Chefinfo Magazin 01-2024

FINANZEN 1/2024 | CHEFINFO | 65 64 | CHEFINFO | 1/2024 FOTOS: JULIA SPICKER, SHANNONSTENT/ E+ / GETTY IMAGES, MNY-JHEE / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS om antarktischen Eisschild lösen sich ständig große Eismassen und verursachen beim Fall ins Wasser Minitsunamis. Für die österreichische Wirtschaft war die Signa wohl ein solcher Eisberg. Das Imperium von René Benko bröckelte und stürzte in das Insolvenzmeer. Bei den unzähligen Einzelfirmen, die nacheinander zahlungsunfähig wurden, kann man wohl zumindest intern von einer Insolvenzwelle sprechen. Für ganz Österreich einen Pleitensturm heraufzubeschwören wäre aber vermutlich zu pessimistisch. Die Signa ging baden Vergangenes Jahr zog der Pleitegeier seine Kreise über Österreich. Vor allem große Unternehmen trieben die Passiva auf ein Rekordhoch. Neben Signa erwischte es den Möbelhändler kika/Leiner, den Zweiradhändler KSR und in Oberösterreich die Sport-2000-Genossenschaft Zentrasport Österreich. Insgesamt stiegen die vorläufigen Passiva vergangenes Jahr dadurch um unglaubliche 286 Prozent auf rund 8,5 Mrd. Euro. Auch ohne Signa würden die Passiva mit 3,26 Mrd. Euro um rund 50 Prozent über dem Niveau 2022 liegen. Nachdem die Coronaförderungen versiegten, befürchteten Experten einen Kaventsmann an Pleiten. Ein schwallartiger Anstieg der Insolvenzen blieb jedoch vorerst aus. ZAHLUNGSUNFÄHIG. Vergangenes Jahr erlebte Österreich die größte Insolvenz in der Geschichte und für 2024 rechnet der Kreditschutzverband zumindest bei der Menge der Anträge mit einer Steigerung. Droht eine Pleitewelle oder handelt es sich gar um eine reinigende Sintflut? TEXT: Michael Schwarz Rund 5.400 Unternehmen schlitterten österreichweit in die Insolvenz. In Oberösterreich meldeten 573 Betriebe Insolvenz an, ein Plus von 9,3 Prozent im Vergleich zu 2022. Besonders betroffen waren hierzulande der Handel mit 117, die Bauwirtschaft mit 94 und die Gastronomie mit 86 Insolvenzen. Am Scheitelpunkt der Welle Dass der Höhepunkt noch nicht erreicht wurde, davon gehen Experten aus. Petra Wögerbauer, Regionalleiterin Nord beim Kreditschutzverband von 1870, erwartet für 2024 einen ähnlich hohen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen wie vergangenes Jahr. In gewissen Branchen gibt es hier immer noch Nachholeffekte aus Pandemiezeiten, meint Wögerbauer: „Speziell in der Gastronomie wurden Coronaförderungen massiv genutzt und vor allem kleinere Betriebe konnten sich mit Fördermitteln gut über Wasser halten.“ Der Wegfall dieser Förderungen, aber auch Kostensteigerungen und ein verändertes Konsumverhalten würde man derzeit häufig in den Insolvenzanträgen lesen. Michael Haiböck, Rechtsanwalt bei Haslinger / Nagele Rechtsanwälte, ist vorsichtig mit seiner Prognose: „In den letzten Jahren sind so viele unvorhersehbare Dinge passiert, dass es jederzeit zu Veränderungen des Insolvenzgeschehens kommen kann.“ Derzeit sind laut Haiböck vor allem die internen Kosten für viele Unternehmen eine große Belastung: „Mitarbeiterkosten sind aufgrund der Inflation massiv gestiegen und auch Energie ist teurer geworden. Zudem laufen die in Zeiten der Pandemie gewährten Stundungen aus.“ Europäische Gewitterwolken Bei einem sind sich Experten einig: Österreich hat ein vergleichsweise gutes Insolvenzrecht. Kurze Verfahrensdauer und hohe Quoten kann man sich hierzulande an die Fahne heften. Kritisch wird daher auch die geplante Harmonisierung des Insolvenzrechts durch die EU-Kommission gesehen. Ein zentraler Punkt ist die Definition von Kleinstunternehmen, die sich quasi in Eigenregie ohne Insolvenzverwalter entschulden können sollen: maximal zehn Mitarbeiter, zwei Millionen Euro Umsatz bzw. zwei Millionen Euro Bilanzsumme. Die österreichische Wirtschaft ist jedoch relativ klein strukturiert. Der KSV hat vorgerechnet, dass mit der angestrebten Definition rund 90 Prozent der Insolvenzverfahren Sonderverfahren für Kleinstunternehmer wären. Das geplante verwalterlose Verfahren könnte besonders für die Gläubiger Nachteile bergen. „Es ist auch bei kleineren Insolvenzen oftmals sinnvoll, dass ein Masseverwalter bestellt wird“, sagt Haiböck. Gerade ob Anfechtungs- und Haftungsansprüche von unvertretenen Schuldnern aufgedeckt werden, ist laut dem Rechtsanwalt zweifelhaft: „Bei kleinen GmbHs sind Anfechtungsansprüche und Geschäftsführerhaftung wegen Isolvenzverschleppung oftmals die wesentlichen Assets der Masse. Nur, welcher Geschäftsführer würde sich selbst zur Haftung heranziehen? Man würde durch diese Regelung dem Missbrauch wohl Tür und Tor öffnen.“ Ertrinkt die Bauwirtschaft? „Die Baubranche wird aus Sicht des KSV1870 immer mehr zum Sorgenkind“, sagt Wögerbauer. Die Branche kämpft Welcher Geschäftsführer würde sich selbst zur Haftung heranziehen? Michael Haiböck Rechtsanwalt Haslinger / Nagele Projektentwickler und Bauunternehmen kämpfen derzeit mit hohen Kosten. Ô Unternehmen, die vielleicht aufgrund aktueller Trends schnell und stark wachsen, sind besonders gefährdet, wenn sie nicht gleichermaßen für ein Abflauen des Trends Vorsorge treffen. Michael Haiböck Rechtsanwalt Haslinger / Nagele Postpandemische PLEITEWELLE

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