Chefinfo Magazin 8-23

Wunsch nach Selbstständigkeit, Ungebundenheit und neuen Herausforderungen führte sie mit 24 Jahren als Assistentin zur US-Investmentbank Merrill Lynch, wo sie sich ihre ersten Sporen in der Bankenwelt verdient hat. Die größte Hürde damals für sie: als Frau in dieser Männerwelt der Finanzdienstleister überhaupt ernst genommen zu werden. Abgebracht hat sie das von ihrem Weg nicht, im Gegenteil – es war ein Ansporn. Die nächsten Stationen waren die deutsche Privatbank Sal. Oppenheim und Bank Hottinger, wo sie mit 36 Jahren in den Vorstand eingezogen ist. Richter sieht sich als „Leitwölfin“, die das Tempo vorgibt – das gilt auch in ihrer neuen Funktion als oberste Private Bankerin der Zürcher Kantonalbank, wo der langfristige Vermögenszuwachs der Kunden im Vordergrund steht. Frauenkarrieren: Alles, was Recht ist Aus Rückschlägen lernen und nicht aufgeben, ist auch das Motto von Sigrid Burkowski, die wie Silvia Richter Anfang Juli mit Vorstands-Agenden betraut wurde – und zwar in der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. Burkowskis Metier ist nicht das Private Banking, sondern das Recht. Die ausgewiesene Expertin in den Bereichen Compliance und Geldwäschebekämpfung ist ein gutes Beispiel dafür, wie Frauen mit Fachwissen und Beharrlichkeit in ihrer Karriere punkten können. In kaum einem anderen Bereich – mit Ausnahme der IT und Digitalisierung – hat es derart große Veränderungen im Bankgeschäft gegeben. Als Burkowski 1996 in der RLB OÖ startete, brachte der europäische Regulator gerade das erste Wertpapieraufsichtsgesetz heraus. Heute füllen die Regularien und Verordnungen ein ganzes Zimmer. Nach der Jahrtausendwende flatterten die ersten Geldwäscheregelungen ins Haus. Banken übernehmen staatliche Aufgaben, die mit ihrem Kerngeschäft nichts mehr zu tun haben. „Wir nehmen viele öffentliche Leistungen inzwischen umsonst wahr“, sagt Burkowski. Banken sitzen an den Konten, kennen die Zahlungsströme, screenen Kunden nach auffälligen Geldbewegungen. Im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine mussten Banken innerhalb kürzester Zeit elf Sanktionspakete der EU umsetzen. Ein neuer Themenbereich ist die Nachhaltigkeit. Getrieben durch den Green Deal der EU erhalten Banken als Intermediäre eine besondere Rolle in dieser Transformation. Etwa im Bereich der Finanzierungen vor dem Hintergrund der Klimakrise. „Wir müssen künftig bei unseren Krediten sehr viel stärker mögliche Naturkatastrophen berücksichtigen als bisher“, sagt Burkowski. Mit ihrem Aufstieg wurde der Frauenanteil im Vorstand der RLB OÖ verdoppelt. „Es hat sich in den letzten Jahren einiges getan und in vielen Branchen ist eindeutig ein Nachholeffekt zu bemerken – auch bei den Banken“, sagt Burkowski im Interview. „Keine berauschende Entwicklung“ Ein genauerer Blick auf die Zahlen zeigt, dass es in Österreich noch ein weiter Weg zu einer halbwegs ausgeglichenen Balance von Frauen und Männern in Top-Positionen der Finanzbranche ist. „Bei Bank-Vorstandspositionen geht es in Österreich nur langsam voran“, sagt VKBVorständin Maria Steiner. Obwohl insgesamt bei den Belegschaften zwischen den Geschlechtern Ausgewogenheit in den heimischen Bankinstituten herrscht, gibt es bei Führungsfunktionen Aufholbedarf. Laut einer internen Befragung des österreichischen Bankenverbands stieg die Zahl der weiblichen Vorstände von 6 Prozent im Jahr 2010 auf 14 Prozent im Jahr 2022. „Das ist keine berauschende Entwicklung. Andere Länder schneiden deutlich besser ab, allen voran Norwegen, wo die Hälfte 18 | CHEFINFO | 8/2023 COVERSTORY 50 Prozent beträgt der Frauenanteil in den Vorständen der Banken in Norwegen. Sich für eine Top-Position zu entscheiden war immer schon eine Herausforderung, das gilt für Männer und Frauen. Michaela Keplinger-Mitterlehner Gen.-Dir.-Stv. RLB OÖ FOTO: WERNER HARRER Ô CHEFINFO: Frau Steiner, Sie sind seit mehr als zwei Jahren im Vorstand der VKB und in Österreich immer noch eher die Ausnahme als die Regel. Warum ist das so? Maria Steiner: Bei Bank-Vorstandspositionen geht es in Österreich nur langsam voran. Laut einer aktuellen Umfrage vom Bankenverband waren im Jahr 2010 6 Prozent der Vorstände von Aktienbanken weiblich, 2022 waren es 14 Prozent. Das ist keine berauschende Entwicklung. Andere Länder schneiden deutlich besser ab, allen voran Norwegen, wo die Hälfte aller Bankvorstände weiblich ist. Auch in den osteuropäischen Ländern ist das Verhältnis deutlich ausgeglichener. In den Niederlanden beträgt die Frauenquote an der Spitze 40 Prozent, in Großbritannien 36 Prozent, Irland 34 Prozent und Schweden 35 Prozent Es geht auch anders, wie man sieht. Ist das ein gesamtösterreichisches Spezifikum? Steiner: Die Finanzbranche ist auch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Es ist daher nicht nur eine Frage der Unternehmenskultur – neben anderen Faktoren spielen auch Fragen des vorherrschenden Frauenbilds sowie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in einem Land eine Rolle. Andere Länder sind hier deutlich fortschrittlicher. Dass jene Länder, in denen Ganztagesschulen und der rasche Wiedereinstieg ins Berufsleben selbstverständlich sind, auch höhere Frauenquoten in Spitzenpositionen aufweisen als Länder, wo das nicht der Fall ist, ist wenig überraschend. Österreich liegt bei der flächendeckenden Kinderbetreuung im europäischen Vergleich weit hinten. Für eine Mutter sind diese strukturellen Gegebenheiten wichtig, um möglichst schnell in den Job zurückzukehren. Sind Arbeitgeber im Banken- und Finanzbereich generell attraktiv für Frauen, die beruflich weiterkommen wollen? Steiner: Bei allgemeinen Führungspositionen sieht es besser aus, auch weil proaktiv Initiativen gesetzt werden. Bei der VKB sind 325 Frauen und 223 Männer beschäftigt, im Privatkundenvertrieb verzeichnen wir auf Teamleiter-Ebene einen Führungskräfteanteil bei Frauen von über 50 Prozent. Wir fördern solche Entwicklungen, beispielsweise durch gelebte und aktive Netzwerke sowie Programme und Initiativen. Wir haben eine Kooperation mit einer Krabbelstube in Linz, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der VKB ihre Kleinsten anmelden können. Die VKB bietet zahlreiche Arbeitszeitmodelle und eine großzügige Homeoffice-Regelung an. Daran soll es nicht scheitern, um Talente zu gewinnen und den Aufstieg zu fördern – wir tun, was wir können. Dennoch sehen wir, dass Kolleginnen oft interessante Jobangebote ablehnen und in Teilzeit bleiben wollen. Ein jahrelanger Karriereknick, der oft nur sehr schwer aufzuholen ist. Welche Rezepte oder Vorbilder für die Karriere können Sie nennen? Steiner: Generalisierende Aussagen sind schwierig. Jeder muss selbst seinen eigenen Weg finden und gehen. Aber Vorbilder sind wichtig. Es gibt eine Reihe von Kolleginnen in Österreich, die ich nennen könnte. Außerhalb Österreichs finde ich die Biografie von Ana Botin, der Aufsichtsratsvorsitzenden der spanischen Banco Santander, beeindruckend. Sie kommt aus der Gründerfamilie, hat die Expansion der Bank vorangetrieben und zählt heute zu den einflussreichsten Managerinnen Europas. CHANCEN. Maria Steiner ist seit 2021 Risiko- vorständin bei der VKB. Die erfahrene Bankerin sieht die Politik und Unternehmen in puncto Gender Diversity in Österreich gefordert. 8/2023 | CHEFINFO | 19 FOTO: VKB / ERIC KRÜGL Bei Vorstandspositionen hinkt Österreich hinterher und dieser Rückstand verkleinert sich nur langsam. Maria Steiner VKB-Vorstandsdirektorin Skandinavier sind fortschrittlicher

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