CHEFINFO 05_2024 Juni

FAMILIENBETRIEBE FAMILIENBETRIEBE 5/2024 | CHEFINFO | 19 18 | CHEFINFO | 5/2024 FOTOS: HERMANN WAKOLBINGER, KURZWAREN ALTMANN ahlreiche Revolutionen musste die Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten erdulden. Die industrielle Revolution führte zum Übergang von einer Agrar- zu einer Industriegesellschaft. Die Erfindung der Elektrizität machte die Nacht zum Tag und steigerte die Effizienz in vielen Branchen. Und auch die Globalisierung, die Erfindung des Internets und neuerdings die künstliche Intelligenz gestalten nach wie vor die wirtschaftliche Landschaft. Der Fortschritt geht über Leichen, Branchen wurden obsolet und Geschäfte verschwanden aus unseren Städten. Doch manche Betriebe, die von unbeugsamen Unternehmern geführt werden, trotzen den Zeichen der Zeit – und sind noch dazu sehr erfolgreich dabei. Lange Tradition Ein Unternehmen, welches die Umwälzungen der Vergangenheit überdauerte, ist die Blaudruckerei Wagner in Bad Leonfelden. Bereits im Jahr 1878 gründete Karl Wagner den Betrieb. Gelernt hatte er den Beruf in Hohenfurth, heute besser bekannt unter dem tschechischen Namen Vyšší Brod. Anschließend ging er für neun Jahre auf Wanderschaft, die ihn unter anderem nach Rügen, an den Rhein und in die Schweiz brachte. Aus dem Jahr 1832 wissen wir, dass es allein im Mühlviertel 17 Färberbetriebe gab, die zum Teil auch den Blaudruck praktizierten. Heute ist das freilich ganz anders. In ganz Österreich finden sich nur noch zwei Familien, die den Blaudruck beherrschen. Die Blaudruckerei in Bad Leonfelden befindet sich heute in den Händen der vierten Generation. Maria Wagner übernahm gemeinsam mit ihrem Mann vor 26 Jahren den Betrieb von ihrem Schwiegervater. „Damals war das Geschäft beschaulich“, erzählt Wagner, „aber mit viel Aufwand haben wir es wieder in Schwung gebracht.“ Blau machen Der Blaudruck ist recht aufwendig und zeitintensiv. Dabei wird eine farbabweisende Substanz auf Modeln angebracht, eine sogenannte Papp, deren Rezeptur ein streng gehütetes Geheimnis der Familie ist. „Die Modeln sind so etwas wie unser Familiensilber“, erklärt Wagner, „wir gehen davon aus, dass manche davon bereits an die 200 Jahre alt sind.“ Ist der Papp eingetrocknet, wird der Stoff mehrmals in die Indigofarbe getaucht. Nach einer zweiwöchigen Trocknungszeit entfernt man den Papp und das weiße Muster kommt zum Vorschein. Trachten-Renaissance Ein Faktor, der dem Blaudruck in den letzten Jahren wieder Aufwind verlieh, war das Revival der Trachtenkleidung. Durch die erhöhte Popularität der traditionellen alpenländischen Gewandung stieg auch die Nachfrage nach Textilien mit Blaudruck. Dazu kommt, dass der Konsument von heute Kaufentscheidungen, vor allem im Textilbereich, wieder bewusster fällt. Regionalität und Qualität sind wichtiger als noch vor ein paar Jahrzehnten. „Es gibt viele Menschen, die das Handwerk und die hochwertigen Materialien schätzen“, sagt Wagner, „wir haben natürlich höhere Preise, aber manche Menschen wollen auch nicht mehr so viele Kleidungsstücke kaufen.“ Man erreicht dabei auch Menschen außerhalb der Region: „Bei den Trachten landen unsere Stoffe in ganz Österreich.“ Blick in die Zukunft Vor 26 Jahren, als Maria und Karl Wagner den Betrieb übernahmen, wurde auch ihr Sohn Felix Karl geboren. Mittlerweile arbeitet er auch im Unternehmen seiner Mutter. Diese hofft, dass ihr Handwerksbetrieb so erhalten bleiben kann. „Wenn wir aufhören, ist wieder ein Handwerksbetrieb weniger“, sagt sie, „aber es geht halt nur, wenn man das Produkt auch verkaufen kann.“ Sie weiß, dass der Blaudruck in den letzten Jahren einen Aufschwung erlebt hat, aber sie blickt auch weiterhin optimistisch in die Zukunft. „Vergrößern werden wir uns allerdings nicht. Es gibt viele Unternehmen, die machen ihren Weg mit der Masse. Aber das ist nicht das, was ich möchte. Wir haben ein Nischenprodukt, und ich glaube, so sollte es auch bleiben.“ Zigtausend Produkte Daniela Schwarz, Inhaberin der Linzer Institution „Kurzwaren Altmann“, hat nicht nur einen textilen Bezug zur Blaudruckerei. Sie lebt in Bad Leonfelden und ist faktisch Nachbarin der Wagners. Und sie ist ebenfalls in vierter Generation tätig, wenngleich nicht verwandtschaftlich. „1921 legte Ferdinand Altmann Senior, ein Schneider, den Grundstein. Sein Sohn, ebenfalls Ferdinand, machte daraus ein Kurzwarengeschäft“, so Schwarz. Ferdinand Junior blieb kinderlos, weshalb er das Geschäft per Leibrente an Ingeborg Gerstl verkaufte. Gerstl war eine „Institution in der Institution“. Sie blieb bis zu ihrem 86. Lebensjahr, bis 2018, Inhaberin. Daniela Schwarz lernte in Gerstls Ära den Beruf von der Pike auf. Die 42-Jährige verließ jedoch die Branche, bis sie 2017 von Gerstl zur Rückkehr bewegt wurde. „Eineinhalb Jahre später war ich Inhaberin und habe ihr das Geschäft abgekauft.“ Gemeinsam mit ihrer Kollegin, die seit 40 Jahren im Traditionsgeschäft tätig ist, sind die beiden Frauen Herrscherinnen über unzählbare Artikel. Wie viele es genau sind, weiß nicht einmal Daniela Schwarz: „Wir haben Zigtausende Knöpfe und Bänder. Gott sei Dank brauchen wir kein Warenwirtschaftssystem, wo wir die Artikel alle eingeben müssen.“ Maria Wagner führt ihre Blaudruckerei bereits in der vierten Generation. Ihr Sohn Felix arbeitet ebenfalls in dem elterlichen Betrieb mit. Wir haben ein Nischenprodukt, und ich glaube, so sollte es auch bleiben. Maria Wagner Inhaberin Blaudruckerei Wagner Daniela Schwarz ist Herrscherin über Tausende Knöpfe, Bänder, Reißverschlüsse und Nähgarne. Sie ist Inhaberin des 1921 gegründeten Kurzwarengeschäfts Altmann in Linz. Ô Wenn man in Linz 100 Menschen fragt, können 70 sagen, wo der Altmann ist. Daniela Schwarz Inhaberin Kurzwaren Altmann

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