Startup Chefinfo Magazin 3-23

Immer mehr Paare wenden sich an Kinderwunschkliniken. Etwa an das Kinderwunschzentrum von Prof. Thomas Ebner am Linzer Kepler Universitätsklinikum, einem absoluten Experten auf diesem Gebiet. Ebner wiederum kennt Markus Manz, Geschäftsführer des SCCH in Hagenberg, und so schloss sich ein Kreis von künstlicher Befruchtung zu künstlicher Intelligenz. „Prof. Ebner hat mich gefragt, ob man mithilfe von KI Synergien heben könnte“, so Manz. Man kann: Bei der künstlichen Befruchtung müssen Ärzte und Embryologen anhand von Lichtmikroskopie die Qualität der Blastozyste, die gerade einmal einen Millimeter misst, beurteilen. Das Blastozystenstadium ist das Stadium vor der Einnistung – bei der künstlichen Befruchtung vor dem Einsetzen – in die Gebärmutter. Diese Qualifizierung passiert nach einem internationalen Standard, der Gardner Klassifizierung. „Da es Bilder von diesem Prozess gibt, konnten wir unsere KI, die wir BirthAI genannt haben, zur Beurteilung einsetzen. Schon bei den ersten 600 Bildern war die KI in allen Werten so gut wie die Embryologen.“ KÜNSTLICH INTELLIGENTE BEFRUCHTUNG Der Vorteil liegt klar auf der Hand: KI reagiert sehr schnell und funktioniert konsistent. „Die KI untersucht, wie die Spezialisten auch, drei Kriterien und wir können anhand einer Heatmap nachvollziehen, wo die KI hinsieht. Diese drei Kriterien sind der Grad der Ausdehnung der Blastozyste, die Qualität der inneren Zellmasse und die Qualität der äußeren Zellschicht. Die KI kann damit Ärzte bei der Beurteilung unterstützen.“ Je mehr Bilder BirthAI zur Beurteilung bekommt, desto besser werden die Ergebnisse. In einer Kurzstudie mit zwölf Kliniken wurde die hohe Qualität der KI bestätigt. Das SCCH rollte seine Innovation auf zwölf weitere Kliniken aus. Die Ergebnisse waren jedes Mal mindestens so gut wie die der Experten. „BirthAI kann jeden Embryologen extrem entlasten. Es ist ein Assistenzsystem. Man hat damit immer eine zweite Meinung und unsere KI kann nicht müde werden.“ Denn die Zahl der künstlichen Befruchtungen nimmt weltweit stetig zu, auch weil die Qualität der Spermien global messbar abnimmt und das Durchschnittsalter von erstgebärenden Müttern von 23,4 Jahren (1973) auf mittlerweile 31,2 Jahren stieg. Immer öfter „klappt“ es auf natürlichemWege, nicht mehr Kinder zu zeugen. „Wir automatisieren mit BirthAI ein Weltproblem“, so Manz. RIESIGES POTENZIAL BirthAI ist ein Medizinprodukt und wird aus dem Spin-off des SCCH schon bald zu einem Unternehmen werden. „Das müssen wir gründen, um die nötigen Zertifizierungen zu erhalten und das Produkt auf den Markt bringen zu können.“ Als man vor etwas mehr als einem Jahr damit begann, waren die Forscher des SCCH weltweit die Ersten. Mittlerweile gibt es zwei weitere Produkte aus Israel und einige weitere, die an einer Produktentwicklung arbeiten. „Ich finde das gar nicht so schlecht, weil wir damit wissen, dass es weltweit einen Marktwert hat.“ Der Mitbewerber hat bereits über 20 Millionen US-Dollar an Kapital eingesammelt. BirthAI soll dabei einiges mehr können und schon selbst bald auf Investorensuche sein. Das Potenzial ist enorm: Hunderte Millionen von Zyklen pro Jahr müssen bewertet werden, und das kostet viel Geld. „Mit BirthAI beschleunigen wir diesen Prozess.“ Mit den Forschungsergebnissen im Gepäck will das SCCH weiter dranbleiben. „Wir wollen wissen, ob wir über Big Data und explorative Data Science Faktoren finden, welche Aussagen über die Wahrscheinlichkeit einer Geburt geben können.“ CHEFINFO SPEZIAL | 35 STARTUP FOTOS: SCCH, LUISMMOLINA / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS 34 | CHEFINFO SPEZIAL STARTUP FOTOS: BERGARDI Schon bei den ersten 600 Bildern war die KI in allen Werten so gut wie die Embryologen. MARKUS MANZ Geschäftsführer SCCH BERGARDI: EIN STARTUP MIT RUCKGRAT Die Werkstatt des Produktentwicklers Walter Schindlegger war der Ausgangspunkt eines Startups, das sich einem der quälendsten Probleme unserer modernen Gesellschaft widmet – Rücken- und Bandscheibenproblemen. 80 Prozent der Mitteleuropäer leiden zumindest einmal in ihrem Leben daran. Der „Pain“ ist daher wortwörtlich zu nehmen, vor allem als Schindleggers Bruder einen Bandscheibenvorfall erlitt. „Das entfaltete in ihm einen unbändigen Willen, um an einem neuartigen aktiv-dynamischen Stuhl zu arbeiten“, schildert Thomas Riegler, Co-Gründer von Bergardi. Walter Schindlegger schien dazu berufen. Er hatte bereits 20 Patente in der Tasche und arbeitete lange bei einem Autositzhersteller, wo er Lordosenstützen konstruierte. Also Schritt er zur Tat und hinterfragte alle existierenden Sitzkonzepte, zerlegte aktiv-dynamische Stühle und überlegte, wie Bewegungen verlaufen müssen, um eine stabile Haltung für den Oberkörper zu ermöglichen. 50 PROTOTYPEN BIS ZUM DURCHBRUCH Unterstützt wurde er vom Maschinenbautechniker und Wirtschaftsinformatiker Markus Franz Riegler und demMarketingmanager Thomas Riegler, die zu den drei Gründern von Bergardi wurden. „Markus Franz-Riegler hat ein Auge für technische Details und weiß sofort, ob eine Entwicklung einen gesellschaftlichen Nutzen hat.“ Thomas Riegler ist schon seit 2019 in der Startup-Branche, liebt Innovationen und ist für den Markenaufbau zuständig. 50 Prototypen waren nötig, bis der Durchbruch gelang. TRAINING IM SITZEN Was kann ein Bergardi-Stuhl nun besser? „Im Vergleich zu anderen aktivdynamischen Stühlen findet auf einem Bergardi-Stuhl kein Sitzballeffekt statt. Das bedeutet, dass die Bewegung immer zur Mittelstellung ausgeglichen ist und die Wirbelsäule gleichmäßig belastet wird. Bergardi hat die ersten Stühle entwickelt, die sowohl eine freie Beweglichkeit des Beckens als auch eine stabile Körperhaltung gewähren. So wird es möglich, ungestört während der Arbeit die Tiefenmuskulatur zu trainieren und die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten.“ Das Sitzen auf einem Bergardi-Stuhl kann daher präventiv wirken. „Unsere Vision ist, dass keine Rücken- und Bandscheibenprobleme mehr durch langes Sitzen entstehen müssen.“ POSITIVER EFFEKT IN STUDIE ERWIESEN In der Entwicklungsphase „setzte“ man auf Beta-Tester. 73 solcher Tester nahmen von Juni 2021 bis Februar 2022 daran teil. „Wir waren erstaunt, als 82 Prozent unserer Beta-Tester positive gesundheitliche Effekte verspürt haben.“ Nach der erfolgreichen Beta-Testphase ist die FH Gesundheitsberufe OÖ auf Bergardi aufmerksam geworden und hat vorgeschlagen, eine unabhängige klinische Untersuchung bei Rückenleidenden durchzuführen. „Bei den Teilnehmern werden die Effekte auf die Schmerzentwicklung und die allgemeine Müdigkeit gemessen. Diese Studie ist international eingetragen und hat bei Antrag ein Ethikvotum durchlaufen. Somit ist es eine der aussagekräftigsten Studien im aktiv-dynamischen Sitzmöbelsegment der letzten Jahre.“ Dazu konnte Bernhard Schwartz, einer der renommiertesten Ergonomieforscher Österreichs, gewonnen werden. Gewinnen will Bergardi auch Investoren, denn man hat eine klare Vision: „Ziel der nächsten Jahre ist es, sich im DACHRaum als Nummer eins des aktiv-dynamischen Sitzmöbelsegments positionieren zu können“, so Geschäftsführer Markus Franz Riegler. Produktentwickler Walter Schindlegger zerlegte unzählige aktiv-dynamische Stühle, bis er zum ultimativen Durchbruch kam. 50 Prototypen waren dafür nötig. UNSERE VISION IST, DASS KEINE RÜCKEN- UND BANDSCHEIBENPROBLEME MEHR DURCH LANGES SITZEN ENTSTEHEN MÜSSEN. Thomas Riegler Mitgründer Bergardi BIRTHAI: „ WIR AUTOMATISIEREN EIN WELTPROBLEM“ Blastozysten sind 150 bis 200 µ groß (in etwa 0,2 mm), bevor sie bei der künstlichen Befruchtung in die Gebärmutter eingesetzt und umfangreichen Tests unterzogen werden. KI unterstützt dabei. Markus Franz Riegler, Walter Schindlegger und Thomas Riegler wollen der Zivilisationskrankheit Nummer eins mit ihren aktivdynamischen Sitzmöbeln den Garaus machen.

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