Chefinfo Magazin 01-2024

COVERSTORY COVERSTORY 21 | CHEFINFO | 1/2024 20 | CHEFINFO | 1/2024 FOTO: PIANINO CHEFINFO: Können „Wirtshausprämien“ das Wirtshaussterben aufhalten? Harald Katzmayr: Wirtshausprämien sind keine Lösung. Gastronomie ist Grundeinstellung und Lebenskultur, die aus dem täglichen Leben nicht wegzudenken ist. Menschen lassen sich nach harter Arbeit gerne verwöhnen. Also müssen wir Wirte liefern, wenn die anderen frei haben – vor allem abends und am Wochenende. Hier liegt sicher ein Problem, warum viele ans Aufhören denken: Wirte arbeiten meist 70 bis 80 Stunden in der Woche, während der aktuelle Zeitgeist eine 30-StundenWoche mit optimaler Work-Life-Balance unterstützt. Am Ende bleibt für den Unternehmer oft weniger übrig als sein Mitarbeiter 14-mal im Jahr verdient. Einige würden erwidern, dass auch die Preise in der Gastronomie stark gestiegen sind. Katzmayr: Die Preise sind stark gestiegen, aber auch die Kosten. Die Schließphasen während der Coronapandemie haben den Preis für Gastro-Fachkräfte enorm in die Höhe getrieben. Ich habe keine Mitarbeiter verloren – aber dafür sind Löhne und Gehälter heute auf einem Top-Niveau. Nach oben gegangen sind auch die Strom- und Energie- sowie die Lebensmittelpreise. 25 Prozent Mehrausgaben für den Wareneinkauf sind keine Seltenheit. Bei der Qualität zu sparen ist für mich keine Alternative. Diese Kosten muss ich weitergeben, sonst gibt es meinen Betrieb in absehbarer Zeit nicht mehr. Das Pianino an der Landstraße ist eine Institution. Ist es Szenelokal, Restaurant und Bar in einem? Katzmayr: Mit zwölf Leuten in der Küche liegt der Schwerpunkt im Restaurantbereich. Das funktioniert gut, weil die Küche durchgehend von 11:00 bis 23:00 Uhr geöffnet hat und wir Tische mehrmals täglich besetzen. Nachmittags essen zu gehen kommt inzwischen gut an. Damit haben wir uns eine eigene Nische geschaffen, die es vorher auf diesem Niveau nicht gegeben hat. Mit einem Stammkundenanteil von rund 80 Prozent kann sich der Betrieb rechnen. Gibt es ein Rezept für den Erfolg? Katzmayr: Das lässt sich nicht an einzelnen Kriterien festmachen. Entscheidend ist die persönlich geführte Handschrift des Inhabers – und eine absolute Gastfreundschaft. Ohne diese Willkommenskultur gibt es keine Gastronomie. Die Freizeit ist ein hohes Gut. Es ist daher ein hoher Vertrauensbeweis, wenn Menschen ins Lokal kommen. Warum sind Sie kein Haubenlokal? Katzmayr: Das hat viel mit dem Standort zu tun. Die meisten Haubenbetriebe sind mit dem Auto erreichbar und bieten einen eigenen Parkplatz. Dank der gut frequentierten Linzer Landstraße haben wir viele Walk-ins. Mit einer Haube ist man sofort in einem anderen Preisgefüge, das würde im Pianino nicht funktionieren. Aber die Positionierung ist klar: Gekocht wird auf Haubenniveau – auch ohne Haube. Ihr Wunsch für die Zukunft? Katzmayr: Hoffentlich kommt nie eine Zeit, wo wir uns wehmütig an den Wirtshausbesuch zurückerinnern, weil es nur noch Systemgastronomie gibt. Das wäre eine fatale Entwicklung. Die Genusskultur mit eigentümergeführten Restaurants ist ein wichtiger Standortfaktor. Eine Stadt wird daran gemessen, wie stark ihre Gastronomie ist. NISCHE. Eine Stadt werde daran gemessen, wie stark ihre Gastronomie ist, sagt Harald Katzmayr. Im Pianino arbeitet der Wirt nach seinem ganz speziellen Erfolgsrezept. „Gelebte Genusskultur“ Harald Katzmayr Szenewirt, Gastronom und Inhaber des Pianino, Linz Entscheidend ist die persönlich geführte Handschrift des Inhabers. FOTOS: BUBBALL / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, LUDWIG PULLIRSCH PHOTOGRAPHY klassischen Wirte hören einfach auf – weil der Arbeitsdruck zu groß wird, zu wenig Geld übrig bleibt oder sie mehr Zeit für die Familie haben wollen. Strukturwandel überall Wirtshäuser schließen, dafür sperren Kebab-Buden & Co auf. Die Anzahl der aktiven Mitgliedsbetriebe in der Fachgruppe Gastronomie Oberösterreich bewegt sich deshalb seit zehn Jahren auf demselben Level von rund 6.000 Unternehmen. Es gebe eine gewisse Unschärfe bei den Betriebsarten „Vollgewerbe“ und „kleines Gastgewerbe“, sagt Stefan Praher, Fachgruppengeschäftsführer Gastronomie der Wirtschaftskammer OÖ. Das „kleine Gastgewerbe“ umfasst Lokale, meist Imbissbereiche, die typischerweise die Verabreichung von Speisen in einfacher Art und nur ein sehr eingeschränktes Getränkesortiment anbieten dürfen, meist alkoholfreie Getränke in den handelsüblichen verschlossenen Flaschen. Auch die Abgabe von Wein und Spirituosen ist nicht erlaubt. Das „kleine Gastgewerbe“ ist auch eingeschränkt auf acht Verabreichungsplätze (Budel oder Stehtische). Und dann gibt es für größere Betriebsstrukturen das Vollgewerbe, dafür muss man den Befähigungsnachweis erfüllen und kann dann sämtliche gastronomische Tätigkeiten und Leistungen anbieten. „Beim kleinen Gastgewerbe gibt es einen gewissen Zuwachs“, meint Praher. Ein Zuwachs, der den Strukturwandel beschleunigt , auf den es keine wirklichen Antworten gibt. Um dem Sterben der Wirtshauskultur entgegenzuwirken, wurde etwa in Niederösterreich eine Wirteprämie in der Höhe von 10.000 Euro eingeführt. Mit überschaubarem Erfolg: Sie wurde im Jänner genau zweimal beantragt. Auch andere Länder kämpfen mit Zusperr-Phänomenen. In England ist beispielsweise fast jedes dritte Pub verschwunden. Pubs sind, ähnlich wie das klassische Wirtshaus bei uns, Orte einer besonderen Kultur, die es so nur in England gibt. Die Gründe für den Niedergang liegen am Brexit, an Corona und den gestiegenen Bierpreisen. Aber auch, weil die Leute mehr auf ihre Gesundheit achten und weniger oft einen trinken gehen. 5.977 Betriebe zählte die WKO Fachgruppe Gastronomie 2023 in Oberösterreich. Michael F. Müller Inhaber Kliemstein, Linz Weil der Aufwand in der Haubenküche so hoch ist, kann ich mir einen Tisch- ausfall nicht leisten. Ô

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