Chefinfo Magazin 01-2024

COVERSTORY COVERSTORY 19 | CHEFINFO | 1/2024 18 | CHEFINFO | 1/2024 FOTO: HERMANN WAKOLBINGER CHEFINFO: Sie sind in einer Gastronomiefamilie in Grieskirchen aufgewachsen, führen seit 1990 diverse Lokale, Restaurants und Steakhäuser. 2022 haben Sie die insolvente Burgerista-Kette übernommen. Wie kam es dazu? Thomas Altendorfer: Es war eine schnelle Entscheidung. Ich habe mir die Zahlen angesehen und gemerkt, dass das Unternehmen operativ sehr erfolgreich ist. Der vorige Eigentümer, ein deutscher Finanzinvestor, hatte zu ambitionierte Wachstumspläne und führte die Kette wie einen Konzern, dafür war sie aber zu klein. Ich übernahm sie nach der Insolvenz und habe als erste Maßnahme allen 110 Mitarbeitern die Löhne erhöht. Sie verdienen nun um 10 Prozent mehr als ihre Kollegen bei McDonald’s. Wir haben praktisch keine Fluktuation. Sie vermeiden den Begriff Fast Food und Systemgastronomie – warum? Altendorfer: Ich spreche lieber von „systematisierter Gastronomie“. Speziell bei Burgerista haben wir eine Nachhaltigkeit und Regionalität, die ihresgleichen sucht. Das Burger-Brot kommt von Guschlbauer in Waizenkirchen. Großfurtner aus dem Innviertel liefert unser Fleisch, das täglich frisch faschiert und zubereitet wird. Auch die Limonaden sind selbst gemacht. Es gibt keine Tiefkühlprodukte. Diese Qualität ist einer unserer wichtigsten USPs. Auf der anderen Seite haben Sie das Spitzenlokal Kinski in Lambach nach 23 Jahren geschlossen und wollen sich auch vom Herberstein in Linz trennen. Was sind die Gründe dafür? Altendorfer: Es wird immer schwieriger, qualifizierte Fachkräfte zu bekommen. Das zehrt an der Substanz. Wer glaubt, dass es besser wird, sieht der Realität nicht ins Auge. Haubengastronomie wird nur dort funktionieren, wo der Küchenchef der Unternehmer ist. Das Kinski war sehr erfolgreich, aber zuletzt konnten wir die Kosten nicht mehr verdienen. Nach Corona ist der Umsatz eingebrochen, weil viele Gäste nicht mehr zurückgekommen sind. Warum sind die Gäste nicht mehr in dem Ausmaß gekommen? Altendorfer: Es ist eine neue Art der Gastronomie entstanden: die Bestellgastronomie. Man ruft an, lässt sich das Essen zustellen und muss nicht mehr außer Haus gehen. Zustellfirmen wie Delivery Hero oder Lieferando sind börsennotiert und machen Milliardenumsätze. Vor der Pandemie hat es das in dieser Dimension nicht gegeben. Die Lieferdienste sind neue Mitbewerber – und zwar für jeden Gastronomen. Haben Sie die Lust verloren? Altendorfer: Ich habe diese Leidenschaft noch – aber ich möchte auch Geld mit meiner Arbeit verdienen. Und ich sage es offen: In der Gastronomie ohne Besteck und Teller macht es mir Spaß, weil am Ende des Monats etwas übrig bleibt – und zwar mehr als in meinen anderen Betrieben. Ich bin aber überzeugt: Gute Lokale wird es immer geben. Der Gast sucht das soziale Umfeld, Leute, die er kennt. Das können Schnellrestaurants nicht bieten. Was haben Sie mit Burgerista vor? Altendorfer: Wir haben neun Betriebe in Österreich und werden nun expandieren. Sukzessive und in Eigenregie – nicht über Franchisenehmer. Das hat schon vor meiner Zeit nicht geklappt. WANDEL. Thomas Altendorfer trennt sich von zwei Restaurants und startet mit der Systemgastronomie durch. Warum, erklärt er im Interview – in einer Burgerista-Filiale. Burger statt Haubenküche Thomas Altendorfer Multigastronom sowie Eigentümer und CEO von Burgerista Die Lieferdienste sind neue Mitbewerber – und zwar für jeden Gastronomen. FOTOS: OFFICE@FOTOGRAFIEKARINSCHWARZ.AT, GBH007 / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS mie der Wirtschaftskammer zeigen. Hatte die Lehrlingsstatistik 2010 noch rund 5.000 Auszubildene ausgewiesen, so waren es 2022 nur noch 2.650. Ein Minus von 46,3 Prozent in mehr als einem Jahrzehnt. In Oberösterreich schrumpfte die Zahl der Gastro-Lehrlinge in diesem Zeitraum sogar um mehr als die Hälfte (53,4 Prozent). Auch die zunehmende Unverbindlichkeit seit Corona ärgert. „Kein Gastgeber beschimpft gerne seine Gäste. Aber es ist mühsam, wenn du ausreserviert bist und 50 bis 60 Personen nicht kommen. Du musst als Wirt heute bereits so flexibel agieren wie eine Fluglinie.“ Der letzte Mohikaner Hager holt sein Smartphone hervor und zeigt auf eine Liste von 15 Wirtshäusern, die in Linz zuletzt für immer ihre Pforten geschlossen haben, darunter so klingende Namen wie der Prielmayerhof mit Haubenkoch Johann Aspalter oder der Freiseder am Pöstlingberg. Sein Erfolgsrezept? „Du musst als Gastronom ein Besessener sein“, so Hagers Resümee, der sich bereits als letzter Mohikaner in der City wähnt. Die Zahl jener Wirte, die in der Stahlstadt klassische Gasthausatmosphäre mit Hausmannskost vom Wiener Schnitzel bis Schweinsbraten anbieten, ist auf einige wenige geschrumpft. Gestiegene Kosten für Personal, Lebensmittel und Energie fressen die Gewinne auf. „Ein Küchenchef, der mit 50.000 bis 60.000 Euro heimgeht, verdient meist mehr als der Wirt.“ Hager kennt auch noch die Zeiten vor der Registrierkassenpflicht, die 2016 im Zuge der Steuerreform aufgrund der lockeren Bargeldgeschäfte eingeführt wurde. „Früher haben wir wirklich Gewinne gemacht, aber da hat auch jeder beschissen und betrogen. Das ist vorbei. Heute kann das Finanzamt alles genau prüfen.“ Das hat zweifellos den Strukturwandel in der heimischen Gastronomie weiter beschleunigt. Gastronomiebetriebe zählen zwar neben dem Handel und der Bauwirtschaft regelmäßig zu den Top-3-Branchen in der Insolvenzstatistik, aber es gibt keine besonderen Ausreißer nach oben. 86 Pleiten verzeichnete der KSV1870 im Vorjahr, 2022 waren es 71. Die meisten Die Zahl der klassischen Wirtshäuser sinkt insbesondere in ländlichen Strukturen seit Jahren dramatisch. (Quelle: WKO) Bernhard Ditachmair Steuerberater, Linz Bei Wirten habe ich 50 Prozent UiS – Unternehmen in Schwierigkeiten. Ô GASTHÄUSER IN ÖSTERREICH 9.503 9.301 9.047 8.498 8.258 8.012 7.765 7.568 7.327 7.012 ’13 ’14 ’15 ’16 ’17 ’18 ’19 ’20 ’21 ’22 ’23 6.724

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