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4/2023 | CHEFINFO | 67 66 | CHEFINFO | 4/2023 MANAGEMENT MANAGEMENT FOTOS: OLEKSANDR SHCHUS, ONURDONGEL / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS Ein Fall, der vor einigen Jahren für Aufregung sorgte: Eine oberösterreichische Bäckerei hatte einen Verdacht. Immer wieder fehlte Geld in der Kassa, also schritt man zur Tat, installierte eine versteckte Kamera und überführte damit eine Mitarbeiterin, die einen Schaden von mehreren Tausend Euro verursacht hat. Die ging zur AK und gewann den Prozess, trotz nachgewiesenen Diebstahls. Die Kamera hätte nicht installiert werden dürfen. Vertrauen ist bekanntlich gut, Kontrolle besser, sagt eine Redewendung. Doch wie weit dürfen Firmen kontrollieren? Eine deutsche Studie erhob, dass vier von zehn Unternehmen ihre Mitarbeiter überwachen. Dazu gibt es laut Georg Streit, geschäftsführender Gesellschafter und Partner von Höhne, In der Maur & Partner (H-I-P) Rechtsanwälte in Wien, eine Art Faustregel: „So wenig wie möglich und nur so viel wie unbedingt nötig.“ Eine Frage der Menschenwürde Der oben skizzierte Fall der Videoüberwachung hat eine klare rechtliche Grundlage: „Videoüberwachung ist eine Kontrollmaßnahme, die in vielen Fällen – um die Worte des Gesetzgebers zu verwenden – die Menschenwürde berühren kann. Derlei Maßnahmen bedürfen einer Betriebsvereinbarung.“ Dabei reicht die „bloße Möglichkeit, dass eine Maßnahme, die die Menschenwürde berühren könnte, um die Mitwirkungspflicht des Betriebsrats zu begründen.“ Die tatsächliche Absicht des Dienstgebers ist daher unwesentlich. Gibt es einen Betriebsrat, muss – wenn die Menschenwürde berührt wird – zwingend eine Vereinbarung mit der Belegschaftsvertretung gefunden werden. Und dann wäre da noch das Thema der Verhältnismäßigkeit: „Wenn es ein gelinderes Mittel gibt, so ist dieses einzusetzen.“ Ist die Menschenwürde nicht berührt, geht es auch ohne Zustimmung des Betriebsrats, doch Streit schränkt ein: „Die Rechtsprechung ist bei der Frage der Berührung der Menschenwürde – zum Schutz der Dienstnehmer – eher streng.“ Eine Überwachungskamera beim Betriebseingang, von der kein Dienstnehmer dauerhaft bei der Arbeit erfasst wird, benötigt keine Zustimmung des Betriebsrats. „Ebenso die Anwesenheitskontrolle durch ein bloßes Zeiterfassungssystem. Die Installation von Überwachungskameras, weil im Betrieb der Verdacht des Diebstahls besteht, hingegen schon.“ Womit der skizzierte Fall einen klaren Verstoß bildete und die Mitarbeiterin Recht bekam. Zustimmung einholen Die Überwachung endet nicht bei Kameras, auch eine automationsunterstützte Telefonanlage, die Nummern, Gesprächsgebühr, Datum und Uhrzeit aufzeichnet, ist nur mit Zustimmung des Betriebsrats umsetzbar. „Jedenfalls unzulässig sind Maßnahmen, die die Menschenwürde verletzen, zum Beispiel Leibesvisitationen durch Personen des anderen Geschlechts, die Installation vonÜberwachungskameras in Toiletten oder Waschräumen, die Installation einer Telefonanlage, mit der ohne das Wissen der Dienstnehmer Gespräche abgehört werden können, oder die Installation von Einwegglasscheiben in Büros.“ Scheiben, bei denen die Dienstnehmer nicht sehen, ob sich jemand bzw. wer sich davor befindet. Und was machen Unternehmen ohne Belegschaftsvertretung? In diesem Fall muss der Dienstgeber „die Zustimmung zu Videoüberwachung, die die Menschenwürde berührt bzw. berühren kann, von allenMitarbeitenden einzeln einholen – einseitig anordnen kann sie der Dienstgeber in Betrieben ohne Betriebsrat also auch nicht.“ Keylogger – egal oder illegal? Wie die deutsche Studie erhob, werden oft sogenannte Keylogger, eine Hard- oder Software, die Eingaben des Dienstnehmers am Computer protokollieren, zur Überwachung eingesetzt. Auch hier gibt es klare Regelungen. „GrundBetriebliche Datensammlungen dürfen die Menschenwürde nicht berühren. Sind sie „geneigt“, diese zu berühren, braucht es die Zustimmung des Betriebsrates. Ja, BETRIEBLICHE ÜBERWACHUNG. Laut einer deutschen Studie überwachen vier von zehn Unternehmen ihre Mitarbeiter. Was dürfen Chefs eigentlich? Was ist erlaubt, was verboten? CHEFINFO bringt Licht in eine Grauzone. TEXT: Jürgen Philipp dürfen’s denn das? Ô Videoüberwachung im Betrieb hat klare rechtliche Grundlagen. Auch hier geht es viel um die Menschenwürde und um Betriebsvereinbarungen.

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