Chefinfo Magazin 2-23 - Living

CHEFINFO LIVING | 77 BAUEN&IMMOBILIEN 76 | CHEFINFO LIVING FOTOS: RFM-ARCHITEKTEN /RUPERT STEINER, ASBN Ein Strohballenhaus? Was zunächst wie eine Spinnerei einiger Ökobewegten klingt, findet im deutschsprachigen Raum steigenden Zuspruch. Freilich sind die Zahlen gegenüber konventionellen Bauten noch bescheiden – in Österreich werden jährlich etwa 50 Objekte in Strohballentechnik errichtet. Dennoch poppen in Medien immer häufiger Berichte über diese vor mehr als hundert Jahren in den USA erfundene Bauweise auf. Den „Superstoff vom Feld“ nennt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ den nachhaltigen Baustoff, der vor allem für seine guten wärmedämmenden Eigenschaften bekannt ist. Wer mit Stroh baut, muss seine Wände nicht zusätzlich gegen Wärmeverluste dämmen. Aber Stroh kann mehr. Als landwirtschaftliches Nebenprodukt ist das Material leicht zugänglich und kostengünstig. Es muss als nachwachsender Rohstoff nicht produziert werden, was sich gut auf die Ökobilanz des Gebäudes auswirkt. Verwendet wird zertifiziertes Baustroh, das eine bestimmte Qualität aufweisen muss und von Maschinen zu Ballen oder Modulen gepresst wird. Dank seiner festen und hohen Konsistenz ist Baustroh ein guter Putzträger und es lassen sich sogar selbsttragende Wände daraus bauen. Bei dieser lasttragenden Bauweise übernehmen die Strohballen eine statische Funktion. In den meisten Fällen kommt jedoch Holzständerbauweise zum Einsatz, bei der Strohballen in ein Gerüst aus Holz eingesetzt werden. Das funktioniert auch für mehrere Geschoße. In der Schweiz zum Beispiel wurde mit dem Maya Boutique Hotel 2013 das erste Strohballen-Hotel Europas errichtet. NACHHALTIG LEBEN: DIE ANFÄNGE Wer sich mit Strohbau beschäftigt, kommt am ASBN – austrian strawbale network (Österreichisches Netzwerk für Strohballenbau) kaum vorbei. ASBN-Obmann Herbert Gruber kennt die Entwicklung von den Anfängen an, die in Österreich bis in die 1990er-Jahre zurückreichen. Der gelernte Grafiker und Marketingfachmann war damals Herausgeber eines Ökomagazins und machte sich mit Herbert Gruber Obmann ASBN – austrian strawbale network „DIE AKZEPTANZ IST HÖHER UND DIE NACHFRAGE NACH STROHBALLENHÄUSERN IST GRÖSSER, ALS GEBAUT WERDEN KANN.“ BUNGALOW. Dieses Strohhaus bei Wien wurde von Räume für Menschen_Architektur geplant und mit Baubeteiligung der Bauherren in CUT-Technik (Cells under Tension) errichtet – ein Zusammenspiel von aussteifenden Strohballen und minimierten Holzquerschnitten. demÖsterreichischen Institut für Baubiologie und Ökologie daran, eine Art kleine Welt zu skizzieren, in der man nachhaltig leben kann. „Das war gar nicht so leicht, es gab noch kein Internet und man war schnell in einer ÖkoSpinner-Ecke.“ In Gars am Kamp kam Gruber erstmals mit einem Strohballenhaus in Berührung, und zwar in Form eines temporären Kunstwerks im Wald, „weil das Bauen mit Stroh damals noch nicht zugelassen war“. Das Thema ließ ihn nicht los. Mit Baubiologiefreunden sammelten sie Informationen und wurden im Landwirtschaftsministerium vorstellig, wo sie den Auftrag für eine Studie erhielten. Der Ökopionier baute um die Jahrtausendwende die ersten Häuser aus Strohballen, gründete ein Unternehmen und schrieb Bücher. „Aufgrund dieser Aktivitäten schlug die Technische Universität Wien ein gemeinsames Forschungsprojekt vor. Das war die Geburtsstunde von ASBN und die Basis dafür, Stroh als nachwachsenden Baustoff zu testen und die bauphysikalischen Grundlagen zu leben“, sagt Gruber. PARALLELEN ZUM HOLZBAU Was ist seither in den mehr als 20 Jahren passiert? Hinzugekommen sind vor allem die Langzeiterfahrungen der Strohballenbauweise und die zunehmende Akzeptanz in der Bevölkerung. „Das älteste Strohballenhaus ist 100 Jahre alt. Es ist belegbar, dass der Baustoff Stroh beständig ist und so gut dämmt wie Schafwolle. Verändert haben sich auch die Arbeitsbedingungen. Es wird mehr mit Maschinen vorgefertigt, weniger vor Ort gebaut“, sagt Gruber. In fast jedem europäischen Land gebe es Unternehmen für Fertigsysteme, bei denen man Module kaufen und relativ schnell Häuser bauen kann – auch im urbanen Bereich. Gruber sieht beim Stroh Parallelen zum Holz. Es habe lange gedauert, bis der Holzbau akzeptiert wurde, und es brauchte viele Player wie die Holzforschung Austria oder proHolz, die diesen Baustoff durch Aufklärung akzeptierbar gemacht haben. Aufgrund der zunehmenden Sensibilisierung durch Klima- und Umweltthemen seien Strohballenhäuser heute etwas „Cooles“. „Die Akzeptanz ist heute deutlich höher und die Nachfrage nach Strohballenhäusern ist größer, als gebaut werden kann.“ SELBSTBAUBETEILIGUNG MACHT ES GÜNSTIGER Stroh ist der günstigste Baustoff und Dämmstoff am Markt, mit dem man schnell BAUEN&IMMOBILIEN AUFBAU. Die Holzständerbauweise wird bevorzugt verwendet. Dabei werden Strohballen in ein Gerüst aus Holz eingesetzt. Das verwendete Stroh muss zertifiziertes Baustroh sein. Ô

RkJQdWJsaXNoZXIy NzkxMTU1