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10/2022 | CHEFINFO | 33 32 | CHEFINFO | 10/2022 WIRTSCHAFT FOTOS: ERNST KAINERSTORFER INTERVIEW. Die interimistische Leiterin der Bundeswettbewerbs- behörde (BWB) über Zerschlagungsfantasien, neue Herausforderungen nach dem Energiepreisschock und Fair Play in der Wirtschaft. INTERVIEW: Klaus Schobesberger CHEFINFO: Um ein Bild aus dem Fußball aufzugreifen: Sehen Sie sich bei der BWB in einer Art Schiedsrichterrolle, die für Fair Play in der Wirtschaft sorgt? Natalie Harsdorf-Borsch: Ich bin zwar nicht wirklich Expertin für diese Sportart. Aber Regeln als Rahmen festzusetzen und innerhalb dieser Regeln so viel Wettbewerb und so viel Spiel wie möglich zuzulassen – in diesem Sinne kann man das gut vergleichen. Eine Behörde, die für Wettbewerb sorgt, klingt nach einemWiderspruch. Harsdorf-Borsch: Gar nicht. Es ist kein Zufall, dass die USA, die als Mutterland von Wettbewerb und Marktwirtschaft gelten, Vorreiter im Wettbewerbsrecht sind, wenngleich Europa etwa im digitalen Wettbewerbsrecht mit dem „Digital Markets Act“ sowie dem „Digital Services Act“ die Nase inzwischen vorne hat. Viele moderne Instrumente wie das Kronzeugenprogramm, über das Firmen in einem Kartellverfahren die Möglichkeit haben, mit der BWB zusammenzuarbeiten, stammen aus den USA. Trotzdem sehen manche ein Grundmisstrauen der Kartellbehörden gegenüber der Marktwirtschaft. Ist da etwas dran? Harsdorf-Borsch: Es ist genau umgekehrt. In Staaten, die eine ausgeprägte Marktwirtschaft haben, sind die Kartellbehörden besonders stark. Sie sichern jene Freiheit, die Unternehmen in einer freien Marktwirtschaft benötigen. Man darf nicht vergessen: Viele Beschwerden, die bei uns eingehen, stammen von Unternehmen und richten sich gegen andere Unternehmen, die den Wettbewerb in ihrem Markt behindern. Klein- und Mittelbetriebe sehen sich Marktkräften ausgesetzt, die oft ihre Existenz gefährden. Erwarten sich KMU zu viel von der BWB? Harsdorf-Borsch: Natürlich werden wir auch mit Themen befasst, die außerhalb unseres Zuständigkeitsbereichs liegen. Der Gesetzgeber hat unsere Aufgaben eng definiert: Über Österreich hinaus können wir nicht auf geopolitische Themen Einfluss nehmen. Wir können auch nicht den Markt auf der Rohstoffebene beeinflussen. Wo wir Einfluss nehmen können, ist das Geschehen in Österreich – und wir sind Teil des europäischen Wettbewerbsnetzes. Das heißt, wir können auf Ebene der Kommission hinwirken, umMissstände zu thematisieren. „Man muss immer wachsam sein“ Natalie HarsdorfBorsch: Die Juristin ist davon überzeugt, dass ihre Behörde für das Funktionieren des Wirtschaftsstandorts von großer Bedeutung ist. Ô 50 Mitarbeiter beschäftigt die BWB, darunter Volkswirte, Juristen und ein Forensikteam, das sich mit Daten auseinandersetzt.

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