Startup Chefinfo Magazin 03-22

44 | CHEFINFO SPEZIAL STARTUP FOTOS: MARCELLA RUIZ CRUZ Laura Egg, Geschäftsführerin der Austrian Angel Investor Association (aaia), über typische Business Angels, warum heute Investoren bei Startups pitchen müssen und politische Versäumnisse. W ie stellt man sich einen typischen Business Angel vor? Laura Egg: Sie sind sehr unterschied- lich. Früher waren es eher erfahrene Unternehmer, so um die 40, 50, meist männlich und wohlhabend. Das ist auch wichtig, weil man nicht nur Kapital benö- tigt, sondern Know-how und Netzwerk. Mittlerweile hat sich das sehr geändert. Es gibt immer mehr Gründer, die selbst Exits hatten. Diese Founder-Investoren investieren auch anders. Deshalb haben sich zwei Investorengruppen gebildet. Allerdings sind Investoren nach wie vor zu 95 Prozent männlich. In den letzten Jahren gab es Initiativen, ummehr Frauen als Investorinnen zu begeistern. Von der Gründerseite sehen wir, dass sich da eini- ges ändert. Es gibt mehr Startup-Gründe- rinnen und gemischte Gründerteams, die sind sogar erfolgreicher. Vielleicht sind Frauen aber auch etwas risikoscheuer. Es gibt den berühmten Begriff „Family, Friends and Fools“. Was raten Sie künftigen Business Angels, um nicht zum „Fool“ zu werden? Egg: Man muss die Bereitschaft haben, sich aktiv einzubringen und mitzuarbei- ten. Startup-Investing ist sehr kollabora- tiv. Das Netzwerk ist das A und O. Man muss sich also Zeit nehmen, auch für diverse Vernetzungsformate bzw. Aus- und Fortbildungen. Der Reiz im Startup- Investment liegt darin, dass es eines der ganz wenigen Investments ist, die man aktiv beeinflussen kann. Wie findet man nun das für einen passende Startup? Manchmal hat man das Gefühl, als würden sich Investoren um die Unternehmen regelrecht matchen. Egg: Das ist nicht so falsch. Es ist sehr viel Kapital am Markt. Ein Investment in ein Startup ist attraktiver geworden, nicht zuletzt durch die jüngsten öster- reichischen Unicorns. Das hat bewirkt, dass sich auch die Geldgeberseite einem Pitch stellen muss. Die Gründer sind die Treiber. Sie können selektiver vor- gehen. Der Pitch hat sich also teilweise gedreht. Die meisten Investoren haben aber eine Investmentstrategie. Sie inves- tieren dort, wo sie sich auskennen. Und es gibt Co-Investments, es investiert also keiner allein, sondern in der Gruppe. In erster Linie investieren sie ins Team. Das Produkt kann sich noch fünfmal ändern. Oft wird die Politik kritisiert, dass es in Österreich zu wenig Risikokapital gäbe, weil die Rahmenbedingungen nicht passen. Was wäre IhrWunsch an die Politik? Egg: Das ist ein Thema, das uns inten- siv beschäftigt. Wenn die Firmen kein Risikokapital aus Österreich bekom- men, gehen sie ins Ausland. Wir haben daher konkrete Anliegen wie die Schaf- fung von neuen Rechtsformen oder Mitarbeiterbeteiligung, die ist essen- ziell. Dazu braucht es eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Card, um Zugang zu Talenten außerhalb des EU-Raums zu bekommen. Fehlt dieser Zugang, limi- tiert das unser Potenzial. Dazu bräuch- te es steuerliche Erleichterungen für VC. Zudem sollte das Zusammenspiel von privatem und staatlichem Kapital nicht in Form von Förderungen, son- dern von echtem Equity Investment verbessert werden. Förderungen sind in der Frühphase wichtig, das ist ein super Mittel gegen Marktversagen. Es ist also relativ einfach, bis zu einer Mil- lion Euro Förderungen zu lukrieren. Alles darüber, also Wachstumskapital, ist sehr schwer zu bekommen. Dabei haben wir sehr viel privates Kapital in Stiftungen geparkt, das wir, wenn es steuerlich begünstigt werden würde, leicht aktivieren könnten. Unser aktu- elles Ökosystem kommt aus der Com- munity selbst. Seit Jahren stellen wir dieselben Forderungen, doch Startups werden noch immer als Nische von der Politik gesehen. n „DER PITCH HAT SICH GEDREHT“ Die Geschäftsführerin des aaia, Laura Egg, sieht in Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern noch einige politische Versäumnisse. V or 15 Jahren galten Startups wohl noch als etwas Exotisches. Was hat sich in den letzten Jahren verändert? Gerold Weiß: Wir haben es mit einer Szene zu tun, die um zehn Jahre vor- aus ist. Wenn man weiß, wo wir in zehn Jahren stehen werden, kann man sich natürlich besser auf die Problemfelder in der Wirtschaft einstellen, egal in wel- cher Branche. Die Arbeitsweise ver- ändert sich, das wussten junge Unter- nehmen schon, deshalb ist es für viele hochqualifizierte junge Leute attraktiver, auch für wenig Geld in einem Startup zu arbeiten als in einem großen Konzern. Sie beziehen ihre Mitarbeiter ein. Frü- her hieß es: „Das ist ja nur ein Startup.“ Sie wurden lange nicht ernst genommen. Spätestens jetzt schlägt dieser Paradig- menwechsel voll durch. Ein Paradigmen- wechsel bei dem man alles neu denken muss, auch das Leadership. Führungs- kräfte in Startups lassen ihre Mitarbei- ter eigenverantwortlich arbeiten, und das wollen junge Menschen. Sie wollen Sinn in ihrer Arbeit sehen, wollen mitgestalten und sich für das Unternehmen, aber auch für sich selbst engagieren. Das muss man bieten können, und das können Startups. Was können etablierte Unterneh- men von Startups lernen bzw. wie können sie von Startups profitieren? Weiß: Große Unternehmen begreifen die Chancen, die ihnen Startups bieten, immer mehr, eben weil sie zehn Jahre voraus sind und Innovation vorantrei- ben. Das betrifft nicht nur die Digitalisie- rung. Deshalb sind Initiativen wie Pier4 so populär, wo große Unternehmen und Startups zusammenkommen. Startups haben meist enge Personalressourcen, deshalb müssen sie das volle Potenzial ihrer Mitarbeiter erkennen. Das checken große Firmen erst langsam. Potenzial zu erkennen bedeutet auch, dass die Mit- arbeiter vielleicht ganz woanders einge- setzt werden, als für die Funktion, in der sie vorgesehen wurden, weil sie sehen, dass sie dort noch mehr Talent haben. Es geht in Richtung Intrapreneurship, also unternehmerisch denkende Mitar- beiter. Startups kompensieren geringe Bezahlungen daher auch mit Unterneh- mensanteilen. Zeigt sich in diesem Spannungs- feld nicht auch der aktuelle Gene- rationencrash? Weiß: Der Stil der verschiedenen Gene- rationen lag noch nie so weit ausein- ander wie jetzt. Startups haben eine andere Einstellung, ein breites digita- les Verständnis. Man sieht das allein am Kleidungsstil. Statt Anzug und Krawatte dominieren Sneaker, Hoodie und Jeans. Das ist ein Kulturwandel, man ist per Du und man bekommt Respekt auch ohne teure Klamotten. Was gibt es aktuell Neues aus dem Startup Center der FH OÖ zu berichten? Weiß: Es sind aus unserem Startup Cen- ter 156 Unternehmen entstanden mit über 1.600 Jobs. Demnächst starten wir einen YouTube-Kanal mit kurzen Inter- views der erfolgreichsten Startups der letzten 15 Jahre. Zudem wurde das Pro- gramm „Wanna be a founder“ zu einem eigenen Stipendienweiterbildungslehr- gang. Jedes Unternehmen, das Gründer unterstützen möchte, kann ein solches finanzieren. Es ist das erste Stipendien­ programm dieser Art in Österreich. Wir arbeiten hier mit der gesamten oö. Unterstützungsinfrastruktur zusammen. ANZEIGE FOTOS: FH OÖ „ UM ZEHN JAHRE VORAUS“ FH OÖ. Seit 15 Jahren werden am Startup Center der FH Oberösterreich aus Ideen Unternehmen. Genau gesagt 156, die über 1.600 Jobs geschaf- fen haben. Zentrumsleiter Gerold Weiß erzählt, worauf es ankommt. DER STIL DER VERSCHIEDENEN GENERATIONEN LAG NOCH NIE SO WEIT AUSEINANDER WIE JETZT. STARTUPS HA- BEN EINE ANDERE EIN- STELLUNG, EIN BREI - TES DIGITALES VER- STÄNDNIS. DAS IST EIN KULTURWANDEL. Gerold Weiß Leiter Startupcenter FH OÖ CHEFINFO SPEZIAL | 45

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