CHEFINFO Wels Spezial 2024

40 | CHEFINFO WELS FOTOS: PETER ECHT, STADT WELS, LEONSBOX / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS meister die Stadt Wels als idealen Richtmarkt in der Politik. Rabl, der Jurist, der die SPÖ nach 70 Jahren Regentschaft entthronte, verortet außer der hervorragenden Infrastruktur und Gebäudeausstattung noch zwei politische Gründe: Die SPÖ dürfte sich die ehemalige Wählerschaft zurückerobern wollen, die sich auf Blau umgefärbt hat und bei der ÖVP sieht er die Lage ähnlich, jedoch andersherum, nachdem Nehammer Wels als Battle Ground für die Schlacht gegen die FPÖ genutzt hat. „Dazu kommt, dass Wels mit einem ehemals großen SPÖPotenzial von einem schwarzen Bundesland umgeben ist. Es ist also niemand, der nach Wels kommt, ganz fremd hier und jede Partei hat irgendeinen Anknüpfungspunkt in Wels. Das macht die Stadt ja so interessant“, so Rabl wörtlich. Er ist sich sicher, dass Wels kein Zufallstreffer ist und hier noch weitere Kanzlerreden folgen werden. Über den Besuch des einen oder anderen hochrangigen Gastes zum Gedankenaustausch im Rathaus würde er sich freuen, ganz im Sinne einer offenen demokratischen Gesellschaft. Welche Rolle die Demografie dabei spielt, erklärt Rabl damit, dass Wels eine sehr junge Stadt mit starkem Wachstum und einem repräsentativen Querschnitt durch die Bevölkerung ist, was es zu diesem repräsentativen Richtungsmarkt macht. Der wirtschaftliche Nutzen solcher Großveranstaltungen ist enorm. „Die Messe Wels, die im hundertprozentigen Eigentum der Stadt Wels steht, bekommt hohe Mietbeiträge für die Anmietung der Räumlichkeiten und natürlich geben solche Events auch einen maßgeblichen wirtschaftlichen Impuls für die Innenstadt, für die Gastronomie und den Handel. Die Besucher bleiben ja meist über Nacht hier, das heißt, dass auch die Hotellerie wesentlich davon profitiert. So ist jede Großveranstaltung für alle Beteiligten eine Win-win-Situation. Jungreithmair ergänzt, dass sehr oft die schönen Bilder aus der Stadt und der Umlandregion in den Köpfen der Besucher hängen bleiben und somit der Standort Wels im Bewusstsein verankert wird. Dass jede national sichtbare Veranstaltung beiträgt, um den Standort zu stärken, sind sich Rabl und Jungreithmair einig. Messen und Kongresse Das Volksfest und die Welser Messe sind quasi die DNA von Wels und nicht mehr aus der Stadt wegzudenken. Die Ursprünge gehen bis ins 14. Jahrhundert zurück. Begonnen hat die Erfolgsgeschichte mit dem Wochenmarkt, mit Jahrmärkten und Pferdemärkten, der Schwerpunkt lag beim Handel mit landwirtschaftlichen Gütern. Vor knapp 150 Jahren wurde das erste Welser Volksfest gemeinsam mit der ersten Landwirtschaftsmesse, der nunmehrigen Herbstmesse, ausgetragen. Heute können aufgrund der Größe und Flexibilität an Infrastruktur mehrere Veranstaltungen im EventQuartier, das aus mehreren Messehallen, einem Tagungszentrum, Seminarräumen und Freiflächen besteht, gleichzeitig und ohne Berührungspunkte abgehalten werden. Das ist einzigartig in ganz Österreich. Trotz Coronakrise mit Veranstaltungsverboten bis März 2022 schreibt die Messe Wels seit April 2022 – entgegen negativer Budgetierung – wieder Gewinne. Sämtliche Erwartungen wurden bei Weitem übertroffen, beinahe alle Messen haben Rekordergebnisse erzielt. „2024 sind wir praktisch ausgebucht, wir stoßen an unsere Wachstumsgrenzen“, erklärt Messedirektor Robert Schneider in einer Aussendung. Die Messen sind wieder zurück, virtuelle Events können eben physische nicht ersetzen. Aussteller und Besucher konnten sich wieder treffen, austauschen und endlich die Produkte wieder live erleben und ausprobieren. Nichtsdestotrotz gibt es große Herausforderungen, vor allem im Baubereich und in der Industrie. Um die Zukunft der Messe Wels zu sichern, ist die Neuerrichtung einer weiteren Halle (Nr. 22) angedacht. Die beinahe zwei Jahre Stillstand hat die Messe Wels gut genutzt, und sie hat neue Formate und zukunftsorientierte Projekte wie etwa eine virtuelle Plattform für Besucher und Aussteller entwickelt. WELS SPEZIAL Ist Wels das geeignete Pflaster für hoffnungsvolle Kandidaten, die den Kanzleranspruch stellen wollen? Am 26. Jänner hat es wieder einer versucht: Der türkise Bundeskanzler Karl Nehammer warf seine Angel in „feindlichem“ blauem Gewässer aus. Vor rund 2.000 Unterstützern hat er seinen „Österreichplan“ in der Welser Messehalle 19 präsentiert und damit den ÖVP-Wahlkampf eingeleitet. Er ruft ein Jahr der Entscheidung aus. Was dieses Jahr bringen wird, bleibt abzuwarten. Spannend ist, dass wieder einmal die Entscheidung für eine Kanzlerrede auf Wels gefallen ist – die fünfte seit 2017. Auf den ersten Blick scheint klar, warum Kanzler und Kanzlerkandidaten gerade in Wels ihre Wahlreden schwingen: die verkehrsgünstige Lage und die Welser Messe mit den geeigneten Platz- und Infrastrukturkapazitäten für Großveranstaltungen. Ausschließlich damit begründet auch SPÖ-Vizebürgermeister Klaus Schinninger auf Nachfrage, was Wels für solche Auftritte qualifiziert. Die Nachfrage bei Peter Jungreithmair, Geschäftsführer der Wels Marketing & Touristik GmbH, und bei Bürgermeister Andreas Rabl war etwas ergiebiger. Jungreithmair, der Touristiker und Marketingprofi, begründet die Wahl einerseits mit der geografischen Mitte in Österreich und der sehr jungen Bevölkerung, andererseits, weil Wels sich mit dem vielfältigen Marktumfeld, der gut durchmischten Einwohnerschaft in der Stadt und der Region sowie der hohen Kaufkraft sehr gut als Testmarkt für Produkteinführungen eignet. So haben etwa Resch&Frisch, die Hofer Backstube oder C&A von Wels ausgehend erfolgreich weitere Märkte erobert. Analog dazu versteht der BürgerPeter Jungreithmair FARBWECHSEL. Warum Kanzler und Kanzlerkandidaten gerade Wels für ihre Wahlkampfreden auswählen und was die Stadt – außer der verkehrsgünstigen Lage und der Welser Messe – als Testmarkt für Wirtschaft und Politik qualifiziert. TEXT: Inge Himmelfreundpointner WELS SPEZIAL Große Bühne Kongresse. Messen. Kanzlerreden. WELS Ô JÜNGSTE KANZLER- REDEN IN WELS 2017: Strache, Kern, Kurz 2018: Rendi-Wagner 2024: Nehammer (Kickl und Babler waren auch in Wels, hielten aber keine Kanzlerreden) WELS IN ZAHLEN • 66.000 Einwohner, davon 34 % bis 29 Jahre, 27 % 30 bis 49 Jahre, 39% über 50 Jahre • 32 % ausländische Staatsangehörige, davon 60% EU-Bürger und 40 % aus Drittstaaten (vgl. 2015: 75 % Drittstaatsangehörige, 25% EU-Bürger) • 5.140 Arbeitsstätten, 90% Familienunternehmen, 53.000 Arbeitnehmer • 97,8 % Auslastung der Innenstadtgeschäfte (vgl. 2015: < 90 %) • 2.500 Gästebetten • 54.200 Euro Bruttoregionalprodukt, Platz 2 in Österreich Quelle: Magistrat Wels, Stadtmarketing Wels 12/2022 (Zahlen gerundet) Andreas Rabl

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