Chefinfo Magazin 02-2024

FINANZEN 62 | CHEFINFO | 2/2024 Das derzeitige Rätseln wann, wie oft und wie stark die Europäische Zentralbank die Zinsen senken wird, erinnert an Zeiten, als die Augen der Finanzmärkte auf einen Mann gerichtet waren, den sie das Orakel nannten: Alan Greenspan. Der hagere Mann, der als einer der prägendsten, aber auch umstrittensten Leiter der Federal Reserve Bank gilt, feierte im März seinen 98. Geburtstag. Wie bei einem Orakel wurde während seiner Amtszeit jedes seiner Worte auf die Goldwaage gelegt, um Hinweise auf die künftige Zinsentwicklung zu erkennen. Als der 1926 in New York geborene Sohn deutscher Einwanderer 2006 in Rente ging, hatte er seine 14. Zinserhöhung in Folge hinter sich gebracht. Der US-Leitzins lag damals bei 4,5 Prozent und damit exakt auf dem aktuellen Euro-Zinsniveau. Der „Greenspan-Put“ Warum heute Zentralbankchefs die Öffentlichkeit eher scheuen und als farblose Bürokraten ihr Werk verrichten, hat auch viel mit der – aus heutiger Sicht falschen – Heldenverehrung Alan Greenspans vor der Jahrtausendwende zu tun. Denn der Notenbankchef galt als Magier, der scheinbar alle finanzpolitischen Turbulenzen mit frischem Geld wegregulieren konnte. Das ging so lange gut, bis mit der Finanzkrise 2008 die Blase zu platzen begann, werfen ihm Kritiker vor. Begonnen hat alles nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt im Jahr 1987. Damals musste Greenspan den Börsencrash überstehen – und er reagierte mit Hilfsmaßnahmen, die Marktakteure in Folge den „Greenspan-Put“ nannten: Dazu zählte der faktisch unbegrenzte Kauf von Anleihen, die Senkung des Leitzinses und die Ausweitung der Liquidität. Aus dem „Greenspan-Put“ wurde nach der Finanzkrise der „Bernanke-Put“, indem Märkte mit Geld geflutet und die Leitzinsen gegen null gesenkt wurden. Auch diese Maßnahme führte zu Auswüchsen an Börsen und Immobilienmärkten. Es wundert nicht, dass sich Notenbanker mit Zinssenkungen Zeit lassen. n Alan Greenspan feierte im März seinen 98. Geburtstag. Mit ihm starteten in den 1980er-Jahren die geldpolitischen Hilfsmaßnahmen. Das große Zinsrätseln ZENTRALBANKEN. Sinkt der Leitzins, und wann? Die EZB lässt sich nicht in die Karten blicken – und sie nimmt sich auch nicht den legendären FED-Chef Alan Greenspan zum Vorbild. TEXT: Klaus Schobesberger 4,5 Prozent beträgt der EZB-Leitzins. Die erwartete Zinssenkung im März kam nicht. FOTOS: EVAN VUCCI / EPA / PICTUREDESK.COM

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