Chefinfo Magazin 02-2024

Halten Sie die Gartner-Prognose, dass Social Media an Einfluss abnehmen könnte, für realistisch? Gery Hofer: Social Media wird jetzt schon deutlich weniger. Onlineshops, die geglaubt haben, mit zehn Euro Facebook und Insta zu bedienen, merken, dass es wenig bringt. Wir betreuen mehr als 700 Kunden weltweit, da explodiert kaum einer, nur weil er einen guten SocialMedia-Auftritt hat. Über Social Media schaffen Unternehmen zwar Bekanntheit und es ist für die Marke gut, aber es bringt kaum Umsatz. Wenn ich einen neuen Tennisschläger kaufen möchte, suche ich nach wie vor bei Google, nicht bei Facebook. An klassischem SEO geht daher kein Weg vorbei. Habe ich einen fetzigen TikTok-Kanal und bringe ich Leute auf meine Website, entscheiden die in weniger als einer Sekunde, ob sie bleiben oder nicht. Entspricht die Website nicht dem Bild, das ich auf TikTok vermittle, sind die Besucher ganz schnell wieder weg. Der Google-Mechanismus erkennt das. Wer auf meiner Website bleibt und vielleicht dort einkauft, der ist relevant, nicht die Zahl der User, die kurz von sozialen Medienkanälen kommen – mögen sie auch noch so viele sein. Social Media kann für Unternehmen nicht nur deshalb auch schädlich sein. Inwiefern kann Social Media Unternehmen schaden? Hofer: Sehr oft werden am prominentesten Ort der Website, rechts oben, die diversen Social-Media-Kanäle aufgezählt. Dort sollten nach klassischem SEO die Kontaktdaten stehen. Klickt der auf das Insta-Logo, ist er von der Website weg und vergisst oft zurückzukehren. Es kann also sein, dass ich für Google Ads bezahle und dann verliere ich potenzielle Kunden an soziale Kanäle. Wir raten unseren Kunden, Social-Media-Kanäle nicht auf der Website zu präsentieren, sondern, wenn überhaupt, ins Impressum zu geben.“ INTERVIEW. SEO-Spezialist Gery Hofer stuft Social-­ Media-Kanäle für den Markenaufbau als wichtig ein. Umsatz wird aber anderswo generiert. Die Plattformen können für Unternehmen sogar umsatzschädlich sein. INTERVIEW: Jürgen Philipp SOCIAL MEDIA kann Unternehmen schaden 86 | CHEFINFO | 2/2024 FOTO: GERY HOFER Über Social Media schaffen Unternehmen zwar Bekanntheit und es ist für die Marke gut, aber es bringt kaum Umsatz. Gery Hofer SEO-Experte Marken „KI-frei“ positionieren könnten. Dazu trägt auch die Rolle der sozialen Medien – Stichwort russische Trollfabriken, Stichwort Brexit – als Gefahr für die Demokratie bei. Erst kürzlich warnte die Österreichische Akademie der Wissenschaft (ÖAW) vor der Macht von Facebook und Konsorten. Die ÖAW fordert daher einen Ethikrat für politische Werbung und Öffentlichkeitsarbeit im Netz. Doch noch steigen die Userzahlen in fast allen großen sozialen Medien. Nur Elon Musks „X“, ehemals Twitter, bestätigt schon jetzt den Gartner-Trend. X verlor fast 15 Millionen Nutzer seit der Übernahme durch den Tech-Milliardär. 2024 sollen Prognosen zufolge weitere 20 Millionen dem einstigen Vögelchen entzwitschern. Junge gehen auf Social-Media-Entzug Und die Jungen? Die wandern massenweite aus der digitalen Welt ab. Der soziale Druck, das perfekte Leben zu präsentieren, lässt sich nicht aufrechterhalten. Die knallbunte Welt der Influencer und Content-Kreatoren ist mit dem echten Leben kaum kompatibel. Im Gegenteil: Sie verursacht verminderten Selbstwert, Ess- störungen bis hin zu Depressionen. Eine Langzeitstudie der Universität Montreal untermauert das. Die Universität begleitete 4.000 Jugendliche vier Jahre lang. Je mehr Zeit sie auf sozialen Medien verbrachten, desto stärker äußerten sich depressive Symptome ebenso wie Suchtthematiken und Schlafprobleme. IT & MORE

RkJQdWJsaXNoZXIy NzkxMTU1