CHEFINFO 6_2024 Sommer

22 | CHEFINFO | 6/2024 COVERSTORY FOTOS: GEORG HOCHMUTH / APA / PICTUREDESK.COM, REINHARD EISENBAUER / EXPA / PICTUREDESK.COM FOTO: PROCESSONE der Verkauf von TV-Rechten und der erhöhte Gewinn bei Merchandising half, die Verbindlichkeiten, die vor einigen Jahren noch bis zu vier Milliarden betrugen, zu senken. Dennoch sind die RotBlauen der drittwertvollste Fußballverein der Welt. Mit Anlagevermögen wie dem weltberühmten Camp Nou Stadion und einem Kader der 843 Millionen Euro wert ist, ist Barca „too big to fail“. Der teuerste Klub ist übrigens Manchester United. Auch wenn die goldenen Zeiten schon etwas her sind, müsste man 5,5 Milliarden Euro auf den Tisch legen, um neuer Inhaber zu werden. Die „Red Devils“ gehören der US-Milliardärsfamilie Glazer. Sie wollte 2023 verkaufen. Doch das war selbst dem katarischen Scheich Jassim bin Hamad Al Thani zu teuer. Der britische Selfmademan Sir Jim Ratcliffe, Gründer des Chemiekonzerns Ineos, stieg dennoch mit 27,7 Prozent bei Manchester United ein. Ratcliffe besitzt auch den Schweizer Klub FC Lausanne und den französischen Erstligisten OGC Nizza. Geldmaschine Fußball Fußballvereine zu besitzen – bloßes Hobby spleeniger Superreicher? Nicht unbedingt, denn mit Fußball kann man auch gut Geld verdienen. Österreichs Serienmeister Red Bull Salzburg konnte 2023/24 zwar nicht die Meisterschaft feiern, dafür einen satten Gewinn ausweisen. Bis zum Lizenzstichtag im März 2024 verzeichnete der Klub Transfereinnahmen von 77,6 Millionen Euro, bei Ausgaben von 33,2. Salzburg besitzt eines der besten Scoutingsysteme im Profifußball. Man entdeckt und entwickelt junge Spieler, investiert in ihre Ausbildung und verkauft sie teurer. Prominentestes Beispiel: Erling Braut Haaland. Die Salzburger holten den Norweger als 18-Jährigen um acht Millionen und gaben ihn nach nur einem Jahr in der Mozartstadt um 20 Millionen an Dortmund ab. Heute ist der 23-Jährige mit 180 Millionen Euro Marktwert einer der teuersten Spieler rund um den Globus. Auch Bayern München zählt zu den Besten, wenn es um den wirtschaftlichen Erfolg geht. In den letzten fünf Jahren lag das EBITDA immer über 80 Millionen Euro. Nicht wenige Vereine sind an der Börse notiert, unter anderem Ajax Amsterdam, Juventus Turin, FC Porto, Celtic Glasgow, ja sogar die Spielvereinigung Unterhaching aus der dritten deutschen Liga. Tradition und Marke als Aktie Auch in Steyr versucht man, in kleinerem Maßstab, Ähnliches, um die Finanzierung des neuen Stadions zu gewährleisten. Zwei Drittel wurden dem Klub von der Stadt Steyr und vom Land OÖ zugesichert, ein Drittel muss der Verein selbst aufbringen. Das soll über ein innovatives Modell möglich gemacht werden. „Wir geben die Marke Vorwärts Steyr in eine AG. Die Investoren kaufen dem Verein für einige Jahre die Markenrechte ab. Das Geld investieren wir in einen neuen Stadiontrakt.“ Schon ab 1.000 Euro kann man so Mitinhaber der Traditionsmarke werden. Die 6/2024 | CHEFINFO | 23 CHEFINFO: Was kann man aus der Fußballwelt für die Wirtschaftswelt lernen? Lukas Kragl: Fußball ist eine perfekte Schule fürs Leben. Man arbeitet mit den verschiedensten Charakteren zusammen. Man muss den Zeugwart richtig packen, um mit ihm gut auszukommen, mit der Physiotherapeutin, dem Präsidenten, den Trainern und vor allem den unterschiedlichsten Spielern. Man lernt den Umgang mit anderen Sprachen und Kulturen. Ich hatte Mitspieler aus Spanien, Italien, Afrika, Brasilien und anderen Regionen. Man nimmt sich aus jeder Kultur das Positive für sich heraus. So wie jedes Unternehmen eine andere Kultur hat, so unterschiedlich ist auch die Vereinskultur. Im Fußball, wie in der Wirtschaft, braucht es einen kreativen Freiraum und man muss gleichzeitig als Team funktionieren. Außerdem sind in den Klubs viele Alphatiere unterwegs und man lernt, wie man mit ihnen richtig umgeht. Dazu kommen Disziplin, Zielstrebigkeit, Struktur und eine intrinsische Motivation. Sportler wollen weiterkommen, egal in welcher Sportart, egal ob im Spitzen- oder Breitensport. Dieses Mindset tragen sie auch in ihren Beruf hinein. Oft werden Fußballer belächelt. Sie werden nicht gerade mit Raketenwissenschaftlern gleichgesetzt. Dabei ist es in ihrer DNA, dass sie sich weiterentwickeln wollen. In meinen beruflichen Stationen war immer Führungsqualität gefragt. Die Firmen sahen, dass ich aus dem Spitzensport komme, und erkannten die Chance dahinter. Was ist der gravierendste Unterschied zwischen dem Profifußball und dem Unternehmertum? Kragl: Die Fußballwelt dreht sich um ein Hauseck schneller als die Wirtschaftswelt. Jede Saison ist wie ein Neustart. Wie ist die finanzielle und wirtschaftliche Lage im Verein? Dazu kommen Faktoren, die man nicht beeinflussen kann. Fußballvereine brauchen ein anderes Krisenmanagement. Ein Verein muss schon gut aufgestellt sein, wenn jeder gut schlafen will. Der Druck auf Spieler und Funktionäre ist enorm. Zurücklehnen und sich ausrasten geht fast nicht. Jedes Jahr kämpfen viele Klubs um den Auf- und Abstieg und damit indirekt auch ums Überleben. Die Wirtschaftswelt ist da um einiges berechenbarer. Sie zeigen mit ProcessONE Unternehmen Chancen und Potenziale der Digitalisierung und von KI auf. Der Fußball hat sich in den letzten Jahren extrem digitalisiert. Sind da die Klubs vielleicht sogar weiter als die Unternehmen? Kragl: Das würde ich zu 100 Prozent unterschreiben. Der Fußball ist tatsächlich digitaler als ein Großteil der Unternehmen. Jeder Spieler hat einen Tracker, der Daten sammelt und so alles sichtbar macht. Ein Unternehmen hat keine Heat Maps. Damit kann sich jeder Spieler ein paar Minuten nach dem Match auf Knopfdruck seine Daten am Handy ansehen. Die Heat Map zeigt, wo sich ein Spieler bewegt. Ich kann mir Laufwege, Abschlüsse, Flanken und Zweikämpfe ansehen und so das Spiel optimieren. Schon im Unterhaus gibt es KI-Kameras, die automatisch den Ball erkennen und ihm folgen. Damit kann man selbst unterklassige Partien aufzeichnen und sogar streamen. Am nächsten Tag gibt es schon die Videoanalyse. Schon in der 5. und sogar in der 6. Liga wird heute mit Hüfttracker und Pulsuhr trainiert. SPIELER ALS UNTERNEHMER. Der ehemalige Bundesliga-Profi Lukas Kragl gründete das Startup ProcessONE. Er verrät, was er aus der Fußballwelt mitnahm und wie es um die Digitalisierung von Klubs steht. „Fußballklubs sind digitaler als viele Unternehmen“ Die Fußballwelt dreht sich um ein Hauseck schneller als die Wirtschaftswelt. Jede Saison ist wie ein Neustart. Lukas Kragl Ex-Profifußballer, Startup-Gründer Das strenge Lizenzverfahren soll Fälle wie jenen des SV Mattersburg – die Abhängigkeit von Präsident Martin Puchers gecrashter Commercialbank war zu groß – verhindern. Als Mittelstürmer ging Lukas Kragl unter anderem für den LASK auf Torjagd. Heute ist er Startup-Gründer und profitiert auch als Businessman von seinen Kicker-Genen. COVERSTORY Ô

RkJQdWJsaXNoZXIy NzkxMTU1