CHEFINFO 6_2024 Sommer

Der Bau des Europäischen Patentamts in Wien soll Maßstäbe setzen. Nicht aufgrund der schwindelerregenden Höhe oder der außergewöhnlichen Architektur, sondern wegen seiner „inneren Werte“. Das Sanierungsprojekt gilt als Best-Practice-Beispiel für Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft. Auch energietechnisch spielt das klimapositive Gebäude, dessen Fertigstellung Ende des Jahres geplant ist, alle Stückerl. Bis auf das alte Betongerippe wurde der vierstöckige Bürokomplex aus den 1970er-Jahren entkernt – ein Vorgang, der rund 50 Prozent weniger klimaschädliche Emissionen an Kohlendioxid (CO2) gegenüber einem Neubau bedeutet. Die angefallenen Baurestmassen wurden nach dem Urban-MiningPrinzip aufbereitet und wiederverwendet. Der Recyclinganteil liegt beim PatentamtProjekt jenseits der 25 Prozent, die für eine grüne Gebäude-Zertifizierung notwendig sind. Zum Einsatz kommt auch CO2-reduzierter Beton. Dieses „intelligente Bauen“ sei die Zukunft für dekarbonisierte Städte, sagten Karl-Heinz Strauss, CEO des Baukonzerns Porr, und Berthold Kren, Geschäftsführer von Holcim Central Europe, am diesjährigen Austrian World Summit in Wien. Der Veränderungsdruck steigt Dass die börsennotierte Porr AG und der weltgrößte Zementhersteller Holcim die Weltbühne Arnold Schwarzeneggers am Wiener „Klimagipfel“ für sich nützen, ist kein Zufall. Der Bausektor ist für insgesamt 37 Prozent der Treibhausemissionen verantwortlich, ein Viertel davon fällt in der Bauphase an. Allein die Zementproduktion verursacht etwa 8 Prozent der globalen CO2-Emissionen und zählt damit zu den größten Verursachern von Treibhausgasen in der Industrie. Öffentlichkeitswirksam haben im Vorjahr vier indonesische Fischer mit tatkräftiger Hilfe von NGOs gegen Holcim eine Schadensersatzklage im Kanton Zug eingebracht, weil sie befürchten, dass ihre Insel infolge des Klimawandels und steigenden Meeresspiegels überflutet werden könnte. Veränderungsdruck kommt auch von Gesetzgebern und Shareholdern – Stichwort EU-Taxonomie. Sie ist ein zentrales Element des Green Deal der Europäischen Union für eine nachhaltige Finanzierung. Investoren helfen zu beurteilen, ob Gelder zu politischen Zielen und Verpflichtungen wie dem Pariser Abkommen zum Klimawandel beitragen und gleichzeitig bestimmte Umwelt- und Sozialstandards (ESG) einhalten. „Kein börsennotiertes Unternehmen und kein Unternehmen, das heute in der Auslage sitzt, kann es sich leisten, nicht nachhaltig zu sein“, sagt Karl-Heinz Strauss. Der zweitgrößte Baukonzern Österreichs betreibt seit Jahren eine Recyclingstrategie und ist mit dem ESG-Prime-Rating das nachhaltigste Bauunternehmen in seinen wichtigsten Märkten, betont der Spitzenmanager. In Europa gebe es neben der Porr AG nur zwei französische und ein spanisches Bauunternehmen, die in derselben Rating-Klasse spielen. Gutes Image, volle Auftragsbücher Entgegen der allgemeinen Baukonjunktur verbreitet die Porr Group, für die der Wohnbau nur eine untergeordnete Rolle spielt, gute Stimmung bei den Aktionären. Im Geschäftsjahr 2023 konnte der an der Wiener Börse gelistete Konzern beim Gewinn um 15 Prozent auf 95 Millionen Euro zulegen. Die Auftragsbücher sind mit 8,5 Milliarden Euro (+3 %) gut gefüllt. Auch beim ersten Quartalsergebnis übertraf der Vorsteuergewinn die Erwartungen. 6/2024 | CHEFINFO | 79 FINANZEN FOTOS: ATP, ASTRID KNIE, FAHRONI / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS 78 | CHEFINFO | 6/2024 FINANZEN Europäisches Patentamt in Wien als Best-Practice-Beispiel für nachhaltiges Bauen. mit grünen BAUWIRTSCHAFT. Die Baubranche zählt zu den größten Verursachern von Treibhausgasen. Mit Investitionen im großen Stil wollen sich zwei Börsen-Unternehmen mehr als bloß ein grünes Image verpassen. Die Dekarbonisierung treibt den Geschäftserfolg an. TEXT: Klaus Schobesberger Gewinne Strategien 2,8 Millionen Tonnen betrug die Recyclingmenge bei Porr im Jahr 2023. Kein börsennotiertes Unternehmen kann es sich leisten, heute nicht nachhaltig zu agieren. Karl-Heinz Strauss CEO Porr AG Ô

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