällt und oft wieder revidiert werden. Eine Anmerkung zum Schluss: Harte, zukunftsgerichtete politische Arbeit, die jenseits der eigenen Parteigrenzen das große Ganze im Blick hat, macht sich immer bezahlt. Ideologische Geisterfahrer und narzisstische Blender werden hoffentlich auch künftig ausgesiebt. n MEINUNGSBILDUNG. Warum „die da oben“ einen genaueren Blick des Bürgers verdient haben. Wos is mei Leistung? Vom Wert der politischen Arbeit IMMOBILIE GESUCHT! Wir suchen Immobilien im Großraum Linz (bebaut oder unbebaut) Wir freuen uns auf Ihren Anruf unter 0664/144 40 40 oder Ihre E-Mail an office@korrektinvestment.at

7/2023 | CHEFINFO | 13 FOTOS: ENGEL & VÖLKERS LIQUIDHOME, IGLO, SDLGZPS / E+ / GETTY IMAGES, WK OÖ PRESSEFOTOS Wirtschaft Liquide Immobilien Andreas König unterstützt als B2B Sales Manager das Team von Engel & Völkers LiquidHome. Der gebürtige Wiener war zuvor unter anderem bei Würth, Haberkorn und MVC Motors. Frostige Lebensmittel Ines Franke wird neue Managerin von Iglo Österreich. Die Spanierin mit österreichischen Wurzeln arbeitete zuvor bei den Nahrungsmittelunternehmen Reckitt und Kellogg’s. Heiße Lohnrunden Ende September machen die Metaller den Anfang bei den Lohnverhandlungen. Die Inflation betrug seit September 2022 9,6 Prozent. Produktionsgewerkschafts-Chef Reinhold Binder rasselt bereits mit dem Säbel: „Auf harte Verhandlungen“ müssen sich Arbeitgebervertreter einstellen, vor „Kampfmaßnahmen“ schrecke man nicht zurück. Dagegen warnen Unternehmer davor, dass hohe Lohnabschlüsse die Inflation weiter befeuern würden. Stern am Unternehmerhimmel Doris Cuturi-Stern ist die neue Kuratorin des WIFI Oberösterreich der Wirtschaftskammer und folgt damit Georg Spiegelfeld-Schneeburg. Die gelernte Juristin ist Geschäftsführerin von Stern & Hafferl und gründete 2011 die Altaussee-Schifffahrt mit Österreichs erstem Solarschiff. n NACHFOLGE. Laut einer Studie von Dun & Bradstreet hat jedes siebte Unternehmen in Österreich noch keine Nachfolgeregelung getroffen. Insbesondere kleinere Unternehmen sind davon betroffen. 22,5 Prozent der Betriebe mit einem bis neun Mitarbeiter haben keinen Nachfolger. #businessportraits #unternehmensfeature Ein Portrait ist nicht nur ein Portrait, ein Portrait sollte die Geschichte erzählen. +43 699 1 4330233 . Fabrikstaße 16, 4020 Linz . hw@hermann-wakolbinger.at . www.hermann-wakolbinger.at #businessportraits #unternehmensfeature Ein Portrait ist nicht nur ein Portrait, ein Portrait sollte die Geschichte erzählen. +43 699 1 4330233 . Fabrikstaße 16, 4020 Linz . hw@hermann-wakolbinger.at . www.hermann-wakolbinger.at

7/2023 | CHEFINFO | 15 14 | CHEFINFO | 7/2023 Infotech wächst durch Übernahme Das Rieder Unternehmen Infotech übernimmt das IT-Infrastrukturgeschäft von Digisoul. Infotech bietet Dienstleistungen in den Bereichen Internet, Sicherheit, Digitalisierung und vieles mehr. Infotech-Geschäftsführer Bernhard Schuster und Digi- soul-Geschäftsführer Günther Klinglmayr freuen sich auf die zukünftige Zusammenarbeit. Branchen Jubiläum bei Trauner Verlag Der Trauner Verlag feiert seinen 75. Geburtstag. Ursprünglich umfasste das Team neben dem Gründer Rudolf Trauner vier weitere Mitarbeiter. Heute beschäftigt das Familienunternehmen, geleitet von Sonja und Rudolf Trauner, 70 Angestellte. Jährlich erwirtschaftet der Verlag neun Millionen Euro und liefert neben anderen Publikationen 500.000 Schulbücher aus. Im Jahr 1963 wurde Rabmer von Josef und Maria Rabmer gegründet. Seit 1992 ist deren Tochter Ulrike Rabmer-Koller in Führungspositionen. Ursprünglich im Baubereich positioniert, ist Rabmer besonders in den Sparten der Wasser- und Abwasserversorgung und der erneuerbaren Energien gewachsen. Auch weiterhin möchte Rabmer auf Nachhaltigkeit setzen. MANAGEMENT & ERFOLG redaktion@chefinfo.at Vivatis expandiert in Osteuropa Vivatis-Tochter Maresi übernimmt Enigma Trading in Rumänien. Vivatis-CEO Gerhard Hackl nennt die Übernahme einen wichtigen Schritt in der Wachstumsstrategie des Unternehmens. Das Enigma-Sortiment soll fortgeführt werden. FACC im Höhenflug Ein erfreuliches erstes Halbjahr hat Luftfahrttechnikunternehmen FACC mit CEO Robert Machtlinger hinter sich. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist der Umsatz um 31,3 Prozent auf 354,7 Mio. Euro gewachsen. Ein Grund ist die gestiegene Nachfrage. Flugzeugproduktion. 60 Jahre Innovation bei Rabmer Bildung auf Rädern Missimo ist der Name eines einzigartigen Bildungsprojekts der Gemeinnützigen Privatstiftung Kaiserschild in Zusammenarbeit mit der Ars Electronica Linz. Der zweistöckige missimo-Truck fährt zu Volksschulen im ländlichen Raum und bietet auf einer Ausstellungsfläche von 100 Quadratmetern einen interaktiven Erfahrungsraum für Zukunftstechnologien. Schüler können dabei erste Erfahrungen mit Robotik, Sensorik, Bionik, Coding oder KI sammeln. Für sie ist die Teilnahme kostenlos. 250 Klassen können jährlich erreicht werden und auch Lehrende erhalten neue, nützliche Inhalte. redaktion@chefinfo.at Schlaue Köpfe bei Kaindl Geschäftsführer Thomas Hopfinger stellt das Führungsteam von Kaindl neu auf. Der Groß- und Einzelhändler mit Firmensitz in Leonding ist in den letzten Jahren stark gewachsen, weshalb das Führungsteam neu organisiert und die Position des Betriebsleiters geschaffen wurde. Martin Neunlinger übernimmt zukünftig diese Funktion innerhalb des Unternehmens. 25 Jahre Domico-Werk Pötting 1998 erfolgte der Spatenstich für das Element-Werk in Pötting. Derzeit beschäftigt der Produktionsstandort von Domico 40 Mitarbeiter. Mit einem Verarbeitungsvolumen von 20.000 Tonnen Metall beliefert das Unternehmen jährlich Fachfirmen. Nachhaltigkeit ist Domico ein großes Anliegen, daher wurde in Pötting auf den Domico-Dächern eine 100 kWp-Photovoltaikanlage installiert. n AMAG. Die AMAG Austria Metall AG ist das nachhaltigste Aluminiumunternehmen der Welt. Erneut erreichte das Unternehmen die beste Bewertung beim ESG-Rating von Sustainalytic. Besonders beeindruckend: Auch im Vergleich mit 233 Unternehmen der Metallindustrie belegte die AMAG den zweiten Platz. n SEMPERIT. Abgeschlossen ist mittlerweile der Verkauf des Medizingeschäfts an die südostasiatische Harps Global. Künftig möchte man sich auf das Kerngeschäft von industriellen Polymer-Produkten konzentrieren, sagt Semperit-CEO Karl Haider. Damit wird im September eine Zusatzdividende ausgezahlt. n MIBA. Die Miba wurde wie im Vorjahr als einer der „Leading Employers“ Österreichs ausgezeichnet. Die Meta-Studie untersucht die Qualitäten von Arbeitgebern unter anderem durch Feedback von Bewerbern, Mitarbeitern und Fachexperten. Die Miba gehört laut Studie zu dem besten einen Prozent der Arbeitgeber. n FELBERMAYR. Das Bau- und Fuhrunternehmen mit Sitz in Wels beteiligt sich mit 50 Prozent an dem niederländischen Binnenschifffahrtsunternehmen Rijnmond Logistics. Mit einem Umsatz von 250 Millionen Euro zählt es zu einem der führenden Anbieter von Logistiklösungen im Binnenwasserstraßennetz. GEWERBE & DIENSTLEISTUNGEN FOTOS: TRAUNER VERLAG, FACC/BARTSCH, RABMER, VIVATIS FOTOS: KAINDL/ANTJE WOLM, INFOTECH, DOMICO, APA/ARS ELECTRONICA/MAGDALENA SICK-LEITNER

COVERSTORY FOTO: OLEKSANDR SHCHUS / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS 16 | CHEFINFO | 7/2023 7/2023 | CHEFINFO | 17 „TITEL“STORY. Österreich ist wohl globaler Titelverteidiger. In kaum einem Land der Welt gibt es mehr Titel und Grade: Rund 1.500 an der Zahl. Warum ist Österreich so titelaffin? Wieso wird getrickst, gebogen und plagiiert, um Titelträger zu sein? Welche strafrechtlichen Konsequenzen haben falsche Titel und welcher Schaden erwächst der Wirtschaft durch „geschönte“ Lebensläufe? Eine „Titel“Story über Tarnen, Täuschen und Plagiieren. TEXT: Jürgen Philipp und Michael Schwarz Er wischt! DR. MAG. MAN EBEN. Warum in Österreich für einen Titel oftmals getrickst, betrogen und plagiiert wird? COVERSTORY 7/2023 | CHEFINFO | 17

CHEFINFO: Wie wurden Sie zum Plagiatsjäger und wie stehen Sie zu diesem Begriff? Stefan Weber: Der Begriff Plagiatsjäger passt für mich. Ich persönlich verbinde ihn nicht mit etwas Negativem. In der Bevölkerung wurde das anfangs zwar immer mit dem Pornojäger konnotiert, als sei man ein wenig ein Verrückter. Doch der Begriff wurde schon vor fast 40 Jahren verwendet. Im deutschsprachigen Raum brachte der Spiegel 2002 als eines der ersten Medien eine Story – „Eine Professorin auf Plagiatsjagd“. So wurden die Professorin Debora Weber-Wulff und später ich zu Plagiatsjägern. Ich sehe mich aber eher als Plagiatsforscher. Rein gewerberechtlich wurde ich – zwei Jahren nach dem Fall Aschbacher – Detektiv. Wie ich dazu kam? Im Kindergarten hatte ich gesagt, ich werde Feuerwehrmann, aber das Berufsbild des Detektivs hat mich in meiner Jugend schon interessiert. Vielleicht bin ich auch ein wenig Archäologe. Friedrich Kittler war Medienarchäologe und es gibt auch Textarchäologen. Seit 2002 beschäftige ich mich damit aus eigener Betroffenheit, als Studierende an der Universität Klagenfurt plagiierten, was ich 2005 aufgedeckt habe. Im Dezember 2007 erstellte ich mein erstes bezahltes Plagiatsgutachten für wenige Hundert Euro. Zuerst war es ein Nebenjob, bis 2011 dann der Fall Guttenberg kam, seitdem lebe ich davon. Wie stehen Sie zu dem Wust an neuen Studien, Privatunis, Fernstudien und universitären Lehrgängen? Weber: Da habe ich den Überblick verloren. Was mich wurmt, sind diese „nicht ordentlichen Studien“. Das Phänomen des Herrn Babler ist so eine österreichische Spezialität. Er trägt einen Master, ohne einen Bachelor gemacht zu haben bzw. überhaupt ohne Matura. Mit einem viersemestrigen Unilehrgang wird man Master. Man hätte dafür auch Bezeichnungen wie MSc (ULG) für Universitätslehrgang finden können. Das sind alles politische Entscheidungen, weil man die Akademikerquote erhöhen will. Für einen „ordentlichen“ MSc braucht man sechs Jahre, wie man einen MSc in zwei Jahren machen kann, fragt niemand. Das führt dazu, dass mit Titelbezeichnungen geschlampt wird, und öffnet Titelmissbrauch Tür und Tor. Braucht es an heimischen Hochschulen mehr Sensibilisierung in Bezug auf Plagiate? Weber: Im Moment bin ich extrem frustriert, denn ich habe geglaubt, dass man etwas verändern kann. Seit dem Fall Aschbacher wurden Unsinnigkeiten ins Unigesetz geschrieben, die sich widersprechen. Titelmissbrauch wurde in drei verschiedene Gesetze geschrieben, und die widersprechen sich mit dem Strafrecht. Ich habe mich gefreut, dass gute wissenschaftliche Praxis ins Gesetz kommt, doch es kam nur Bullshit. Die Studien dazu wurden frisiert. Hat da wer etwas gegen Plagiatsforschung? Sie sind Gründungsmitglied des Netzwerks „Gute wissenschaftliche Praxis für Österreich“. Was sind die Eckpfeiler dieser Initiative? Weber: Wir wollen damit die Qualität im Wissenschaftsbetrieb steigern. Die illustreste Persönlichkeit in diesem Netzwerk ist, neben Peter Hilpold, Gerald Krieghofer. Er ist der „Jäger des falschen Zitats“. Am Anfang fast jeder wissenschaftlichen Arbeit steht ein blödsinniges Motto oder Zitat. Die Leute googeln ein Zitat zusammen und schreiben darunter „Goethe“ etc. Krieghofer erforscht solche „Kuckuckszitate“ und hat Datenbanken, mit denen er das Zitat verifizieren kann. Viele Zitate haben sich durch das Internet verselbstständigt und werden sehr oft falsch zitiert oder dem falschen Urheber zugerechnet. PLAGIATSJÄGER. Stefan Weber ist der Stachel im Fleisch heimischer Titelsucht. Was den Plagiatsjäger antreibt, was ihn wurmt und warum „gute wissenschaftliche Praxis“ in Österreich keine Priorität hat, verrät er im Interview. „Es kam nur Bullshit“ er israelische Satiriker Ephraim Kishon beschrieb einmal einen Besuch in Wien bei dem er bereits am Flughafen mit „Willkommen, Herr Professor“ empfangen wurde. Kishon protestierte, er sei kein Professor. Doch das ließ man nicht gelten, immer und immer wieder wurde er mit Herr Doktor oder Herr Professor angesprochen. Kishon übernahm den österreichischen Brauch schnell und sprach dann selbst Leute mit „Wie geht’s, Herr Professor?“ an, bis sich einer beleidigt umdrehte. Sein Tischnachbar flüsterte dem Schriftsteller zu: „Er ist ein ordentlicher Universitätsprofessor.“ Als Kishon Wien verließ, verabschiedete ihn ein Mitarbeiter seines Verlages mit: „Auf Wiedersehen, Herr Kishon“. Der war erbost: „Herr Professor Kishon, bitteschön.“ Später sagte Kishon einmal über Österreich, „dort ist selbst der Liftboy ein Professor“. Wem das immer noch nicht als Beweis für die heimische Sucht nach Titeln reicht, dem sei eine weitere Anekdote ans Herz gelegt. Udo Proksch nannte seinen (vermeintlichen) Sohn Drusius Ingomar. Sein Argument: Das ließe sich mit Dr. Ing. abkürzen. Wissenschafts-Detektive Einer, der sich mit Titeln auskennt, wie kaum ein Zweiter ist Stefan Weber (siehe Interview). Der als Plagiatsjäger gefürchtete „Wissenschafts-Detektiv“ sorgte mit den Fällen von Christina Aschbacher, Bogdan Roscic, Johannes Hahn, Annalena Baerbok, Thomas Drozda oder dem Plagiatsvorwurf gegen die FPÖ-Historikerkommission für Aufsehen. Weber ist damit garantiert nicht Everybodys Darling, denn er weiß, wie sehr man in Österreich auf Buchstabenkürzel vor bzw. nach dem Namen erpicht ist. „Es gibt ein Buch ,Titel in Österreich‘, ein Leitfaden für die Praxis, das 2020 von Beamten des Ministeriums herausgebracht wurde. Es beinhaltet 1.500 Titel und Grade. Da sind richtige österreichische Absurditäten dabei. Das kommt definitiv aus der K.-u.-k.-Zeit. Angeblich, so lautet eine Hypothese, wurden Leute nicht bezahlt, sondern mit Titeln geschmückt.“ Tatsächlich hat Kaiser Franz Joseph die Erhöhung von Gehältern für Gymnasiallehrer abgelehnt, ihnen aber angeboten, dass sie sich ab sofort „Professor“ nennen dürften. Eine kaiserliche Budgetsparfinte, die bis heute Bestand hat. Auch Bundespräsidenten tragen den BerufsCOVERSTORY 18 | CHEFINFO | 7/2023 7/2023 | CHEFINFO | 19 FOTO: HELMUT FOHRINGER / APA / PICTUREDESK.COM Ô Trotz festgestellter gravierender Mängel durfte Ex-Arbeitsministerin Christine Aschbacher ihren Magister (FH) und Doktortitel behalten. Sie musste dennoch zurücktreten. FOTO: BERGAUER JOACHIM Für einen ordentlichen MSc braucht man sechs Jahre, wie man einen MSc in zwei Jahren machen kann, fragt niemand. Das führt dazu, dass mit Titelbezeichnungen geschlampt wird. Stefan Weber Plagiatsgutachter Stefan Weber gilt als Plagiatsjäger. Der Kommunikationswissenschaftler ist gewerberechtlich Detektiv und deckte zahlreiche Plagiate von zum Teil sehr prominenten Menschen auf. Die Unis sagen, dass es in 95 von 100 Fällen keine Täuschungsabsicht gäbe … Die Definition von Plagiat im österreichischen Universitätsgesetz enthält keine Täuschungsabsicht. Stefan Weber Plagiatsgutachter

titel Professor. „Den bekommen viele, wie der Komponist Gustav Kuhn, der kürzlich verstorbene Kabarettist Bernhard Ludwig und viele mehr. Das sind österreichische Abnormitäten.“ Dieser Brauch entstammt der ersten Republik. Der Adel war entmachtet und so füllte man das Vakuum der einstigen Grafen, Edlen und Herzöge mit Professoren. Und noch etwas macht Österreichs Titelwahn einzigartig. „Nur hier wird ein Titel, etwa ein Magister, als Teil der Unterschrift gesehen.“ Ebenso kurios wie die „Promotion am Standesamt“. Vom Titelaspirant zum Titelaspirin Stefan Weber wird in einem Land der – oftmals gefakten – Titelsucht also nicht langweilig. Alleine in den letzten Monaten bereiteten ihm und seinen Kollegen zahlreiche Fälle Kopfschmerzen: Etwa Bundespolizeidirektor Michael Takács, dessen Masterarbeit, laut Weber, gravierende Mängel aufweist. Dem LASKPräsidenten Sigmund Gruber wurde nach einem Gutachten Webers der Doktortitel entzogen. Der Vorstand der Zillertalbahn Helmut Schreiner führte unrechtmäßig einen Doktortitel. Schreiner reichte 2023 eine neue Dissertation an der Uni Riga ein, die sich als Komplett-Übersetzungsplagiat einer 2020 an der TH Aachen genehmigten Doktorarbeit herausstellte. Schreiner musste daraufhin seinen Schreibtisch räumen. Zuletzt kam die Tiroler ORF-Landesdirektorin Esther Mitterstieler unter Druck. Sie wurde als Dr. betitelt, hat aber keine Dissertation eingereicht. Ihr Doktorhut brennt, denn er wird inoffiziell als „Brennerdoktor“ bezeichnet. Südtiroler Akademiker führen bei einem Bachelor- oder Masterabschluss (bzw. Diplom- oder Magistergrad) ohne Promotion einen Doktortitel. Stefan Weber agiert dabei nicht intrinsisch, sondern wird beauftragt. „Rund die Hälfte sind Anwaltskanzleien oder Wirtschaftstreuhänder, wenn die Auftraggeber anonym bleiben wollen. Das ist mir das liebste, weil es die objektivste Abwicklung ist.“ In den seltensten Fällen erfährt Weber das Motiv der Beauftragung. „Es gibt auch Leute, die plagiiert haben, denen man draufgekommen ist, und sie wenden sich an mich für ein Gegengutachten. Doch für kein Geld der Welt bekommen sie einen Freibrief für ein Plagiat von mir.“ Annahmen sind wie Seepocken Die Quote der Titelaberkennungen ist in Österreich aber erstaunlich gering. Selbst wenn nachgewiesen wird, dass die Arbeit Plagiate enthält – sei es, so Weber, „aus Täuschungsabsicht oder schlichtweg Inkompetenz“ –, passiert fast nichts. Doch was ist ein Plagiat eigentlich? „Ein Plagiat würde streng genommen heißen, dass es ein Vollplagiat ist. Wir reden aber immer von Plagiatsfragmenten oder -teilen. Die entscheidende Frage ist aber, ist es werkprägend?“ Während in Deutschland von „erheblichen Teilen“ gesprochen wird, heißt es in Österreich, dass „wesentliche Teile“ plagiiert sein müssen. Erst dann gilt der Plagiatsvorwurf. „In Österreich hat mich, bis auf einen einzigen Fall, keiner je geklagt. Ich kann den Beweis immer erbringen.“ Möglich macht das neben einer gewissen „Spürnase“ der Einsatz von Software. „Bei Aschbacher usw. steht eine Täuschungsabsicht dahinter, doch 20 | CHEFINFO | 7/2023 COVERSTORY CHEFINFO: Sie schreiben auf Ihrer Homepage, dass drei von vier Bewerbungsschreiben Ungenauigkeiten enthalten. Gibt es so etwas wie ein toleriertes Maß an Ungenauigkeiten? Bernhard Maier: Sicherlich. Wir leben in einer Welt der zunehmenden Selbstdarstellung. Wir sind mit „Fake News“ konfrontiert und glauben, dass die Werbung, die ja im Wort „Bewerbung“ steckt, ab und zu auch lügt. Ob es stimmt, dass ich Japanisch perfekt spreche, spielt keine Rolle, wenn es im Job nicht verlangt wird. Es gilt also zu klären, in welchen Bereichen falsche oder beschönigte Informationen besonders schädlich sein können, weil sie zu falschen Entscheidungen in der Besetzung oder Beförderung führen. Im Schnitt stimmen rund 15 Prozent aller Bewerber einer Validierung nicht zu – diese Zustimmung ist rechtliche Voraussetzung. Das ist schon ein erster großer Schritt für Unternehmen. Sie investieren ihre Ressourcen ab diesem Moment schon deutlich effizienter. Welche Konsequenzen kann es nach sich ziehen, bei der Bewerbung zu lügen? Maier: Viele Unternehmen sind sich des wahren Schadens nicht bewusst. Die Erfahrung zeigt seit vielen Jahren, dass sich rund 30 Prozent der Bewerber mit geschönten Angaben an der einen oder anderen Stelle übervorteilen. Das Problem ist weniger der „große Betrugsfall“ als die Vielzahl der kleinen Schönfärbereien, die sich in Ihrem Unternehmen ansammeln. Es beginnt damit, dass Sie ehrlichen und in Wahrheit geeigneteren Kandidaten vielleicht eine Absage erteilen und diese zum Mitbewerb abwandern. Wie viel Leistung wird jemand erbringen, der mehr verspricht, als er oder sie bisher gehalten hat? Was kostet es, erneut zu besetzen? Welche Auswirkungen hat es auf die Motivation, die Attraktivität als Arbeitgeber und die Firmenkultur, wenn herauskommt, dass Positionen erschlichen wurden? Welche Auswirkungen hat es auf Stakeholder und den Markt, wenn ein Aushängeschild des Unternehmens offensichtlich plagiiert hat? Sie sehen: Hier lauern Risiken, die auf Bewerberseite vielfach als Kavaliersdelikt verstanden werden, Unternehmen aber enorm schaden können. Die Kosten eines Checks stehen dabei in keinem Verhältnis zu den ohnehin schon hohen Kosten einer Einstellung und Ausbildung. Die Zahl der geschönten Bewerbungen nimmt laut Ihnen zu. Wo sehen Sie hier die Gründe? Maier: Einerseits, weil der Druck zur Inszenierung stark gestiegen ist – davon sind Bewerber genauso betroffen wie Unternehmen. Zum anderen, weil es noch nie so einfach war, sich selbst in einem besseren Licht darzustellen; ChatGPT hilft ebenso wie Photoshop oder einer der vielen Ratgeber, wie ich mich in der Bewerbung besser darstelle, als ich eigentlich bin. Es wird also weitgehend salonfähig. Zu guter Letzt tragen leider auch Unternehmen selbst dazu bei: Grobe Vergehen enden nicht selten mit dem Angebot, am kommenden Montag die Kündigung selbst einzureichen, um die Optik zu wahren. Klar, dass es ab Dienstag dann einen neuen Kandidaten am Bewerbungsmarkt gibt, der vermutlich nur Positives zu berichten hat. BEWERBERCHECK. Nicht nur bei Titeln, auch bei Bewerbungsunterlagen wird geschönt, die Wahrheit gebogen und plagiiert. Bernhard Maiers Unternehmen Primavista nimmt diese genauestens unter die Lupe. „Fake-Bewerbungen werden salonfähig“ 7/2023 | CHEFINFO | 21 FOTO: PRIMAVISTA Die Erfahrung zeigt seit vielen Jahren, dass sich rund 30 Prozent der Bewerber mit geschönten Angaben an der einen oder anderen Stelle übervorteilen. Bernhard Maier Geschäftsführer Primavista Bernhard Maier checkt Lebensläufe und Bewerbungen. Vielen Unternehmen ist nicht bewusst, welchen Schaden es anrichten kann, auf eine „FakeBewerbung“ hereinzufallen. COVERSTORY 73.000 akademische Abschlüsse werden in Österreich jährlich gefeiert. In Erinnerung geblieben ist mir ein Zeugnis, das im Jahr 2002 ausgestellt war. Die Schriftart, die es verwendet hat, wurde aber erst im Jahr 2004 erfunden. Bernhard Maier Geschäftsführer Primavista Ist man in Deutschland strenger? Der deutsche ExVerteidigungsminister KarlTheodor zu Guttenberg verlor Titel und Ministeramt. Mittlerweile ist er wieder Dr., er schrieb eine neue Dissertation. FOTO: HANS CHRISTIAN PLAMBECK / LAIF / PICTUREDESK.COM Ô

wenn die Uni sagt, es gab keine solche, dann wird der Titel nicht aberkannt.“ Weber geht mit den akademischen Betrieben hart ins Gericht: „Die Unis sagen, dass es in 95 von 100 Fällen keine Täuschungsabsicht gäbe.“ Für Weber liefert das Universitätsgesetz eine Art Freibrief: „Weil das Universitätsgesetz in Paragraf 51 in den Begriffsbestimmungen definiert, dass das Plagiat nämlich nicht mit der Täuschungsabsicht zusammenhängt. Die Täuschungsabsicht kommt erst in Paragraf 89 hinein, wenn es um den Entzug des Titels geht.“ Conclusio: „Die Definition von Plagiat im österreichischen Universitätsgesetz enthält keine Täuschungsabsicht.“ Abgesehen davon kritisiert Weber, dass „Privatunis selten Arbeiten hinterlegen, es also keine Vollständigkeit der Dokumentation gibt“. Wirtschaftlicher Schaden Plagiierte Arbeiten mit teils haarsträubenden und offensichtlichen Fehlern, ja selbst das Tragen von nicht zustehenden Titeln scheinen Kavaliersdelikte zu sein. Und tatsächlich gilt Titelmissbrauch hierzulande in den meisten Fällen als Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe von maximal 15.000 Euro geahndet wird. Ausnahme: Es werden Geschäfte mit einem falschen oder zu Unrecht erworbenen Titel abgewickelt, damit erfüllt sich der Tatbestand des Betrugs. Dass das ein Problem für die Wirtschaft ist, zeigt die Arbeit von Bernhard Maier. Maier ist Geschäftsführer von Primavista, ein Unternehmen, das im letzten Jahr gegründet wurde und das sich dem Screening von Bewerbungen widmet. „Zur Gründung hatten wir bereits 20 Jahre Erfahrung im Bewerbungs-Check. Über die Jahre hat die Nachfrage danach stark zugenommen, vor allem, weil es im digitalen Zeitalter immer leichter für Bewerber wird, Unternehmen zu täuschen.“ Hauptsächlich werden Lebensläufe „getuned“. „Es passiert sehr selten, dass jemand eine Ausbildung, die er nicht absolviert hat, erfindet, und mit einem gefälschten Zeugnis zu belegen versucht.“ Möglich ist das jedoch. Ein bisschen Risikobereitschaft, ein wenig kriminelle Energie, ein gratis Grafikprogramm und ein passendes YouTube-Video, das den Betrug erklärt, reichen, um aus einem mittelmäßigen CV einen grandiosen zu faken. Das passiert wie erwähnt jedoch selten. „In Erinnerung geblieben ist mir ein Zeugnis, das im Jahr 2002 ausgestellt war. Die Schriftart, die es verwendet hat, wurde aber erst im Jahr 2004 erfunden.“ CVs: Darf’s ein bisserl mehr sein? Immer mehr Unternehmen sind bereit, in einen solchen Check zu investieren. Kommt später ein zu Unrecht erworbener akademischer Titel ans Tageslicht, kann das schwere Imageschäden mit sich bringen – die Zillertalbahn lässt grüßen. „Unternehmen wissen sehr genau, was sie in puncto fachlicher Qualifikation erwarten. Was sie meist nicht ausreichend wissen, ist, ob sie auf der Grundlage von wahren oder falschen Informationen entscheiden – dazu fehlen schlichtweg Zeit, Knowhow und Zugänge.“ Primavista konzentriert sich auf die „allerwichtigsten, quasi ,spielentscheidenden‘“ Faktoren. Wie hoch die Quote an „geschönten“ Lebensläufen ist, zeigt Maiers Praxis. Wird ein Lebenslauf gescreent, braucht es die Zustimmung der Kandidaten. Bei 100 CVs, verweigern 15 diese. Von den 85 verbleibenden findet Primavista immerhin bei 25 Prozent, also rund 21, Ungereimtheiten. „Am häufigsten werden Lücken im Lebenslauf nicht nur gefüllt, sondern im Sinne der erforderlichen Qualifikationen schöngefärbt.“ Referenzen sind zwar grundsätzlich verlässlich, können aber vorab instruiert werden, um „positiv(er) zu berichten. Man kennt sich ja immerhin schon sehr lange. Häufig finden wir ehemalige Startups als Arbeitgeber, die nach so langer Zeit übernommen oder nicht mehr am Markt sind. Google 22 | CHEFINFO | 7/2023 COVERSTORY CHEFINFO. Wie kommen Sie zu Ihren Aufträgen und wer sind Ihre Kunden? Holger F.: Ich biete meine Dienstleistungen als Ghost in Freelancerplattformen wie Fiverr an. Pro Jahr bekomme ich in etwa 30 bis 40 ernsthafte Anfragen, bis zu sieben Aufträge jährlich kann ich übernehmen. Die Kunden sind zum einen bereits fertige Akademiker, die mindestens einen Bachelor abgeschlossen haben. Es mehren sich aber sogar Anfragen für schulische Arbeiten. Meistens geht es aber um Master- oder Diplomarbeiten. Dissertationen werden kaum angefragt. Ich kenne aber Kollegen, die auch Doktorarbeiten schreiben. Wie viel kostet etwa eine Masterthesis bei Ihnen? F.: Das kommt auf die Vorarbeit an. Manchmal bekomme ich fast fertige Arbeiten, die ich nur stilistisch überarbeiten soll bzw. die Zitierregeln überprüfen. Ich bin da fast so etwas wie ein Lektor. Es gibt aber auch Fälle, in denen ich nur das Thema und bestenfalls eine Literaturliste bekomme. Dabei ist wichtig, dass das Thema zu mir passen muss. Ich bin studierter Sozialwissenschaftler, eine Arbeit in Jura, Naturwissenschaft oder technische Arbeiten würde ich nicht annehmen. Im Schnitt muss man für eine Masterthesis mit 80 bis 120 Seiten in etwa mit 7.000 bis 11.000 Euro – je nach Thema und Umfang der Recherchen – rechnen. Entscheidend ist auch, ob die Arbeit qualitativer oder quantitativer Natur ist. Wissen Sie, warum Ihre Auftraggeber ihre Arbeiten nicht selbst schreiben? F.: Ich telefoniere und schreibe mit meinen Auftraggebern am Anfang relativ intensiv. Zum einen muss ich wissen, wie sie ticken, zum anderen, was sie von mir erwarten. Ich benötige Textproben und authentisches Material, um deren Duktus zu treffen. Meistens höre ich die Gründe, warum meine Klienten die Arbeiten nicht selber schreiben, fast wie aus einem schlechten Gewissen heraus. Es gibt zwei Hauptmotive. Das erste ist, dass sich meine Kunden sehr schwertun, komplexere Texte zu verfassen, viele sprechen von einer Schreibblockade. Das kommt scheinbar häufig vor. Der zweite Grund ist schlichtweg fehlende Zeit. Die intensive Beschäftigung mit einer Materie in Form einer Abschlussarbeit ist gerade für bereits berufstätige Kunden kaum leistbar. Warum bleiben Sie anonym? Sie bieten ja eine professionelle Dienstleistung an, die nicht unter Strafe steht. F.: Sie können sich vorstellen, dass keiner meiner Kunden eine Rechnung benötigt, die er dann fein säuberlich in der Buchhaltung abheftet. Ich denke, das beantwortet die Frage. Gibt es Unterschiede zwischen Arbeiten in Deutschland, Österreich und der Schweiz? F.: Ja, es gibt sogar Unterschiede zwischen den einzelnen Universitäten, etwa die Art der Zitierregeln. Pauschal kann man sagen, dass deutsche Arbeiten ein wenig detailverliebter sind als jene in Österreich. Österreicher legen hingegen mehr Wert auf die Lesbarkeit, den Stil. Die Schweizer liegen da in der Mitte, hier gilt es, die Schweizer Rechtschreibung zu beherrschen, die sich in einigen Details unterscheidet. Haben Sie Angst, dass Sie eines Tages enttarnt werden oder durch KI ersetzt werden könnten? F.: Ich persönlich nicht, weil ich mich in wenigen Wochen aus dem Geschäft zurückziehen werde. KI wird sicher ein Faktor, ich denke aber, je mehr KI verwendet wird, desto mehr werden „handgeschriebene“ Texte authentischer und damit „bevorzugter“. Ein guter Ghost ist schwer zu enttarnen, denn der besitzt die Fähigkeit, den Stil und die persönliche Note seines Auftraggebers wiederzugeben. Gerade deshalb ist die persönliche Abstimmung am Anfang entscheidend. GHOSTWRITER. Der Deutsche Holger F. (Name redaktionell geändert) schreibt bis zu sieben Master- und Diplomarbeiten pro Jahr als Ghostwriter. Wie das abläuft, erzählt er im Interview. „Ein guter Ghost ist schwer zu enttarnen“ 7/2023 | CHEFINFO | 23 FOTO: PAOLO CORDONI / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS Im Schnitt muss man für eine Masterthesis mit 80 bis 120 Seiten in etwa mit 7.000 bis 11.000 Euro – je nach Thema und Umfang der Recherchen – rechnen. Holger F. Ghostwriter Methode. Wir haben 19 Ghost- writer auf vier verschiedenen Freelancerplattformen angeschrieben und von neun eine Antwort erhalten. Als wir unsere Absichten enthüllten, zogen sich alle bis auf einen zurück. Der eine, Holger F., arbeitet seinen letzten Auftrag ab, dann zieht er sich als Ghost zurück. Deshalb war er bereit – anonymisiert – Auskunft zu geben. Annalena Baerbock hat zwar nicht akademisch geschummelt. In ihrem Buch „Jetzt“ fand Stefan Weber aber Stellen, die ohne Quellenverweis dem Internet entnommen wurden. 3 von 4 Lebensläufe enthalten Unstimmigkeiten. Ô FOTO: CHRISTOPH SOEDER / DPA / PICTUREDESK.COM

COVERSTORY „Ich kopiere etwas aus dem Web, schaue mir an, welche Website Turnitin nicht findet, lasse es ins Französische und dann ins Englische übersetzen, bis es nicht mehr Original ist.“ Mehr Details will Weber nicht verraten, nur so viel, selbst diesen Finten geht er nicht auf den Leim: „Ich habe vor Kurzem eine Arbeit untersucht: Der Autor hat genau das gemacht. Doch die Arbeit hat ausnahmslos englischsprachige Texte zitiert, so bin ich draufgekommen. Bei einem Fremdsprachen- oder Paraphrasierungsplagiat muss man auf die Fußnoten schauen.“ Auch Ghostwriter sind ein adäquates Mittel, um akademische Abschlussarbeiten zu „verkürzen“. „Es gibt Plattformen und kommerzielle Angebote dafür, wie Dr. Franke. Einige Ghostwriter checken aber nicht, dass sie Metadaten mitliefern, das passiert selten, aber doch.“ Auch gegen „Ghosts“ haben PlagiatsChecker ihre „Hausmittel“. „Es gibt eine Indizienkette, eine Liste mit über 20 Indikatoren, wie man Ghostwriter aufdecken kann.“ Wie viele der rund 73.000 akademischen Abschlüsse pro Jahr ins Visier der Plagiatsjäger geraten, ist unklar. Was jedenfalls zu hoffen bleibt, ist, dass die saubere wissenschaftliche Praxis, die an den meisten Hochschulen und Unis vorherrscht, bestehen bleibt, damit Titelträger auch Titelträger bleiben. n 7/2023 | CHEFINFO | 25 COVERSTORY Bundeskanzler Nehammer und Andreas Babler scheint wenig zu vereinen. Und doch gibt es eine Gemeinsamkeit. Sie haben beide den viersemestrigen Universitätslehrgang Politische Kommunikation an der Donau-Universität Krems abgeschlossen und dürfen sich MSc nennen. Dieser Lehrgang gilt als außerordentliches Studium, denn Nehammer hat keinen Bachelor-Abschluss, Babler weder Matura noch Bachelor. In vier Semestern zum Master? Dass dies möglich ist, wurde am 1. Oktober 2021 gesetzlich geregelt. Die beiden Politiker bekamen die Zulassung über ihre einschlägige berufliche Qualifikation sowie aufgrund ihrer mehrjährigen einschlägigen Berufserfahrung. Mittlerweile ist das nur noch in wenigen, gesetzlich festgelegten, Ausnahmefällen möglich. Der Zulassung von Studierenden in Masterlehrgänge nach Rechtslage vor dem 1. Oktober 2021 wird ab Ende September 2023 ein Riegel vorgeschoben. Kritikern ging dieser „Express-Master“ schon lange gegen den Strich, da der tatsächliche Workload bei einem ordentlichen Masterstudium, weit geringer ist. Fernstudien. Auch Fernstudien geraten ins Visier. Für einen „Master of Laws“ via Fernstudium müssen – so wird geworben – nur der Freitag und Samstag geopfert werden. Das wären 16 Stunden pro Monat, pro Semester 64 Stunden. Das Studium, so die Werbung, sei gut neben dem Vollzeitberuf schaffbar. Zum Vergleich: Würde man bei einem gewöhnlichen Studium an der Uni Wien ein Masterstudium mit 90 ECTS in vier Semestern machen (normalerweise 120 ECTS), würde man wohl zwischen 99 und 165 Stunden im Unterricht verbringen. Qualitätssicherung. Und wer kontrolliert das alles? In Privatunis und privaten Fachhochschulen erfolgt das in der Regel intern. Zusätzlich gibt es die unabhängige Akkreditierungsbehörde AQ Austria, die bei der Sigmund-Freud-Privatuni Wien zahlreiche Mängel im Medizinstudium festgestellt hat. Im November 2022 hat die AQ dem Studium die Zulassung entzogen. Bei öffentlichen Universitäten und FHs gibt es kein Akkreditierungsverfahren, die Hochschule sichert die Qualität intern. Mindestens alle sieben Jahre gibt es aber ein Audit durch externe Gutachter. Ein Doktor um 39 Euro. Wer sich all die Mühen sparen will, der kann mit einer „Donation“ ab 39 Euro einen Dr. h. c. erwerben. Diese Ehre verleihen einem US-amerikanische Freikirchen. Sich diesen Titel in den Pass eintragen zu lassen geht natürlich nicht. Was geht, ist, ihn zu führen, allerdings muss neben dem Dr. h. c. auch der Fachbereich, der oft kuriose Ausgestaltungen annimmt – wie Dr. h. c. of Immortality – angegeben werden sowie das Herkunftsland. Missbräuchliche Verwendung – wenn also vorgegaukelt wird, ein „echter“ Dr. zu sein – kann strafrechtliche Konsequenzen haben. „Echte“ Dr. h. c.s werden ausschließlich von anerkannten Unis verliehen. FH-HagenbergGründer Bruno Buchberger etwa ist Dr. h. c. mult. Er bekam Ehrendoktorwürden von fünf Universitäten. Allerdings ist er ohnehin schon „ordentlicher Universitätsprofessor“ und „echter“ Doktor. EXPRESS-MASTER UND SCHNÄPPCHEN-DOKTOR Karl Nehammer und Andreas Babler verbindet wenig. Eine Gemeinsamkeit ist ihr MSc im Rahmen eines Universitätslehrgangs an der Donau-Uni Krems, den sie in nur vier Semestern abgeschlossen haben. MASTER BOLOGNESE 1999 startete der Bologna-Prozess. Ziel der 29 Gründungsländer (mittlerweile 47 – Russland und Belarus wurden ausgeschlossen) ist es, die Qualität der akademischen Ausbildung zu steigern und die Vergleichbarkeit zu garantieren. Auf den Bachelor folgt der Master und dann der Doktor. Für gelernte Österreicher ein Affront, denn die Titel stehen nach dem Namen. Im Zentrum stehen das „European Credit Transfer and Accumulation System“, kurz „ECTS“. ECTS sind Leistungspunkte, die länderübergreifend analog sein sollten. Ein ECTS-Punkt entspricht 25 Stunden Arbeit, ein Vollzeitsemester umfasst 30 ECTS. So weit, so vernünftig. Nur entscheidet die Hochschule selbst, wie viele ECTS eine Lehrveranstaltung bringt. Ob das eine objektive Vergleichbarkeit garantiert? 24 | CHEFINFO | 7/2023 FOTO: JEFF MANGIONE / KURIER / PICTUREDESK.COM, MICHAEL BURRELL / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS FOTO: GEORGES SCHNEIDER / PICTUREDESK.COM bietet dazu also wenig bis nichts – es braucht tiefere Einblicke für eine seriöse Validierung.“ Fällt ein Unternehmen auf einen falschen Titel rein, kann es auch Schadenersatz fordern, sofern die Täuschung den Arbeitgeber geschädigt hat, etwa wenn ein höheres Gehalt aufgrund des (aberkannten) Titels bezahlt wurde. Allerdings ist eine Rückabwicklung des Vertrags nötig, und das ist aufwendig. Akademisches Schlaraffenland? Doch wie Stefan Weber aus seiner Praxis berichtet, wird eine Aberkennung immer seltener, selbst wenn die Indizien erdrückend sind. „Zwischen 2007 und 2011 gab es viele Aberkennungen. In letzter Zeit, das hat mit wechselnden Personen zu tun, werden kaum noch Grade aberkannt. Die Unis wollen keinen Konflikt. Sie sind Schlaraffenländer, unfassbar schwertun privilegierte Orte, in denen um die Pfründe gekämpft wird, deshalb wollen sie keine weiteren Konflikte“, so Weber, sichtlich frustriert. „Volker Rieble (Anm.: deutscher Jurist und Plagiatsexperte) meinte in einem Interview, das sei systemimmanent, die Arbeiten sollen erst gar nicht gelesen werden. Es liest sie kein Mensch. Man glaubt daher, wenn eine Arbeit 3.000 Fußnoten hat, sei sie wissenschaftlich.“ Mit Software gegen „Hardware“ Weber, Rieble, Maier und viele andere Plagiatsjäger und CV-Checker kommen mit spezieller Software potenziellen Plagiierern auf die Schliche. „Diese Software ist kein Zauberzeug. Turnitin ist seit 2001 verfügbar. Auf den Unis hat man mit Turnitin erst 2018 turnusmäßig auf Plagiate gecheckt“, so Weber. Die Software ist eine Art „Einstieg“, um sich ein Bild über die Arbeit zu machen. „Das ist wie das jährliche Pickerl beim Auto. Es ist eine Art Qualitätssicherung. Ich bin Kunde der Software und sehe, dass sie von Jahr zu Jahr besser wird.“ Turnitin und andere Produkte erkennen Anomalien und können Alarm schlagen. Das Feintuning ist aber nach wie vor „handgemacht“. „Die Software erkennt nicht, ob etwas korrekt oder fahrlässig ist oder ob Täuschungsabsicht dahintersteht.“ Software vs. Software Doch Software kann Software austricksen, wie es aktuell KI-Programme versuchen. „Dasselbe Problem haben wir mit ChatGPT. Ich habe vor Wochen schon gesagt: Wo bleiben in Österreich die Richtlinien für mit KI erstellte Texte?“ Weber sieht dabei nicht die Studierenden in der Pflicht, sondern „einen Herrn Polaschek, Rektoren und Vizerektoren.“ Doch nicht alle: „Die Uni Klagenfurt ist mittlerweile viel strenger, und es gibt Unis, die dahinter sind, aber die falsche Software haben.“ Wie in vielen Bereichen der Wissenschaft und der Wirtschaft ist auch der Kampf um Plagiate ein Kampf um den Vorsprung bei den „digitalen Waffen“. KI, Übersetzungs- und Paraphrasierungssoftware machen den Plagiatsjägern das Leben schwer.

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