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4/2023 | CHEFINFO | 21 20 | CHEFINFO | 4/2023 FOTOS: NATALYA BOSYAK / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, REPLOID COVERSTORY COVERSTORY Aus Abfällen werden Rohstoffe Pauer las sich ein, recherchierte und stellte sich eine Frage: „Wie kann man das System wieder einfangen?“ Schnell kam er auf organische Reststoffe und wie man sie vertikal integrieren könnte. „Viele Lebensmittelproduzenten und Handelshäuser haben große Reststoffmengen, für deren Entsorgung sie teures Geld bezahlen müssen.“ Diese Reststoffe zu Tierfutter zu verarbeiten scheitert an den saisonalen Schwankungen. „Deshalb hat man nie eine so große kontinuierliche Menge. Die Vorgaben in der Schweine- oder Hühnermast schaffen diese Unternehmen nicht.“ Dieser Abfall wird kompostiert oder landet in der Biogasanlage. „Die Entsorgung drückt auf die Bilanz.“ Und es drohen hohe Strafen: In den Umweltberichten muss ab 2025 auch die Abfallwirtschaft ersichtlich sein. Je mehr ein Unternehmen wegwirft, desto teurer wird es. Larven aus Wels statt Kängurus aus Australien Pauers Larven lösen diese Probleme in Nullkommanichts auf: „Weil sie alles verwerten, was ihnen die Natur gibt, egal ob Trester, Nudelbruch, Bananen oder Kartoffelabfall von großen Pommesherstellern, und es ist ihnen egal, ob es Winter oder Sommer ist.“ Die eingesetzten Fliegenlarven stammen aus Asien und Afrika, denn nur sie schaffen diese Transformationsarbeit, daher musste geklärt werden, ob sie invasiv seien oder mutieren könnten. Können sie nicht, denn „sie könnten sich in unserer Klimazone nicht vermehren.“ Die Larven werden dabei selbst zum wertvollen Rohstoff, denn sie sind hyperallergen, „eben weil sie in unseren Breitengraden nicht vorkommen, und sie sind frei von Antibiotika.“ Hyperallergenes Hundefutter gibt es etwa aus Kängurufleisch, das aus Australien exportiert werden muss, ein ökologischer Wahnsinn. „Wenn ich die Larven an Tiere verfüttere, müssen wir nicht mehr so viel Proteinquellen anzapfen.“ Wie effizient Larvenfutter ist, zeigt auch die Fleischausbeute. Mit derselben Futtermenge erhält man bei Sojafütterung Hühnerfleisch von 380 bis 410 Gramm, mit Larvenfutter liegt die Ausbeute bei 1,7 Kilogramm. „Wir haben das in Tansania getestet und gesehen, dass es enorm Sinn macht.“ Und die Larven haben einen Zusatznutzen. Ihre Ausscheidungen produzieren hochwertigen Dünger. „Ein Dünger, der den richtigen Stickstoff- und Ammoniakgehalt aufweist und dem Boden das zurückgibt, was er braucht.“ Es wird also nicht nur Abfall recycelt, sondern upgecycelt. „Bei der Kompostierung wird Methan produziert, das ist aber 20 Mal schädlicher als CO2. Anstatt Wochen und Monate zu kompostieren, produzieren die Larven gute Erde in nur vier bis fünf Tagen.“ CHEFINFO: Wie wird man vom Soldaten und Gendarmen zum Larvenzüchter? Philipp Pauer: Als meine Kinder zur Welt kamen, wollte ich etwas Nachhaltiges machen und kam so auf das Thema. Als ich 2019 gegründet habe, war die Welt noch ein Stück weit in Ordnung. Meine Tochter kam im Februar 2020 zur Welt, wenige Tage später begann die Pandemie. Viele haben daher gefragt: Hörst du jetzt auf? Ich musste mich jeden Tag in den Spiegel schauen und fragen: Macht das noch Sinn? Ich habe deshalb weitergemacht, weil wir jeden Tag Ressourcen verschwenden und Müll produzieren. Reploid ist disruptiv und bietet sogar Lösungen, um Landwirtschaft in Österreich wieder attraktiver zu machen. Ist das nicht unheimlich kapitalintensiv. Wie haben Sie Ihr Startup finanziert? Pauer: Das ist es tatsächlich. Viele Investoren wollen diese Old Economy nicht. Sie setzen auf Apps, AI und Co., nur machen die unsere Umwelt nicht unbedingt besser. Die Hauptfinanzierung bestand also aus Eigenkapital. Doch wenn ich zu einer Firma gehe und frage: „Wann möchten Sie einen Impact für die Umwelt erzielen?“, dann kommt: „Wir bauen eine PV-Anlage, und E-Charging, also in zwei bis drei Jahren.“ Ich frage dann nach, ob die Firma Abfall produziert, und wenn ja, dass sie sofort einen Impact erzielen könnten. Da schaut man meist in ungläubige Gesichter, weil das so leicht gehen kann. Sie erzählen, Ihre Larven können sich in Österreich nicht vermehren. Wie halten Sie dann die Population hoch und wie viele Larven leben in einer Anlage? Pauer: Wir haben die sogenannten „Lucky Five“, das heißt, 5 Prozent der Larven werden zu Fliegen und die legen Eier. Das sorgt für den Nachwuchs. In unserer noch relativ kleinen Anlage in Wels verarbeiten wir ca. 30 Tonnen organischen Rohstoff. Eine Larve wiegt in etwa 250 mg. Es sind also einige Hundert Millionen. Wir könnten Hunderte weitere Anlagen bauen, die wir selbst entwickelt haben, samt unserem Know-how und unseren Patenten, und bieten sie in Modulbauweise an. Die Anlagen haben einen hohen Automatisierungsgrad. Es reichen zwei Mitarbeiter pro Anlage. Dort, wo große Produzenten von organischem Abfall sind, sind solche Anlagen besonders effizient. Wir sprechen von NET, also „Negative Emission Technology“. Man kann sich damit CO2-Zertifikate sparen, weil unsere Technologie viel besser ist als herkömmliche Futterquellen wie Soja und Co., und man schafft damit einen Impact vor der eigenen Haustüre. Wie sieht es eigentlich mit Ihrer Energiebilanz aus? Ist das nicht sehr energieintensiv? Pauer: Es braucht nur eine Erstenergie. Wenn die Larven fressen, entsteht Eigenwärme. In den Edelstahlwannen herrscht eine Temperatur von 50 bis 60 Grad, diese Wannen halten die Temperatur perfekt konstant. Die Larven sind wie ein Heizkörper. Wir beschäftigen uns daher damit, wie man diese Wärme zurückgewinnen kann und sogar Strom erzeugen könnte. Ich denke, in einem halben bis dreiviertel Jahr sind wir so weit und können unsere Anlagen autark und mit null Energieeinsatz betreiben. ÖKOLOGIE. Die Transformation unserer ressourcenintensiven Wegwerfgesellschaft in eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft hat sich Philipp Pauer mit dem Startup Reploid zur Aufgabe gemacht. Seine Larven könnten zum echten Game Changer werden. „Impact vor der eigenen Haustüre“ Wir sprechen von NET, also Negative Emission Technology. Man kann sich damit CO2-Zertifikate sparen, weil unsere Technologie viel besser ist als herkömmliche Futterquellen. Philipp Pauer Gründer Reploid Philipp Pauer hat sich nicht nur selbst beruflich transformiert, sondern transformiert das große Thema der ressourcenintensiven Futtermittelindustrie zu einem Cradle- to-cradle-Prozess. Ô

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