9/2023 | CHEFINFO | 75 74 | CHEFINFO | 9/2023 Das Salz in der Suppe jedes Unternehmens sind die eigenen Lehrlinge. Sie machen unabhängiger vom externen Fachkräftemarkt, haben spezifisches Wissen und damit auch alle Aufstiegschancen. Doch wird es immer schwieriger, Lehrlinge zu finden und – wenn man sie findet – zu binden. Die Salinen Austria AG mit Sitz in Ebensee und das WIFI FIT gingen daher neue Wege und fanden einen ganzheitlichen Ansatz. In einem dreitägigen Training unter dem Motto „Kommunikation – ein erfolgreiches Miteinander“ wurden Lehrlinge, Ausbildner und Eltern in ein Boot geholt. „Am Anfang war das für die Eltern überraschend. Sie fragten sich: Was passiert denn da?“, schildert Dieter Loidl, Leiter der Personalabteilung der Salinen. Es passierte die Einbeziehung der wichtigsten Bezugspersonen von Lehrlingen. Das Ziel: „Ein gegenseitiges Verständnis am Ausbildungsweg zu generieren. Nur ein Perspektivenwechsel gibt uns dieses Verständnis mancher am ersten Blick nicht nachvollziehbaren Reaktion des Gegenübers“, so Günter Znidersic, Produktmanager am WIFI FIT. Lehrlinge führen Eltern Am ersten Seminartag wurden am Vormittag die Ausbildner und Führungskräfte auf den neuesten Stand gebracht. Themen wie: Lebensphasen und deren Einfluss, Erwartungen der Lehrlinge, woher kommen Stimmungsschwankungen und wo und wie man als Ausbildner disziplinär eingreifen soll, wurden diskutiert. Am Nachmittag waren die Eltern an der Reihe, die mit einer Werksführung durch ihre eigenen Kids überrascht wurden. Auch die Erziehungsberechtigten bekamen Einblicke in die Seelenwelt ihrer Kinder sowie Informationen zu weiteren Karrierewegen. In all diesen Programmpunkten ging es um Kommunikation – Kommunikation zwischen Generationen, die scheinbar verschiedene Sprachen sprechen. „Das ist mehr denn je das Hauptthema. Wie kommunizieren wir miteinander und wie versteht man sein Gegenüber“, so Trainer Martin Steinbichler. Pubertät: Ein Problem der Eltern? Lehrlinge stecken in der Pubertät und daher mitten in einem Loslösungsprozess. Steinbichler stellt dabei das PubertätsDie Salinen setzen auf allen Standorten – im Bild Ebensee – auf eigene Lehrlingsausbildung und gehen dabei neue Wege. Die Quadratur des Dreiecks LEHRLINGSAUSBILDUNG. Der eigene Facharbeiternachwuchs wird immer mehr zur Zukunftsfrage von Unternehmen. Die Salinen Austria AG beschritt gemeinsam mit WIFI FIT einen ungewöhnlichen Weg, der zu allgemeiner „Euphorie“ und zu einigen echten Überraschungen führte. thema auf den Kopf: „Es gibt einen Spruch: ,Pubertät ist, wenn die Eltern schwierig werden.‘ Das Loslassen der Kinder ist die Schwierigkeit der Eltern. Es geht darum, ihnen nahezulegen, dass sie ihre Kinder in ihr eigenes Leben entlassen.“ Dieses Loslassen hat enorme Auswirkungen auf die Arbeitswelt. „Eltern und Ausbildner dürfen nicht auf ihre eigene Lehr- und Ausbildungszeit rückschließen, weil die Rahmenbedingungen damals ganz andere waren.“ Dieses Verständnis zeigte schon bald erste Früchte: „Es war wie ein Ritterschlag, als Lehrlinge auf mich zukamen und sagten: ,Wegen dir muss ich jetzt die Wäsche selber waschen‘“, schmunzelt Steinbichler. Diskussion ist Wachstum Doch auch die Ausbildner wurden in die Pflicht genommen. „Unsere Ausbildner sind auf dem neuesten Stand, und das ist wichtig, denn wir verändern uns alle“, so Loidl. „Wir machen viele Lehrlingstrainings. Sie sind oft zwei Tage bei uns am WIFI und kommen wieder zurück in die Firma. Wenn in der Firma aber niemand weiß, was in dem Seminar passiert ist, gibt es ein Verständnisproblem. Deshalb müssen auch die Ausbildner miteinbezogen werden, sonst verpufft der Effekt“, so Znidersic. Martin Steinbichler sprach daher auch mit den Verantwortlichen: „Ich habe die Ausbildner gefragt, was ist eure Aufgabe und was erwartet der Lehrling von euch? Danach haben wir den Spieß umgedreht. Die Lehrlinge haben aufgezeigt, was gut funktioniert und was sie vermissen. Dieses Spiegeln ist sehr wertvoll für die Personalabteilung.“ Was Lehrlinge schon immer übers Geld wissen wollten Der zweite und dritte Tag war schließlich ganz den Lehrlingen gewidmet, Lehrlinge von allen Standorten und aus allen Lehrjahren. Gestartet wurde mit einem vierstündigen Outdoorprogramm – Paddle-Tennis. Danach ging es in den Seminarteil, den die Lehrlinge aktiv mitgestalten konnten. Aus 14 Themen durften sie sich drei aussuchen. Den Top Drei wurde besonders viel Zeit eingeräumt. Steinbichler: „Ich war total überrascht, dass das am meisten gewünschte das Thema Geld war, und wie wenig die Lehrlinge über Geld Bescheid wissen. Sie waren daher Feuer und Flamme.“ An zweiter Stelle folgte Resilienz. „Wenn sie Themen auswählen, die sie selber wollen, ist die Mitarbeit eine ganz andere.“ Gen Z geht mit Veränderungen besser um Und noch eine überraschende Entdeckung machte Steinbichler: Digitalisierung ist weit weniger Thema, als man vermuten würde. Die Erklärung: „Weil sie da fit sind. Die Generation, die jetzt kommt, wuchs bereits mit dem Smartphone auf. Sie starren auch nicht permanent hinein, sondern sind wieder viel präsenter und sind höchst diszipliniert. In diesem Fall können sogar Ausbildner etwas von den Lehrlingen lernen.“ Der Umgang mit Konflikten, Kommunikation und Eigenwahrnehmung bis hin zum Mobbing stand ebenso auf der Tagesordnung. Themen, die es in dieser Form vor einigen Jahre so nicht gab. „Die Veränderungen werden immer schneller. Junge Menschen werden dadurch mehr gefordert, sind es aber gewöhnt. Sie haben daher viel weniger Probleme mit Veränderungen als andere Generationen“, bricht Steinbichler eine Lanze für die „Gen Z“. Keine Befehlsempfänger Personalchef Loidl zieht zufrieden Bilanz: „Wir müssen mit den Lehrlingen von heute mehr tun und ihnen mehr anbieten, dann werden wir auch weiterhin Erfolg mit unserem Fachkräftenachwuchs haben. Die aktuelle Generation will auf Augenhöhe diskutieren. Jugendliche hinterfragen gewisse Dinge, und das ist genau das, was die gesamte Gesellschaft braucht. Wir wollen keine Befehlsempfänger heranbilden, sondern Lehrlinge, die im Leben stehen.“ Das gelang mit dem neuen Ansatz perfekt: „Die Resonanz war von allen Seiten positiv, die Stimmung regelrecht euphorisch.“ Lehrlinge, Eltern und Ausbildner sitzen in einem Boot, deshalb wurden beim Salinen-Lehrlingstraining auch alle ins Boot geholt. Die aktuelle Generation will auf Augenhöhe diskutieren. Wir wollen keine Befehlsempfänger heranbilden, sondern Lehrlinge, die im Leben stehen. Dieter Loidl Leiter Personal, Salinen AG Günter Znidersic Produktmanager WIFI FIT Nur ein Perspektivenwechsel gibt uns dieses Verständnis mancher am ersten Blick nicht nachvollziehbaren Reaktion des Gegenübers. ANZEIGE FOTOS: ANDI BRUCKNER, MONIKA LOEFF
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