Chefinfo Magazin 02-2024

WIRTSCHAFT 32 | CHEFINFO | 2/2024 INTERVIEW. Der frühere Präsident der Wirtschaftskammer hat ein Buch über Europa geschrieben. Ein Gespräch über die Zukunft der Staatengemeinschaft, Lieferketten, Blumenkinder, Trump und Putin sowie die Gefahr der politischen Extreme. INTERVIEW: Klaus Schobesberger CHEFINFO: Was fasziniert Sie an Europa? Christoph Leitl: Es ist ein geschichtlich einmaliges Projekt. Ich sehe die Vielfalt als den eigentlichen Reichtum an. Deshalb bin ich auch für ein Europa der Regionen. Aber wir dürfen eines nicht übersehen: Wenn Regionalität und Nationalität jedoch in einen Partikularismus ausarten, dann nimmt das Projekt Europa Schaden. Was muss sich ändern? Leitl: Wir müssen die kleinen Dinge wieder mehr in die Regionen zurückgeben, aber die großen Dinge wie Sicherheit, Außenpolitik, Klima oder Gesundheit müssen auf EU-Ebene verstärkt werden. Der gemeinsame europäische Binnenmarkt ist eines der großen Assets der EU – ihn gilt es in wichtigen Bereichen zu vervollkommnen. Wir haben keinen Kapitalmarkt, darin sind uns die Amerikaner und Chinesen weit voraus. Es fehlt auch eine gemeinsame Innovationsstrategie, die technologieoffene Forschung zulässt. Auch die so wichtige Frage der Energiezukunft, wo es auch um Partnerschaften mit afrikanischen Staaten geht, muss europäisch gelöst werden. Gerade wird wieder heftig um das Mercosur-Abkommen gestritten. Ist das nicht fast schon ein Ritual? Leitl: Eine ähnliche Diskussion mit teilweise abstrusen Argumenten der Gegner gab es ja auch vor dem CETA-Abkommen mit Kanada … … und wir haben immer noch kein Chlorhuhn im Regal. Leitl: Keine der Befürchtungen ist eingetreten. Wir konnten seither das Handelsvolumen um 30 Prozent steigern. Und jetzt haben wir dasselbe Schauspiel mit Mercosur. Wenn wir die Türe zuschlagen, machen sie die Chinesen auf. Braucht es eine Weiterentwicklung in Richtung Vereinigte Staaten von Europa, wie es einige fordern? „Trump ist vielleicht eine Chance“ Christoph Leitl (74) will, „dass jedem in Österreich bewusst wird, was für uns alle von einem funktionierenden Europa abhängt. Daher mein Einsatz vor den Europawahlen.“

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