Chefinfo Magazin 6-22

FOTOS: ROAJ KANISHTHANAKA / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, SEZERYADIGAR / E+ / GETTY IMAGES FOTOS: VERLAG, SCHAFGANS DGPH 6/2022 | CHEFINFO | 85 84 | CHEFINFO | 6/2022 FINANZEN Alle lagen daneben, was den Zeitpunkt, das Ausmaß und die Geschwindigkeit betraf. Die Inflation kam unerwartet heftig und trifft nicht nur breite Tei- le der Bevölkerung, sondern auch die Wirtschaft. Täglich können sich wich- tige Kosten und Preise ändern. „Wenn man in dieser Situation nicht mög- lichst schnell und präzise Gegen- maßnahmen ergreift, kann das für ein Unternehmen existenz- bedrohende Folgen haben“, sagt der bekannte deutsche Autor, Unternehmensberater und emeritierter Wirtschaftsprofessor Hermann Simon in seinem neuen Buch „Die Inflation schla- gen“. Der Fokus auf Unternehmen und deren Umgang mit Inflation macht das Buch interessant. Simon erklärt, dass die jetzige Managergeneration kaum Erfah- rung mit hohen Inflationsraten hat und die Marktmechanismen komplexer sind, als gemeinhin angenommen wird. Die einfache Weitergabe von Kostensteige- rungen an die nächste Wertschöpfungs- stufe oder den Konsumenten könne ein Preise richtig steuern PRICING. Innovationen sind die beste Antwort auf Inflation. Das Problem: Die jetzige Managergeneration hat kaum Er­ fahrung mit hohen Inflationsraten. Autor Hermann Simon plädiert für einen Kulturwandel im Unternehmen. TEXT: Klaus Schobesberger A schwerer Fehler sein. Im Schnitt liege das Überwälzen von Kostensteigerungen auf Kunden bestenfalls bei 50 Prozent. Kostensenkungen können etwa 20 Pro- zent des Kostenanstiegs abfangen. Was also tun? Simon lenkt die Aufmerksam- keit auf den Begriff „Pricing Power“. Die- se „Preismacht“ wird dabei als Fähigkeit beschrieben, bei Kunden Preise durch- zusetzen, die für einen angemessenen Gewinn notwendig sind. „In der Infla- tion geht es um Preiserhöhungen, und so wird die Pricing Power zur wichtigs- ten Voraussetzung für Erfolg“, ist Simon überzeugt. Beispiel Wärmepumpen Der wichtigste Aspekt beim Pricing ist dabei der Kundennutzen. Oder genauer: Der vom Kunden wahrgenommene Nut- zen. Eine vom Beratungsunternehmen Simon-Kucher durchgeführte Umfrage aus den Global Pricing Studies liefert dazu interessante Erkenntnisse. Auf die Frage, durch welche nutzenorien- tierten Maßnahmen der Druck auf die Preise reduziert werden kann, nennen Unternehmen Innovationen als das mit Abstand wichtigste Instrument. An zweiter Stelle folgt die Nutzenkommuni- kation. Wenn der Kundennutzen stärker in den Mittelpunkt gestellt wird, kann das signifikant zur Steigerung der Kauf- und Preisbereitschaft beitragen. Simon nennt die Wärmepumpen als Beispiel. Ihre Wertwahrnehmung gegenüber Öl- oder Gasheizungen wird derzeit massiv verändert, wodurchWärmepumpen grö- ßere Preiserhöhungsspielräume als tradi- tionelle Heizungen haben und die Infla- tion besser bewältigen werden. Neben Innovationen und deren Nutzenkom- munikation bringt Simon auch Zusatz- services ins Spiel, die neben erweiterten Garantien die Preisbereitschaft positiv beeinflussen und den Spielraum für Preis- erhöhungen erwei- tern. All diesen Maß- nahmen ist gemein, dass sie Zeit für Umsetzung und Wir- kung brauchen sowie Mehrkosten verursa- chen. „Deshalb muss sehr sorgfältig geprüft werden, welche Maßnahmen sich unter Inflationsbedingungen tatsächlich eig- nen“, rät Simon. Auf das Timing kommt es an Entscheidend ist das richtige Timing. Generell hält der Autor schrittweise Preisanpassungen für besser als eine saf- tige Preiserhöhung, die bei Kunden nicht gut ankommt. Ob eine Durchsetzung mehrerer Preiserhöhungen in kürze- ren Abständen gelingt, hängt von Bran- chengewohnheiten sowie der relativen Pricing Power von Anbieter und Kunde ab. „Im Business-to-Costumer-Bereich dürfte das in der Regel einfacher sein als im Business-to-Business-Geschäft“, meint Simon. In oligopolistischen Märk- ten mit wenigen Anbietern und unter inflationären Bedingungen ist Preisfüh- rerschaft ein vernünftiges Verhalten. Vor allem der Digitalisierung kommt in der aktuellen Inflation große Bedeutung zu. Sie hat eine radikale Erhöhung der Preistransparenz bewirkt. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur Inflation der 1970er-Jahre. „In den vergangenen dreißig Jahren hat es mehr Innovatio- nen im Pricing gegeben als in den 3.000 Jahren davor“, sagt Simon. Dynamisch statt starr Der Einsatz neuer Preissysteme ist daher von entscheidender Bedeutung. Beispiel: Dynamic Pricing. Dabei werden Preise laufend der Angebots- und Nachfrage- situation angepasst. Das kann wie an einer Börse im Sekunden oder Minuten- takt, auf der Basis von Tageszeiten, wöchentlichen oder saisonalen Schwan- kungen geschehen. Autofahrer kennen das bei den Tankstellenpreisen, Touristen bei Flugreisen oder Hotellerie, wo Prei- se fortlaufend der Auslastung der Kapa- zitäten angepasst werden. Das erleich- tert Preisanpassungen in der Inflation. Auch Bundling oder Package-Preise bie- ten sich an. Die Inflation ist jedenfalls ein guter Zeitpunkt, seine Preismodelle auf den Prüfstand zu stellen und umzu- bauen. Simon geht noch einen Schritt weiter und plädiert für einen Kulturwan- del: „Die unternehmerischen Reaktionen dürfen sich keineswegs auf das Preisma- nagement beschränken, „sondern müssen Vertrieb, Finanzen, Einkauf, Kostenmana- gement, Digitalisierung und Innovationen gleichermaßen einbeziehen.“ n 20 Prozent des Kostenanstiegs können durch Kostensenkungen abgefangen werden. FINANZEN BUCHTIPP Hermann Simon ist Gründer von SimonKucher & Partners, dem Weltmarktführer in der Preisberatung mit weltweit 1.800 Mitarbeitern in 43 Büros. In seinem aktuell erschienenen Buch (Cam­ pus Verlag, 30,90 Euro) erklärt er, wie Firmen „Die Inflation schlagen“ können. Hermann Simon SimonKucher & Partners In den letzten 30 Jahren hat es mehr Innovationen im Pricing gegeben als in den 3.000 Jahren davor.

RkJQdWJsaXNoZXIy NzkxMTUy