Chefinfo Magazin 7-22

FOTOS: BLUE SHIELD, ALESMUNT / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, KARL THOMAS / ALLOVER / PICTUREDESK.COM Haben Hacker Hofburg-Wahl im Visier? RISIKO. Cyberangriffe haben vor Wahlen Hochkonjunktur. Wahlen werden als Ablenkungsmanöver missbraucht, um mit gefälschten Berichten in OnlineMedien von massiver Wirtschafts- und Industriespionage abzulenken. WIRTSCHAFT 7/2022 | CHEFINFO | 43 95 Prozent Um diesen Faktor steigt die Anzahl der Cyberangriffe in zeitlicher Nähe zu bundesweiten Wahlen an. Gemäß einer Langzeitstudie des führenden österreichischen Cybersicherheitsunternehmens Blue Shield Security steigt die Anzahl der Cyberangriffe in zeitlicher Nähe zu bundesweiten Wahlen um durchschnittlich 95 Prozent an. Die österreichische Bundespräsidentenwahl am 9. Oktober 2022 ist daher eine Nagelprobe für die Cybersicherheit in Österreich. „Wir bemerken sowohl verstärkte nachrichtendienstliche Angriffe auf österreichische Server von Medienunternehmen als auch massive kriminelle Aktivitäten von Angreifern, die die Desinformation der Nachrichtendienste für groß angelegte Wirtschafts- und Industriespionage nutzen“, erklärt Cyberschützer Alois Kobler, dessen Blue Shield Security etwa für den Schutz der gesamten Hofburg mit ihrem Kongresszentrum verantwortlich ist. Man-in-the-Middle-Attacken Die Gefahr, dass die Wahlen selbst manipuliert werden, etwa durch einen Hackerangriff auf den Zentralrechner der Bundeswahlbehörde, ist gemäß Kobler deutlich geringer als die Manipulation von wahlrelevanten Informationen auf sozialen Netzwerken und auf Internetseiten von Online-Medien. „Wir beobachten aktuell eine Häufung von Man-inthe-Middle-Attacken gegen Journalisten und Personen, die häufig mit Medien kommunizieren“, erläutert Kobler und führt dazu aus: „Als Man-in-the-MiddleAttacke wird eine Angriffsmethode bezeichnet, bei der sich ein Hacker in den Datenverkehr zweier Kommunikationspartner einklinkt und beiden Parteien weismacht, sie hätten es mit der jeweils anderen Partei zu tun.“ Im Ergebnis können diese perfiden Attacken sowohl einen Angriff auf unsere Demokratie bedeuten, wenn dadurch Informationen manipuliert und Falschinformationen lanciert werden, als auch einen Angriff auf unseren Wirtschaftsstandort hervorrufen. Opfer dieser Angriffe wie etwa Journalisten und Medienhäuser sind vielfach Informationsträger sensibler Daten über börsennotierte Unternehmen, Industriebetriebe und Betriebe der kritischen Infrastruktur. „Dank unserer evolutionären, selbstlernenden Algorithmen gelingt es dem Blue Shield Umbrella, permanent derartige Attacken zu vereiteln“, betont Kobler, dessen Unternehmen Blue Shield Security dafür bekannt ist, das erste Cybersicherheitsunternehmen Europas zu sein, das einen auf künstlicher Intelligenz basierenden DNS-WhiteListFilter entwickelt hat, der nicht wie konventionelle Filter nur bereits bekannte Bedrohungen erkennen kann, sondern dank der selbstlernenden Algorithmen neu entstehende Bedrohungen in Echtzeit erkennen und abwehren kann. Es geht um Demokratie-Erhalt „Aus der Sicht eines Cyberschützers ist die Demokratie nur so viel wert, wie gut Wahlen vor Desinformation und kriminellen Trittbrettfahrern geschützt werden können“, konstatiert Kobler und vergleicht die Situation in Europa mit jener in Übersee: „Während in den USA vor allem danach getrachtet wird, Wahlen ihrem Ausgang nach zu sabotieren, sind Wahlen in Europa in erster Linie Bühne für hoch spezialisierte Cyberkriminelle von außerhalb Europas. Ziel ist es, IT-Sabotage in Industriebetrieben zu betreiben, um etwa durch Patentdiebstahl und Informationslecks monetären Nutzen daraus zu ziehen.“ Alois Kobler sieht die Schwachstelle in unserer Demokratie in der mangelnden technologischen Unabhängigkeit Europas gegenüber Technologie-Riesen aus den USA und China. „Damit eine europäische Souveränität gewährleistet werden kann, müsste die EU einen technischen Mindeststandard für unsere IT-Systeme festlegen und gleichzeitig organisatorische und regulatorische Maßnahmen setzen, um eine Informationstechnologie ‚made in Europe‘ nicht weiter zu verhindern, sondern endlich zu fördern“, stellt Kobler fest. Angriffe auf politische Gegner Dass Geheimdienste und politische Gruppierungen immer schon versucht haben, mit illegalen Mitteln Wahlausgänge zu ihren Gunsten aktiv zu beeinflussen, ist evident. Mit der Digitalisierung sind neue Angriffsmöglichkeiten entstanden. Die interne Kommunikation von Wahlkampfzentralen politischer Kandidaten ist laut Kobler die sensibelste Informationsquelle: „Es wird permanent versucht, Daten zu stehlen und zu leaken, also nicht autorisiert zu veröffentlichen. Von den Angreifern wird versucht, interne Informationen zu manipulieren, die Wahlkampfzentralen wiederum versuchen, die Herausgabe von Informationen zu blockieren.“ Es entsteht der Eindruck, dass nicht die besten Wahlkampagnen den Ausgang einer Wahl entscheiden, sondern das beste Cyberschutzprogramm. n Alois Kobler Gründer und CEO Blue Shield Security GmbH, Leonding Die Demokratie ist nur so viel wert, wie gut Wahlen vor Desinformation und kriminellen Trittbrettfahrern geschützt werden können. WIRTSCHAFT 42 | CHEFINFO | 7/2022 TEXT: Manuel Steineder

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