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D A S M A G A Z I N D E R F Ü H R U N G S K R Ä F T E M A I 2 0 2 3 TEXTIL WIE RECYCLING DIE INDUSTRIE VERÄNDERT EVELINE JUNGWIRTH MUSEUM WARUM KUNST EIN GUTES INVESTMENT IST JOSEF SCHÜTZ GEWERBEBAU WIE MAN IN DER NISCHE WÄCHST KLAUS KRIECHBAUMER MAI 2023 / 33. JG. / NR. 4/ 2,50 EURO, ÖSTERREICHISCHE POST AG, GZ 02Z031559 M, ZIELGRUPPEN-ZEITUNGSVERLAGS GMBH, ZAMENHOFSTRASSE 9, 4020 LINZ Transformation CHANGE. Wie man den Wandel erfolgreich schafft. Gudrun Höglinger item österreich SECOND-TECH Wiederaufbereitete Smartphones & Co sind im Trend. ÜBERWACHUNG WIE WEIT DÜRFEN CHEFS GEHEN? E-FUELS Umweltgift oder Wunderwaffe gegen den Klimawandel? Stefan Schneider item österreich

Cyrus Rahmat Tel.: 0732 650350-22 | Mobil: 0664 1006505 | E-Mail: cyra@cyra.at Cyra Immobilien GmbH | Berggasse 23 b | A-4040 Linz | www.cyra.at Neuson Real GmbH Zollamtstraße 7 | A-4020 Linz | Tel. 0732 673500 office@neuson-real.com www.neuson-real.com B E R A T U N G | V E R M I T T L U N G | P R O J E K T E N T W I C K L U N G IHRE NEUE IMMOBILIE 2023 Ein Campus für innovative Unternehmen Lage: Linz Zentrum vis-à-vis Wifi OÖ, MIETERWÜNSCHE können berücksichtigt werden! Freie Raumplanung • Individuell gestaltbare Büroflächen vom klassischen Einzelbüro bis hin zum Großraumbüro • High-End-Ausstattung: Klima, Doppelböden, Akustikdecken, hochwertige Böden/Beleuchtung, Befeuchtungsanlage, uvm. • Innovative Gebäude-/Haustechnik: Fernwärme und Fernkälte (betriebskostenschonend), modernste Raum- und Steuerungstechnik, High-Speed-Datenleitung • Benefits für alle am Campus: Konferenzzentrum, Restaurant, Nahversorger, Kindergarten und Hotel • Tiefgarage: gesamt 1.040 Stellplätze, E-Ladestationen (optional) P R O V I S I O N S F R E I F Ü R M I E T E R Gesamt ca. 8.000 m² Nutzfläche Letzte freie Bürofläche: ca. 1.600 m² teilbar, Bezug Ende 2023, Miete auf Anfrage, HWB: 86 kWh/m²a, fGEE: 1,23 Gesamte Nutzfläche: ca. 13.500 m² BAUTEIL 1 Das TECHBASE LINZ bietet heute schon die Büroqualität der Zukunft! Gesamt: ca. 7.380 m², freie Bürofläche: ca. 5.860 m² teilbar (ab 2024), Miete: auf Anfrage, HWB: 18 kWh/m²a, fGEE: 0,73 Bürofläche: ca. 5.740 m² teilbar (ab 2024), Stand-alone-Objekt, Miete auf Anfrage, HWB: 20 kWh/m²a, fGEE: 0,81 BAUTEIL 3 BAUTEIL 4 TECHBASE LINZ TECHBASE LINZ TECHBASE LINZ TECHBASE LINZ VERMIETET IETE BAUTEIL 2 Franzosenhausweg 41, 4030 Linz Modernes Erstbezug - Gewerbeobjekt bestehend aus einer Halle und einem Bürotrakt mit Schauraum über 3 Ebenen Halle: 924 m2 Höhe: 7 m BUK und 8,5 m bis Dach Büro: 226 m² + 30 m² Terrasse pro Ebene, gesamt 678 m² Büro 27 PKW Stellplätze, Druckluftanlage, 2 Ladetore mit 3,85 x 4,5 Meter, Büroflächen klimatisiert, KAT 7 Verkabelung PV Anlage mit 80KW Leistung, Vorbereitung für Ladestationen für 6 PKW Mietkonditionen: Auf Anfrage Modernes Gewerbeobjekt und effiziente Bestandshallen in Neufelden zu vermieten Neubau-Gewerbeobjekt mit Halle über 2 Ebenen. Hallenfläche: 4.833 m², Büro: 226 m², 20 Pkw-Stellplätze, Beschickung ebenerdig und über innen liegende Rampe Bestandshallenflächen: 14.400 m², und Büro: 300 m², Beschickung ebenerdig und über innen liegende Rampe, Mietkonditionen auf Anfrage OBJEKT 4 OBJEKT 2 Moderne Gewerbeimmobilie in Enns zu verkaufen oder zu vermieten Mietkonditionen und Kaufpreis: Auf Anfrage OBJEKT 1 Schwerlasthalle in Top-Gewerbegebiet von Linz zu vermieten Adresse: Wahringerstraße 34, 4030 Linz Größe: 4.170 m², Höhe: 20 Meter, 2 Deckenkräne mit 70/35 Tonnen und 32/12 Tonnen 2 Seitenkräne mit 5 Tonnen Traglast Freilager: 3.120 m² mit 32-Tonnen-Kran Kleinteilelager, Sozialräume, Büroflächen, Parkplätze Mietkonditionen: auf Anfrage Neubauhallenflächen können mieterspezifisch errichtet werden. Größen: 1.500 – 7.000 m² pro Halle, Höhe: bis 30 Meter Kirchschlag Neubauprojekt über der Nebelgrenze: Wohnungen für Eigennutzer und Anleger zu verkaufen Größen: 46 m², 64 m², 70 m², 85 m², 92 m² und Penthouse mit 103 m² Alle Wohnungen mit 2 Tiefgaragenplätze, Terrassen und 3 haben einen Eigengarten, Wunderschöne Aussichtslage und sehr sonnig Kaufpreise auf Anfrage OBJEKT 5 OBJEKT 3

4/2023 | CHEFINFO | 5 4 | CHEFINFO | 4/2023 FOTOS: NATALYA BOSYAK / INVINCIBLE_BULLDOG / OLEKSANDR SHCHUS / VLASTAS / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, EONEREN / E+ / GETTY IMAGES, COVERFOTOS: LUDWIG PULLIRSCH PHOTOGRAPHY, HERMANN WAKOLBINGER (2X), LINZ TEXTIL FOTOS: MELANIE DIKANY, MYKYTA DOLMATOV / BRO VECTOR / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS Wachstum in der Nische Warum das Unternehmen Bauschutz mit seinen Dienstleistungen unverzichtbar ist. Fußball für alle Der FC Blau-Weiß Linz zieht in das brandneue Stadion ein und bricht in eine neue Ära auf. E-Fuels als Streitthema E-Fuels sind heiß umfehdet. Was können sie und was spricht gegen sie? 26 36 42 Wirtschaft Ein Leben für die Kunst Rundgang mit dem Ehepaar Schütz durch ihr neues Privatmuseum in Engelhartszell. Großzügige Spender Zahlreiche Vermögende spenden ihr Geld. Eine Spurensuche nach „gutem Kapital“. 48 52 Dürfen sie das? Was ist erlaubt bei der Überwachung der Mitarbeiter – und was ist verboten? Weniger arbeiten für alle? Die einen wollen eine 32-Stunden-Woche, die anderen warnen vor Wohlstandsverlust. 66 72 42 52 66 76 Inhalt Finanzen Management Klaus Schobesberger Chefredakteur Unterschätzter Standort k.schobesberger@chefinfo.at Man soll bekanntlich nicht immerzu maulen, auch wenn es genügend Anlässe dafür gäbe. Die Digital-Uni ist ein Beispiel dafür, wie ich eine Universität nicht gründe. Auf der anderen Seite muss man fair sein: Als die medizinische Fakultät in Linz gegründet wurde, hagelte es von allen Seiten Kritik. Fast zehn Jahre später stellt man erstaunliche Fortschritte fest. Der wohl spektakulärste ist der medSPACE. Diese Art Metaverse für die Medizin wurde in Linz von Prof. Franz Fellner, dem AEC und Siemens entwickelt. Die Medizin ist einer der wichtigsten Bereiche und verändert sich enorm schnell. Bahnbrechende Transformation passiert hier am Standort. Wir haben diese und andere Geschichten in unserer Coverstory verpackt. Motto: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen kreative Gedankenflüsse im Wonnemonat Mai. Viel Gewinn beim Lesen dieser Ausgabe wünscht Ihnen Editorial IMPRESSUM: Eigentümer und Medieninhaber: Zielgruppen-Zeitungsverlags GmbH. Redaktionsanschrift: Zamenhofstraße 9, 4020 Linz, Tel.: +43 (0)50 6964-0, E-Mail: redaktion@chefinfo.at. Herausgeber: Peter Lengauer. Geschäftsführung: Mag. Johanna Lengauer, Hans Huber. Chefredaktion: Klaus Schobesberger. Redaktion: Jürgen Philipp Bakk. Komm. MBA, Kerstin Reitterer, Friederike Plöchl. Verlagsverkaufsleitung: Christian Schüttengruber. Anzeigen: Mirijam Mayer, Isolde Kainz, Roswitha Lang, Romana Gerard. Artdirector: Thomas Bruckmüller. Artdirector-Stv.: Cindy Mair. Grafik: Julia Pargfrieder, Julian Kastenhuber, Malina Lahner, Rebecca Falmbigl. Bildbearbeitung: Andrea Laban, Frank Garzarolli. Korrektur: Mag. Dorrit Korger. Druck: Radin print d.o.o., Sveta Nedelja, Kroatien. Abo-Hotline: Tel.: 0506964-4091. E-Mail: abo@chefinfo.at. Internet: www.chefinfo.at. Gültig ist die Preisliste 2023. Im Sinne einer leichteren Lesbarkeit werden geschlechtsspezifische Bezeichnungen überwiegend in männlicher Form verwendet. moments ● CHEFINFO ● WEEKEND MAGAZIN ● Corporate Publishing CHEFINFO IST EIN PRODUKT IM Business neu denken Beispiele, wo Transformation Neues schafft. 14Coverstory 76 Reisen reloaded Reisebusunternehmer Dikany über die Zukunft der Branche und seine automobilen Vorlieben. Lifestyle 36 72

4/2023 | CHEFINFO | 7 6 | CHEFINFO | 4/2023 Radar Luft nach oben Rot-Weiß-Rot-Karte. IVOÖ undWKOÖ sind sich einig: Die Reform der RWR-Karte hat Verbesserungen gebracht, es gäbe aber mehr Potenzial: „Obwohl die bisherigen Reformen der RWR-Karte in die richtige Richtung gehen, benötigt es dringend weitere praxisnahe Anpassungen“, so WKOÖ-Präsidentin Doris Hummer. IV-Präsident Stefan Pierer lobt, dass zwei Drittel seiner Mitglieder Mitarbeiter mittels RWR-Karte gewinnen konnten, sieht aber noch einige Hürden: „Der bürokratische Aufwand ist nach wie vor zu hoch.“ Luxemburg 2,9 % Inflation? Was ist das? Der reiche Kleinstaat hat eine Inflationsrate wie in Vorkrisenzeiten. Einer der Gründe: keinerlei Abhängigkeit von Russland. Ungarn 25,6 % Grenzfall Für viele Ungarn lohnt sich der Einkauf in Österreich wieder, weil sich vor allem Lebensmittel enorm verteuert haben. Spanien 3,1 % Viva España Spanien wird immer als Musterschüler in der Inflationsbekämpfung genannt. Mit Preisdeckelungen hielt man die Rate niedrig. Lettland 17,2 % Gasbremse Ein Drittel des Energiemix Lettlands besteht aus Erdgas, dass vor dem Krieg zu 90 % aus Russland stammte. TOP DOWN Niedrigste Inflation in EU Höchste Inflation in EU Gabriel Felbermayr WIFO-Direktor „Die zentrale Frage ist nicht, wie der Wohl- standsverlust noch verhindert werden kann, sondern wie wir ihn fair verteilen.“ Dahin gesagt Woran arbeiten Sie gerade? Friedrich Rumplmayr, Geschäftsführer der Donausäge Rumplmayr, produziert am Standort Enns völlig energieautark 80.000 Tonnen Pellets pro Jahr. Das 2022 errichtete Pelletierwerk in Enns ist Vorbild für elf weitere Werke, die bis 2024 500.000 Tonnen Pellets erzeugen sollen. „Der eingesetzte Rohstoff wird zur Gänze zu hochwertigen Produkten verarbeitet oder zur Energiegewinnung genutzt“, erklärt Rumplmayr. „Dadurch sind wir zu 100 Prozent energieautark und produzieren sogar einen erheblichen Energieüberschuss. Den konnten wir durch unsere PV-Anlagen über die letzten Jahre sogar noch deutlich ausbauen.“ FOTOS: POP_JOP/ DIGITALVISION VECTORS/GETTY IMAGES, VICTOR METELSKIY / 100 / ZXVISUAL / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, WILKE/PROPELLETSAUSTRIA, MLENNY / E+ / GETTY IMAGES ZAHL Quelle: BBC Online Millionen Pfund, kostete die Krönungsfeier von King Charles III. Die Krönung seiner Mutter kostete inflationsbereinigt nur 35 Millionen. Best of 100 Nachgefragt The (Polit)Show must go on Der CHEFINFO-Gastkommentar über politische TV-Formate. Sebastian BohrnMena gegenGerald Groß – das ist Brutalität. Gegen dieses von Wolfgang Fellner moderierte Format ist Schlammcatchen ein Kindergeburtstag. Und Fellner hat auf oe24 noch andere „Kaliber“ am Start: Stefan „Lebensmensch“ Petzner vs. Niko „Ex-Kanzlersohn“ Kern. Wie die beiden ihr Geld verdienen, bleibt schleierhaft. Und dann wäre noch der Klassiker bei oe24: Die Balkonmuppets Josef Cap und Peter Westenthaler sind der Seniorenklub unter den Talkshows der „Fellnerei“. Zusammenfassung: „Früher woa ois bessa, Oida“. Während oe24 fast schon auf Realsatire setzt, wird es bei ATV und Puls 4 ernst. Meinhard Knapp und Corinna Milborn punkten mit fundierter Recherche, routinierter Moderation und kompetenten Gästen. Schwesternsender Puls24 schlägt mit dem spannenden Format „Wild umstritten“ mit Moderator Werner Sejka in dieselbe Kerbe. Drei Themen werden mit Gästen diskutiert, die auch außerhalb des Politsektors kommen. Stammgast ist Anneliese Rohrer, die Quotenqueen der Politshows. Alles wartet auf erfrischende Sätze wie: „Die können es nicht“, oder „Tempo 100, gerne, aber es wird sich niemand daran halten“. Und wo bleibt der ORF? „Im Zentrum“ kann nicht Schritt halten. Automatisch kommt einem der gute alte mit Zigarettenrauch verqualmte Club 2 in den Sinn. Haben Cap und Westenthaler am Ende doch recht? „Früher woa ois bessa, Oida.“ Ihr Anonymus Anonymus Die andauernde harte Wirtschaftskrise hat Argentinien, normalerweise eines der teuersten Reiseländer Südamerikas, fest im Griff. Der argentinische Peso ist im tiefen Fall und damit ist der Euro deutlich mehr wert. Zentralasiatische Länder sind touristisch im Kommen. Besonders günstig wird es für Reisende in Usbekistan. Für einen Euro bekommt man rund 12.000 usbekische So’m und damit um 250 Prozent mehr als im Jahr 2016. Anfang 2023 stand der brasilianische Real auf einem Allzeittief, auch wenn sich die Währung langsam wieder erholt, lohnt sich jetzt ein Trip an den Zuckerhut. Auch ein Abstecher ins Nachbarland Kolumbien zahlt sich finanziell aus. ARGENTINIEN Günstige Urlaubsländer USBEKISTAN BRASILIEN FOTOS: WKOÖ, JEFF MANGIONE / KURIER / PICTUREDESK.COM, RUDYBALASKO / STOCKBYM / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, ELOI_OMELLA / IMANTSU / E+ / GETTY IMAGES

8 | CHEFINFO | 4/2023 FOTOS: HERMANN WAKOLBINGER, AIRDONE/ ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS Anders gedacht von Klaus Schobesberger Chefredakteur Unter Transformation versteht ja bekanntlich jeder etwas anderes. Sie hat nicht immer etwas mit künstlicher Intelligenz zu tun, sondern oft auch mit menschlicher Dummheit. Die äußert sich am sichtbarsten in unserer Sprache. Beim Gendern, zum Beispiel. Dass in zu redigierenden Texten immer häufiger Gendersternchen und Doppelpunkte auftauchen, ist kein Zufall, sondern wurde von Sprachwissenschaftlern ausgedacht, von Genderbeauftragten umgesetzt und ist in Gesetze gegossen worden. Wie sinnvoll es ist, Moderatoren im Fernsehen so sprechen zu lassen, als hätten sie Dauerschluckauf, soll jeder für sich beurteilen. Mit Sicherheit gibt es Tausende Studien, die belegen können, wie notwendig Gendern im Alltag und in Unternehmen ist. Vielleicht gibt es ja auch Untersuchungen, wie viel Zeit und Manpower diese Transformation der Sprache in Zeiten des Arbeitskräftemangels bindet? Beim Drücken der Delete-­ Taste, um Texte von Gender-Sternen zu befreien, muss ich an die Dinosaurier und ihren fragenden Blick nach oben denken, bevor der Komet auf die Erde einschlug. Ich weiß auch nicht warum. Der moderne Sisyphos Wenn wir schon bei Zeitfressern sind: Eine weitere Geißel der Menschheit ist das E-Mail-Postfach. Ursprünglich wurde die elektronische Nachricht erfunden, um unser Leben einfacher zu machen und mehr Zeit für das Wesentliche zu haben. Doch die Erfinder der genialen Transformation der alten Postkutsche konnten nicht ahnen, dass die Spam-Nachrichten und deren belanglose Geschwister, die Newsletter, ihr Effizienz-Tool ad absurdum führen würden. Wenn ich morgens auf das Mail-Symbol meines Smartphones blicke und die neue dreistellige Zahl ungelesener Nachrichten am Eingangsordner sehe, weiß ich ungefähr, wie sich Sisyphos jeden Tag fühlen muss. Schuss ins Knie Der „Deutschland AG“ ist der Mittelständler Viessmann abhandengekommen. Das Familienunternehmen hat sein Kerngeschäft Klimalösungen inklusive der Wärmepumpensparte an den Klimaanlagenhersteller Carrier Global aus den USA verkauft. Hintergrund ist die „Wärmewende“ der deutschen Regierung, die Wärmepumpen als die bevorzugte Heizungsform der Zukunft sieht. Warum verkauft eine Familie ihren florierenden Betrieb? Max Viessmann, Firmenchef in vierter Generation, gibt die Antwort: kann trotz eines Rekordumsatzes im vergangenen Jahr von vier Milliarden Euro dem politisch erzwungenen Tempo nicht standhalten. Transformation mortale. n WORST PRACTICE. Was Gendern, E-Mails und die Klimapolitik gemeinsam haben. Transformation: Ein Schritt vor und zwei Schritte zurück www.vkb.at

4/2023 | CHEFINFO | 11 FOTOS: BIOHORT, PROGRAMMIERFABRIK, MERCEDES-BENZ Wirtschaft Auto-Karriere Niels Kowollik startet am 1. Juli 2023 als neuer Chef der Mercedes-Benz Österreich. Derzeit ist der gebürtige Berliner als CEO für Schweden und Dänemark aktiv. Software-Karriere Achim Mühlberger ist seit 1. Mai neben Wilfried Seyruck Geschäftsführer der Programmierfabrik in Linz. Er löste Wilhelm Weidinger ab, der die operative Leitung abgegeben hat. Biohort wächst 60 Millionen Euro investierte Biohort in sein drittes Werk bei St. Martin i. M. – eine der modernsten Blechverarbeitungen Europas. Alle 3,8 Minuten wird ein Gerätehaus gefertigt, erklären die Eigentümer Josef und Alexander Priglinger. 200 neue Arbeitsplätze wurden mit der Erweiterung geschaffen. Insgesamt werden 600 Mitarbeiter beschäftigt. Mit 159,3 Mio. Euro erzielte Biohort den höchsten Umsatz bisher. Rekordjahr für Wintersteiger Florestan von Boxberg. Zum 70-jährigen Firmenjubiläum glänzt Wintersteiger mit sattem Umsatzplus und Rekordergebnis. Wir konnten 2022 beim Umsatz um ein Drittel auf 223 Mio. Euro zulegen und erreichten ein EBITDA von mehr als 30 Mio. Euro“, so CEO Boxberg. n IMMER MEHR EPU. Mehr als 53.000 Ein-Personen-Unternehmen wurden im Jahr 2022 in Oberösterreich gezählt. In den letzten drei Jahren konnte ein Anstieg von über 1.500 EPU pro Jahr verzeichnet werden, sagt Michael Stingeder, EPU-Sprecher der Wirtschaftskammer OÖ. #businessportraits #unternehmensfeature Ein Portrait ist nicht nur ein Portrait, ein Portrait sollte die Geschichte erzählen. +43 699 1 4330233 . Fabrikstaße 16, 4020 Linz . hw@hermann-wakolbinger.at . www.hermann-wakolbinger.at #businessportraits #unternehmensfeature Ein Portrait ist nicht nur ein Portrait, ein Portrait sollte die Geschichte erzählen. +43 699 1 4330233 . Fabrikstaße 16, 4020 Linz . hw@hermann-wakolbinger.at . www.hermann-wakolbinger.at

4/2023 | CHEFINFO | 13 12 | CHEFINFO | 4/2023 FOTOS: RLB OÖ, BILDUNGSHAUS SANKT MAGDALENA, POSTWERKSTATT, LAND OÖ Kreative Robotik in der Linzer Tabakfabrik Das neue Labor der Kunstuniversität Linz wird in Kooperation mit dem Ars Elektronica Center, dem deutschen Industrieroboterhersteller KUKA Roboter, der Johannes Kepler Universität, Bernstein Innovation und der Association for Robots in Architecture betrieben. „Das RoboterLabor steht sinnbildlich für unseren Anspruch in Oberösterreich, die Digitalisierung als Chance zu sehen und zu nutzen, um Bestehendes weiterzuentwickeln“, sagt Landeshauptmann Thomas Stelzer bei seinem Besuch im Labor. Branchen Kampfstiefel für unser Bundesheer Der Sicherheitsschuhhersteller Rukapol aus Behamberg hat die europaweite Ausschreibung gewonnen und damit den bisher größten Auftrag in der 70-jährigen Unternehmensgeschichte an Land gezogen. Horst König, geschäftsführender Gesellschafter bei Rukapol, freut sich über den prestigeträchtigen Auftrag. MANAGEMENT & ERFOLG redaktion@chefinfo.at Neuer CEO für GEBOL Der Ennser Arbeitsschutzspezialist holte Anfang des zweiten Quartals Markus Dulle als CEO in die Führung des Unternehmens. Er löst damit Gerhard Frank ab, der sich aus dem operativen Geschäft zurückzieht. Frank bleibt weiter Hauptgesellschafter. 81 Mio. Euro Umsatz für BMD Der Softwarehersteller aus Steyr konnte damit im Wirtschaftsjahr 2022/23 seinen Umsatz um rund 12 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigern. „Geht’s den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gut, dann geht’s der BMD gut“, sagt Geschäftsführer Markus Knasmüller. 100 % made in Austria Doppelpass zwischen Wirtschaft und Sport Zwei Monate nach Eröffnung der neuen Raiffeisen Arena in Linz lud der Namensgeber des Stadions zum exklusiven Kundenevent. „Dieses Leuchtturmprojekt ist eine Investition in die Zukunft und vereint starke Partner und klare Visionen“, sagt RLBOÖ-Generaldirektor Heinrich Schaller bei der Begrüßung. Bürgermeister Klaus Luger, Heinrich Schaller mit Gattin Claudia, LASK-Präsident Siegmund Gruber und Landeshauptmann Thomas Stelzer genossen den Abend bei Musik und Kulinarik. #upperREGION Award für Post.Station Für den innovativen Ansatz zur Ortskernbelebung wurde das Ottensheimer Projekt von Business Upper Austria ausgezeichnet. Unter dem denkmalgeschützten Dach der Post.Station finden sich Co-Working Spaces, smarte Apartments auf Zeit, Veranstaltungsräume und bioregionale Küche. Top-Location Bildungshaus Sankt Magdalena Das neu gestaltete Restaurant im Bildungshaus Sankt Magdalena soll Unternehmen anlocken. 13 Seminarräume und das angeschlossene Hotel mit 67 Zimmern bzw. 84 Betten stehen zusätzlich für Konferenzen und Seminare zur Verfügung. n TECHBASE. Mit Mai 2023 verlegt das Prüfungs- und Beratungsunternehmen BDO seine beiden Standorte in Linz in die Business-Location Techbase. Das Unternehmen, mit österreichweit über 1.000 Mitarbeitern, will damit seine Kompetenzen bündeln, die inhaltlichen Schwerpunkte bleiben aber gleich. n ERFOLGSKURS. Die AMAG Austria Metall AG erzielte im ersten Quartal 2023 ihr bisher zweithöchstes Q1-Ergebnis. Aus heutiger Sicht ist ein EBITDA zwischen 170 Mio. Euro und 210 Mio. Euro für das Geschäftsjahr 2023 zu erwarten. Auch der Umsatz konnte auf 404,8 Mio. Euro leicht gesteigert werden. n INVESTITION. Rund 18 Mio. Euro will Bosch in den Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur in Linz investieren. „Mit Bosch-Technik aus Linz wollen wir einen Beitrag leisten zum raschen Aufbau einer Wasserstoff-Produktion in Europa und darüber hinaus“, sagt Christian Ganser, Leiter des Bosch Engineering Center in Linz. n UMSATZPLUS. Die ENGEL Unternehmensgruppe konnte im Geschäftsjahr 2022/23 den Vorjahresumsatz von 1,5 Mrd. Euro um 13 Prozent steigern. „Mit 1,7 Mrd. Euro erzielten wir das bisher umsatzstärkste Jahr in der Unternehmensgeschichte“, freut sich CEO Stefan Engleder. FOTOS: ÖQA, RUKAPOL, GEBOL, BMD SYSTEMHAUS GESMBH/GABOR BOTA Seit 45 Jahren produziert sedda Polstermöbel. Für seine hohen Standards wurde das Unternehmen aus Wallern mit einer Ehrenurkunde des „Gütezeichen Austria“ ausgezeichnet. sedda-­ Marketingleiter Johannes Ragailler und Frau Elisabeth Ragailler nahmen die Ehrung von Hagen Pleile (ÖQA) und Frau Martina Winter (ÖQA) auf der Messe „Wohnen & Interieur“ entgegen. GEWERBE & DIENSTLEISTUNGEN redaktion@chefinfo.at

4/2023 | CHEFINFO | 15 14 | CHEFINFO | 4/2023 COVERSTORY COVERSTORY FOTOS: NATALYA BOSYAK / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, EONEREN / E+ / GETTY IMAGES Alles fließt TRANSFORMATION. Heraklit von Ephesos wusste schon um 500 vor Christus: „Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung.“ Ein Hunderte Male gelesener abgedroschener Kalender- und Managementspruch, der aber aktueller denn je scheint. Wandel war noch nie so nötig wie jetzt, und zwar auf allen Ebenen. Wandel in einer Wirtschaft, die sich nicht mehr auf billige, schier unendliche Ressourcen stützen kann, Transformation in Geschäftsmodellen, die sich immer schneller an den Status quo anpassen muss, ein Change-Prozess in der Medizin, der auf die alternde Gesellschaft repliziert, ja selbst im Sport bleibt kein Stein auf dem anderen. TEXT: Jürgen Philipp

4/2023 | CHEFINFO | 17 16 | CHEFINFO | 4/2023 FOTO: NATALYA BOSYAK / VOYATA / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, JKU COVERSTORY Heraklit galt als der „weinende Philosoph“, weil er die Veränderung, die er prophezeite, immer mit Schmerzen verbunden sah. Lieb gewonnene Verhaltensweisen müssen weichen, um in eine neue Ära aufzubrechen – ein dialektischer Prozess. Und auch wenn dieser Prozess Schmerzen bereitet, ist er notwendig, oder wie Einstein meinte: „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu belassen und zu hoffen, dass sich etwas ändert.“ Cinematic Rendering: Großes Kino im Hörsaal Franz Fellner zeigt diese Transformation alleine schon mit seinem „Arbeitsgerät“ vor. Welcher Universitätslehrer kann schon von sich behaupten, sein wichtigstes Werkzeug bei Vorlesungen sei ein Game-Controller? Mit dem Steuergerät einer X-Box-Spielkonsole lotst Professor Fellner Studierende durch den menschlichen Körper. Der Dekan der Medizinischen Fakultät der JKU und Vorstand des Zentralen Radiologie Instituts am Kepler Universitätsklinikum ist in seinem Element. 3D-Brillen schaffen eine Art Kinoerlebnis im Studienbetrieb. Fellner steht im neuen medSPACE, der als Attraktion im Linzer Wissenschaftsbetrieb gilt und weltweit Beachtung findet. Hautoberfläche, Muskeln, Blutgefäße, Organe, Knochen: Die fotorealistischen, dreidimensionalen Bilder werden per Cinematic Rendering aus MRT- und CT-Scans echter Patienten berechnet und überlebensgroß dargestellt. Die Visualisierungen sind beliebig drehbar und bis zum kleinsten Gefäß in einer Gehirnregion stufenlos zoombar. Sie erlauben Studierenden einen völlig neuen Blick auf den menschlichen Körper. Liveschaltungen in OP-Säle machen den medSPACE der JKU zur Bühne und einem Labor der Zukunft zugleich. Dank der digitalen Vernetzung können auch Experten aus aller Welt live bei schwierigen Eingriffen zugeschaltet werden. All das ist das Ergebnis eines innovativen Gemeinschaftsprojekts: Initiiert wurde es von Franz Fellner, der auch den neu geschaffenen Lehrstuhl für Virtuelle Morphologie seit November innehat. Die Expertise kam vom Ars Electronica Futurelab in Zusammenarbeit mit Siemens Healthineers. Medical Metaverse: Der perfekte digitale Zwilling „Die Technologie des Cinematic Renderings, die Professor Fellner gemeinsammit demArs Electronica Futurelab und Siemens entwickelt hat, ist Cutting Edge und die Zukunft der medizinischen Lehre“, ist Meinhard Lukas, Rektor der Johannes Kepler Universität, überzeugt. Er vergleicht die Entwicklung mit dem Metaversum, diesem digitalen Raum, in demMenschen als Avatare in einer virtuellen Realität miteinander interagieren können. Für Lukas ist dieses in Linz erschaffene Medical Metaverse aber viel mehr: Es bietet einen ganz konkreten Nutzen imWechsel zwischen realer und virtueller Welt. „Wir switchen von der virtuellen Welt der perfekten Bilder eines echten Patienten, die Franz Fellner und andere erschaffen haben, in die ganz reale Welt des menschlichen Herzens, das während der OP durch die HerzLungen-Maschine ersetzt wird. In der Industrie sprechen wir viel vom digitalen Zwilling. In Wahrheit ist das Cinematic Rendering der virtuellen Anatomie der perfekte digitale Zwilling“, sagt Lukas. Es sei auch der Ausdruck eines ganz wichtigen Prinzips an der JKU, nämlich die forschungsgeleitete Lehre. „Wenn Studierende erkennen, was an ihrer Wirkungsstätte an Forschung passiert, dass sie quasi mitten in den Forschungslaboren stehen, so ist das ein enormer Motivationsschub für junge Menschen in einem sehr anspruchsvollen Studium“, so Lukas. Sprung in den digitalen Aggregatzustand Die Bedeutung dieser Technologie für den Standort könne man gar nicht hoch genug einschätzen, „weil ein kleines Land wie Österreich den Sprung in diesen digitalen Aggregatzustand wirklich geschafft hat“, sagt Lukas. Gerade in der Medizin sei die digitale Transformation ein riesiges Thema, etwa in der Pflege – Stichwort Robotik –, aber auch in anderen Bereichen. Besonders faszinierend findet Lukas, dass aus Bildern von herkömmlicher Computertomografie und anderen bildgebenden Technologien die Möglichkeit besteht, den individuellen Menschen mit seinen individuellen Erkrankungen in 3D sichtbar zu machen. Genau diese Bilder sind dann wiederum für Spezialisten der Neurochirurgie die Basis, um punktgenau im Nanomillimeterbereich zu arbeiten. „Ich glaube, bei den Einsatzmöglichkeiten stecken wir noch in den Kinderschuhen, das geht bis hin zu Patientengesprächen. Das ist ein Meilenstein in der Entwicklung der Diagnose, aber auch bei Therapieansätzen.“ Für den Standort Linz sei das enorm wichtig, bei einer solchen Technologie vorne dabei zu sein. „Wir werden in Österreich und Europa nie die Pioniere gesamter KI-Strategien sein, da sind wir nicht konkurrenzfähig, obwohl wir in Linz zu COVERSTORY Medical Metaverse: 3D-Bilder aus dem Innenleben des menschlichen Körpers. Mit dieser Transformation im Hörsaal hat Linz weltweit die Nase vorn. Ô

4/2023 | CHEFINFO | 19 18 | CHEFINFO | 4/2023 FOTOS: NATALYA BOSYAK / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, WWW.ROBERTMAYBACH.COM, JKU COVERSTORY COVERSTORY den Besten gehören auf diesem Gebiet. Aber bei den Anwendungen digitaler Technologien – egal ob in der Medizin oder in der Industrie – können wir Spitzenleistungen erbringen und wirkliche Pioniere sein.“ Hunderte Millionen Mitarbeiter Ein solcher Pionier ist Philipp Pauer, Gründer des Startups Reploid in Wels. Pauer will nicht mehr und nicht weniger als die Transformation von flächen- und damit ressourcenintensiven Anbauflächen für Futtermittel schaffen. Im Fokus: Fliegenlarven. Um unsere Schweine-, Hühner- und Rinder zu füttern, wird global enormer Raubbau an der Natur betrieben, Stichwort: Regenwaldabholzung. „Der weltweite Sojaanbau benötigt eine Fläche, die so groß ist wie Spanien, Portugal und Frankreich zusammen. Ersetzt man Soja durch Larven, reicht die Fläche von Linz Land. Wir sind also um das 3.000-Fache effizienter als Soja.“ Philipp Pauer hat mehrere Hundert Millionen Mitarbeiter, wie viel genau, weiß er selbst nicht. Seine Mitarbeiter transformieren organischen Abfall in Wertstoffe. Der Welser verfolgt damit das Cradle-to-cradle-Prinzip, ein geschlossenes Kreislaufwirtschaftssystem ohne Ressourcenverschwendung. Persönliche Transformation als Ausgangspunkt Reploid baut gerade an der größten Larvenfabrik Europas. Die Larven werden zu Futtermittel oder Rohstoffen für die Kosmetikindustrie verarbeitet. Pauer selbst erlebte dabei eine persönliche Transformation. „Ich war Berufssoldat, kam dann zur Gendarmerie und war Österreichs jüngster Einsatztrainer.“ Nebenbei absolvierte er ein Studium und wechselte 2005 in die Finanzdienstleistungs- branche. Als seine Kinder zur Welt kamen, war klar: „Ich will etwas Nachhaltiges machen, will dem System etwas zurückgeben.“ CHEFINFO: Herr Professor Fellner, gibt es etwas Ähnliches an anderen Unis wie den medSPACE der JKU? Franz Fellner: Wir haben mit dem medSPACE immer noch eine weltweite Alleinstellung. Der Auftrag der Politik lautete von Anfang an, ohne eigene Leichenanatomie auskommen zu müssen und stattdessen eine virtuelle Anatomie einzuführen. Das löste jede Menge Kopfzerbrechen aus. Zu Hilfe kam uns der Zufall. Als ich bemerkt habe, dass ein gewisser Klaus Engel an der Princeton University mit Siemens eine neue Form des 3D-Renderings entwickelt hat – das Cinematic Rendering –, habe ich gesagt: Genau das ist es! Engel hatte damals nicht daran gedacht, seine Erfindung für die Anatomie zu verwenden, sondern als Routine-Medizinsoftware einzusetzen. Ich bat in Folge, das Programm im Deep Space des AEC einzuspielen, weil das vielleicht der Hit fürs Medizinstudium an der JKU werden kann. Das wurde 2015 gemacht. Es ist von Anfang an gut gelaufen und wurde sukzessive weiterentwickelt. Verbessert diese neue Art der Präsentation die Qualität der Lehre und macht es die Medizinische Fakultät für Studierende attraktiver? Fellner: Das ist mit Sicherheit so. Ich führe regelmäßig Evaluationen durch, wie diese neue Form des Unterrichts bei den Studierenden ankommt. Dabei stelle ich verschiedene Fragen – von der Qualität bis zum ganz persönlichen Nutzen. Diese anonymisierten Umfragen schneiden hervorragend ab. Die Studenten finden das wirklich klasse. Ein untrügliches Zeichen dafür ist, dass die Teilnehmer in den Vorlesungen gegen Ende nicht weniger, sondern mehr werden. Können Sie ein Beispiel aus der Praxis bringen? Fellner: Bei Vorlesungen dieser Woche war die Wirbelsäule am Programm. Ich zeigte den Studierenden immedSPACE Computertomografie-Bilder einer kompletten Wirbelsäule eines Patienten, der aus neun Metern Höhe gestürzt ist. Die Person hat sich zahlreiche Wirbel gebrochen, unter anderem zwei, die therapienotwendig sind. Ich stellte die Fragen, was sich der Patient jetzt alles gebrochen habe und was therapiert werden müsse. Danach ist mir die volle Aufmerksamkeit sicher, jeder beginnt konzentriert zu suchen. Weil ich etwas Krankhaftes zeige, gewinne ich auch jene Studenten, die ich mit der schönsten Präsentation nicht begeistern kann. Kann man einen Blick in die Zukunft wagen? Fellner: Ich denke, dass die Bedeutung von KI nicht nur im Bereich der Diagnostik wächst, sondern beim DrugDesign, also der Entwicklung von Medikamenten. In diesem Bereich wird bereits intensiv geforscht. Auch bei der Auswertung der eigenen genetischen Hinweise auf mögliche Krankheitsrisiken im Alter steckt viel Potenzial. Und wenn es darum geht, universitäre Forschergruppen zu vernetzen und zu steuern, wird KI bei den Optimierungen der Abläufe eine entscheidende Rolle spielen. MEDIZIN. Franz Fellner, Dekan für Lehre und Studierende der Medizinischen Fakultät sowie Leiter des Zentralen Radiologie Instituts am Linzer Kepler Klinikum, über die revolutionäre Art des Unterrichtens im medSPACE. „Die Studenten finden das wirklich klasse“ Wir haben mit dem medSPACE immer noch eine weltweite Alleinstellung. Franz Fellner Dekan für Lehre und Studierende am Linzer Kepler Klinikum Professor Franz Fellner: Weltweite Alleinstellung mit dem medSPACE an der Medizinischen Fakultät in Linz Ô Cinematic Rendering ist die Zukunft der medizinischen Lehre. Meinhard Lukas Rektor der Johannes Kepler Universität Linz

4/2023 | CHEFINFO | 21 20 | CHEFINFO | 4/2023 FOTOS: NATALYA BOSYAK / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, REPLOID COVERSTORY COVERSTORY Aus Abfällen werden Rohstoffe Pauer las sich ein, recherchierte und stellte sich eine Frage: „Wie kann man das System wieder einfangen?“ Schnell kam er auf organische Reststoffe und wie man sie vertikal integrieren könnte. „Viele Lebensmittelproduzenten und Handelshäuser haben große Reststoffmengen, für deren Entsorgung sie teures Geld bezahlen müssen.“ Diese Reststoffe zu Tierfutter zu verarbeiten scheitert an den saisonalen Schwankungen. „Deshalb hat man nie eine so große kontinuierliche Menge. Die Vorgaben in der Schweine- oder Hühnermast schaffen diese Unternehmen nicht.“ Dieser Abfall wird kompostiert oder landet in der Biogasanlage. „Die Entsorgung drückt auf die Bilanz.“ Und es drohen hohe Strafen: In den Umweltberichten muss ab 2025 auch die Abfallwirtschaft ersichtlich sein. Je mehr ein Unternehmen wegwirft, desto teurer wird es. Larven aus Wels statt Kängurus aus Australien Pauers Larven lösen diese Probleme in Nullkommanichts auf: „Weil sie alles verwerten, was ihnen die Natur gibt, egal ob Trester, Nudelbruch, Bananen oder Kartoffelabfall von großen Pommesherstellern, und es ist ihnen egal, ob es Winter oder Sommer ist.“ Die eingesetzten Fliegenlarven stammen aus Asien und Afrika, denn nur sie schaffen diese Transformationsarbeit, daher musste geklärt werden, ob sie invasiv seien oder mutieren könnten. Können sie nicht, denn „sie könnten sich in unserer Klimazone nicht vermehren.“ Die Larven werden dabei selbst zum wertvollen Rohstoff, denn sie sind hyperallergen, „eben weil sie in unseren Breitengraden nicht vorkommen, und sie sind frei von Antibiotika.“ Hyperallergenes Hundefutter gibt es etwa aus Kängurufleisch, das aus Australien exportiert werden muss, ein ökologischer Wahnsinn. „Wenn ich die Larven an Tiere verfüttere, müssen wir nicht mehr so viel Proteinquellen anzapfen.“ Wie effizient Larvenfutter ist, zeigt auch die Fleischausbeute. Mit derselben Futtermenge erhält man bei Sojafütterung Hühnerfleisch von 380 bis 410 Gramm, mit Larvenfutter liegt die Ausbeute bei 1,7 Kilogramm. „Wir haben das in Tansania getestet und gesehen, dass es enorm Sinn macht.“ Und die Larven haben einen Zusatznutzen. Ihre Ausscheidungen produzieren hochwertigen Dünger. „Ein Dünger, der den richtigen Stickstoff- und Ammoniakgehalt aufweist und dem Boden das zurückgibt, was er braucht.“ Es wird also nicht nur Abfall recycelt, sondern upgecycelt. „Bei der Kompostierung wird Methan produziert, das ist aber 20 Mal schädlicher als CO2. Anstatt Wochen und Monate zu kompostieren, produzieren die Larven gute Erde in nur vier bis fünf Tagen.“ CHEFINFO: Wie wird man vom Soldaten und Gendarmen zum Larvenzüchter? Philipp Pauer: Als meine Kinder zur Welt kamen, wollte ich etwas Nachhaltiges machen und kam so auf das Thema. Als ich 2019 gegründet habe, war die Welt noch ein Stück weit in Ordnung. Meine Tochter kam im Februar 2020 zur Welt, wenige Tage später begann die Pandemie. Viele haben daher gefragt: Hörst du jetzt auf? Ich musste mich jeden Tag in den Spiegel schauen und fragen: Macht das noch Sinn? Ich habe deshalb weitergemacht, weil wir jeden Tag Ressourcen verschwenden und Müll produzieren. Reploid ist disruptiv und bietet sogar Lösungen, um Landwirtschaft in Österreich wieder attraktiver zu machen. Ist das nicht unheimlich kapitalintensiv. Wie haben Sie Ihr Startup finanziert? Pauer: Das ist es tatsächlich. Viele Investoren wollen diese Old Economy nicht. Sie setzen auf Apps, AI und Co., nur machen die unsere Umwelt nicht unbedingt besser. Die Hauptfinanzierung bestand also aus Eigenkapital. Doch wenn ich zu einer Firma gehe und frage: „Wann möchten Sie einen Impact für die Umwelt erzielen?“, dann kommt: „Wir bauen eine PV-Anlage, und E-Charging, also in zwei bis drei Jahren.“ Ich frage dann nach, ob die Firma Abfall produziert, und wenn ja, dass sie sofort einen Impact erzielen könnten. Da schaut man meist in ungläubige Gesichter, weil das so leicht gehen kann. Sie erzählen, Ihre Larven können sich in Österreich nicht vermehren. Wie halten Sie dann die Population hoch und wie viele Larven leben in einer Anlage? Pauer: Wir haben die sogenannten „Lucky Five“, das heißt, 5 Prozent der Larven werden zu Fliegen und die legen Eier. Das sorgt für den Nachwuchs. In unserer noch relativ kleinen Anlage in Wels verarbeiten wir ca. 30 Tonnen organischen Rohstoff. Eine Larve wiegt in etwa 250 mg. Es sind also einige Hundert Millionen. Wir könnten Hunderte weitere Anlagen bauen, die wir selbst entwickelt haben, samt unserem Know-how und unseren Patenten, und bieten sie in Modulbauweise an. Die Anlagen haben einen hohen Automatisierungsgrad. Es reichen zwei Mitarbeiter pro Anlage. Dort, wo große Produzenten von organischem Abfall sind, sind solche Anlagen besonders effizient. Wir sprechen von NET, also „Negative Emission Technology“. Man kann sich damit CO2-Zertifikate sparen, weil unsere Technologie viel besser ist als herkömmliche Futterquellen wie Soja und Co., und man schafft damit einen Impact vor der eigenen Haustüre. Wie sieht es eigentlich mit Ihrer Energiebilanz aus? Ist das nicht sehr energieintensiv? Pauer: Es braucht nur eine Erstenergie. Wenn die Larven fressen, entsteht Eigenwärme. In den Edelstahlwannen herrscht eine Temperatur von 50 bis 60 Grad, diese Wannen halten die Temperatur perfekt konstant. Die Larven sind wie ein Heizkörper. Wir beschäftigen uns daher damit, wie man diese Wärme zurückgewinnen kann und sogar Strom erzeugen könnte. Ich denke, in einem halben bis dreiviertel Jahr sind wir so weit und können unsere Anlagen autark und mit null Energieeinsatz betreiben. ÖKOLOGIE. Die Transformation unserer ressourcenintensiven Wegwerfgesellschaft in eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft hat sich Philipp Pauer mit dem Startup Reploid zur Aufgabe gemacht. Seine Larven könnten zum echten Game Changer werden. „Impact vor der eigenen Haustüre“ Wir sprechen von NET, also Negative Emission Technology. Man kann sich damit CO2-Zertifikate sparen, weil unsere Technologie viel besser ist als herkömmliche Futterquellen. Philipp Pauer Gründer Reploid Philipp Pauer hat sich nicht nur selbst beruflich transformiert, sondern transformiert das große Thema der ressourcenintensiven Futtermittelindustrie zu einem Cradle- to-cradle-Prozess. Ô

4/2023 | CHEFINFO | 23 22 | CHEFINFO | 4/2023 FOTOS: NATALYA BOSYAK / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, LUDWIG PULLIRSCH PHOTOGRAPHY COVERSTORY COVERSTORY „Ausgedruckt“: Kommt das papierlose Büro? Die Änderung eines bewährten Geschäftsmodells dauert etwas länger als ein paar Tage. Gudrun Höglinger kennt das. Sie gründete 1991 GH EDV Zubehör und fusionierte 2003 mit item 2000 zu item österreich. Im Fokus standen lange Drucklösungen samt Verbrauchsmaterial wie Toner und Tinten, doch wie passt das mit dem lange propagierten „papierlosen Büro“ zusammen? Schon während der Pandemie sanken die Ausdrucke um 20 Prozent, Homeoffice und Co. beschleunigten den Trend hin zu Daten, auf die zentral zurückgegriffen werden kann. Ein weiterer Booster ist eine neue Generation, die derzeit auf den Arbeitsmarkt drängt. „Die ältere Generation ist nach wie vor sehr haptisch.“ Laut einer Studie drucken immer noch 37 Prozent ihre Mails aus. Dennoch war für Höglinger und ihren Geschäftsführerkollegen Stefan Schneider bald klar, dass sich das Unternehmen selbst transformieren müsse. Die Transformation vom EDV-Zubehör-Fachhändler zum Managed-Print-Service-Anbieter bis hin zu einem IT-Systemhaus, das digitale Lösungen für Dokumentenmanagement anbietet, nahm ihren Lauf. Rund 30 % unserer Arbeitszeit verbringen wir mit Suchen Für Stefan Schneider hat diese Technologie enorme Vorteile: „Ein großes Thema ist das Suchen und Finden von Dokumenten. Das Aufstöbern von Dokumenten in einem Archiv voller Ordner mit Papier kann sich über Tage erstrecken, digitale Dokumente findet man in Sekunden.“ Die Gartner Group errechnete, dass wir rund 30 Prozent unserer Arbeitszeit mit Suchen verbringen. „Das ist ein echter Kulturwandel und der darf manchmal auch kurz schmerzen.“ Analoge Prozesse können nicht 1:1 in digitale umgewandelt werden, deshalb braucht es einen Change-Prozess. „Ein solcher Wandel ist in Unternehmen immer mit großer Skepsis verbunden.“ Ein massiver Zeitdieb ist das Betreiben der Buchhaltung wie vor 25 Jahren. „Hier können Prozesse rasch und einfach digitalisiert werden.“ Schneider rät, dabei die Mitarbeiter von Anbeginn in den Prozess einzubinden: „Das schafft Vertrauen und zerstreut Ängste.“ Digitalisierung bekämpft den Personalmangel Gudrun Höglinger sieht Digitalisierung und KI als Königsweg, vor allem in der Personalsuche: „Durch Digitalisierung und KI ergeben sich zusätzliche Möglichkeiten, dem Mangel an Arbeitskräften entgegenzuwirken. Repetitive Arbeiten werden ersetzt und Geschäftsprozesse lassen sich nachhaltig gestalten.“ Einzelne und wichtige Schritte wie Informationen erfassen, sicher bewahren, Informationsprozesse gestalten und Informationen zu jeder Zeit an jedem Ort verfügbar machen ermöglichen nachhaltige New Economy in Reinkultur. CHEFINFO: Siewaren45 Jahre lange in der IT-Branche, vor allem im Officedruck tätig. Wie ist die Transformation zu einem Digitalisierungspartner gelungen? Gudrun Höglinger: Ich habe seit unserer Gründung 1979 schon viele Phasen der Digitalisierung erlebt und wir sind selbst ein Beispiel dieser Transformation. Wir haben uns von einem EDVZubehör-Fachhändler zum ManagedPrint-Service-Anbieter und weiter zu einem IT-Systemhaus entwickelt. Die letzten Jahre konzentrierten wir uns verstärkt auf Digitalisierungslösungen. Mein Geschäftsführer Stefan Schneider ist bereits voll digital, ich gehöre noch der hybriden Generation an. Digitalisierung ist zur Managementaufgabe geworden und damit ein fester Bestandteil der Unternehmensstrategie. Der allseits gegenwärtige Personalmangel unterstreicht die Notwendigkeit. Für die Generation Y ist der Prozess der Digitalisierung ein Must-have. Viele Entscheidungsträger inÖsterreich gehören jedoch noch derWorkinggeneration Babyboomer an. Stefan Schneider: 45 Jahre lang war unser Kerngeschäft der Druckbereich. Die meisten Unternehmen sind nach wie vor noch sehr papierlastig. Bei vielen beginnt der Umstieg soft, sprich, sie digitalisieren nicht alles auf einen Schlag, sondern Schritt für Schritt. Papier scheint „sicherer“ zu sein als Daten. Wie garantiert man Revisionssicherheit im digitalen Archiv? Höglinger: Revisionssicherheit ist grundsätzlich so definiert, dass jedes digitalisierte Dokument in seiner ursprünglichen Form wiederhergestellt werden kann. Wenn man das digitale Archiv wechselt, muss sichergestellt werden, dass manDokumente auch sicher in neue Systeme transferieren kann. Unsere Digitalisierungslösung ist modular aufgebaut. Sie fängt mit dem digitalen Archiv an und kann Schritt für Schritt auf weitere Bereiche ausgedehnt werden. Dazu gibt esModule wie InvoiceManagement, Contract Management, die digitale HRMappe, Purchasing und viele mehr. Schneider: Als wir vor Jahren selbst begonnen haben, unser Unternehmen zu digitalisieren, haben wir im ersten Schritt analysiert, was unsere Arbeitsabläufe effizienter gestaltet. Rasch erkannten wir die Chancen und wollten alles auf einmal realisieren. Damit überschritten wir allerdings unser Investitions- und Zeitbudget. Wir konzentrierten uns schlussendlich auf die Quick Wins. Mit dem modularen System ist uns die Umsetzung sehr gut gelungen. Die schrittweise Einführung einzelner Module wurde von unseren Mitarbeitern mitgetragen und führte zu hoher Zufriedenheit. Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Welche Trends sehen Sie aktuell in Ihrer Branche? Höglinger: AnKI führt keinWeg vorbei, und auch das ist einGenerationenthema. Es braucht allerdings eine digitale Ethik. Ein weiteres großes Zukunftsthema ist die Nachhaltigkeit. Wir merken das, indem immer mehr Kunden höherwertige IT-Hardware kaufen, die langlebiger ist und so Ressourcen spart. DIGITALISIERUNG. 1979 hat sich item auf Druckerverbrauchsmaterial spezialisiert. Drucke werden aber immer weniger. Eine Transformation des Geschäftsmodells war nötig. Heute treibt das Unternehmen mit seinen Produkten das papierlose Büro voran. „Wir selbst sind ein Beispiel für Transformation“ Die Generation Y weiß genau, was Digitalisierung ist und was sie kann. Viele Entscheidungsträger in Österreich gehören jedoch der Workinggeneration Babyboomer an. Gudrun Höglinger Mitglied der Geschäftsführung item österreich Vor zwei Jahren übernahm Stefan Schneider die Geschäftsführung und fühlt sich privilegiert, auf die Expertise von Gudrun Höglinger zurückgreifen zu können. Das IT-Systemhaus fokussiert sich auf die Schwerpunkte Digitalisierung, IT-Workplaces und Managed Print Service. Stefan Schneider Geschäftsführer item österreich Das Aufstöbern von Dokumenten in einem Archiv voller Ordner mit Papier kann sich über Tage erstrecken, digitale Dokumente findet man in Sekunden. Ô Bei item selbst gab es eine Transformation vom EDV-Zubehör-Fachhändler zum ManagedPrint-Service-Anbieter bis hin zu einem IT-Systemhaus. Dieses Knowhow gibt man weiter.

4/2023 | CHEFINFO | 25 24 | CHEFINFO | 4/2023 FOTOS: NATALYA BOSYAK / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, PERTLWIESER/BTU, BERND SPETA COVERSTORY COVERSTORY Von der „Gstättn“ zum Fußballtempel Ein Beispiel der Transformation von der New zur Old Economy ist die Linzer Tabakfabrik. Wo einst Rauchwaren industriell gefertigt wurden, rauchen heute nur noch die Köpfe der Kreativen. Teil der alten „Tschickbude“ war auch der 1934 gegründete SV Austria Tabak. Auf dessen Fußballplatz, dem späteren Donauparkstadion 1997 der FC BlauWeiß Linz einzog. Ein Bretterzaun, ein Klocontainer, ein Sektor namens „Sudererhügel“ und nur eine Dusche für Heim- und Auswärtsmannschaft. Nirgendwo in Oberösterreichs Sportwelt wird die Transformation sichtbarer als aktuell beim Stahlstadtklub, der mit dem neuen Hofmann Personal Stadion in „eine neue Ära“ aufbricht, wie die Plakatkampagne verspricht. Wortwörtlich blieb kein Stein auf dem anderen, wie im Fußball generell. Infrastrukturell und sportlich transformierte man sich vom Viertligisten zum Aufstiegskandidaten in Liga 1. Vom „Outwachler“ zum VAR Fußball steht in einem Spannungsfeld aus Tradition und Moderne. Geschäftsführer Christoph Peschek: „Die Spielregeln von 1848 sind wichtig, damit der Fußball nachvollziehbar bleibt. Jeder kennt die Regeln, sie sind einfach, und jeder kann selber Fußball spielen. Man sollte immer Tradition und Moderne verbinden, gleichzeitig ist das Bewahren von Werten wichtig. Ein Klub darf nie beliebig sein.“ Dennoch transformierte sich der gesamte Sport. Statt „flach spielen und hoch gewinnen“, bespielen heute flexible Doppel-Sechser in Rauten die Box. Statt der Champions League gab es den Meistercup, in dem der ideelle Vorgängerklub, der SK VÖEST Linz, 1974 als amtierender Meister dem FC Barcelona ein 0:0 abringen konnte. Und was macht das mit den Fans? „Die Gesellschaft als solches wird differenzierter, das ist auch bei Fußballfans so.“ Daher muss man der Klientel und neuen Zielgruppen „entsprechenden Service und Professionalität bieten“. Die Maurerforelle hat ausgedient: „Der Anspruch an die Hospitality ist deutlich gestiegen.“ Die Devise: So viel Fanservice und so viel Fan-Experience wie möglich.“ Old School und New Economy muss kein Widerspruch sein Fußballklubs transformieren sich zu modernen Dienstleistern: „Ein Klub hat drei Handlungsfelder: Strategie, Infrastruktur und Personal. Die Fans sind wichtig, doch genauso die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.“ Selbst im Fußball kommt man daher an der digitalen Transformation nicht vorbei. „Mit der neuen Fan-App wollen wir den Kontakt zu den Fans intensivieren.“ Weitere innovative digitale Formate sind angedacht. Die künftige Heimstätte soll daher zum Testimonial für neue Ideen werden. Die Wurzeln bleiben für Peschek aber unangetastet: „Fußball ist der populärste Sport des Landes und hat damit eine klare soziale Verantwortung.“ Und nicht nur die: Die Bundesliga mahnte erst kürzlich von den Klubs mehr Nachhaltigkeit ein. Das neue Hofmann Personal Stadion ist da bereits einen Schritt voraus: Die Bauweise auf einem Möbellager verhinderte Flächenversiegelung – die Rasenfläche wurde durch den Neubau sogar vergrößert –, dazu gibt es LED-Beleuchtung und Solarpaneele, die auch die nahe gelegene Tabakfabrik mit Strom versorgen sollen. Würde Heraklit von Ephesos heute auf der VIP-Terrasse des Stadions stehen, würde er zur Donau hinabblicken und „Panta rhei – alles fließt“ ausrufen, denn so wie Wasser die Donau hinabfließt, fließt auch die Veränderung der Gesellschaft und der ganzen Welt – und das ist gut so. n CHEFINFO: Vom Sauspitz und Eisenbahnerschmäh zur digitalen Analyse der Bewegungsabläufe: Fußball hat sich global betrachtet extrem verändert. Wie stehen Sie zu dieser Transformation? Christoph Peschek: Im Profifußball gab es einen ständigen, kontinuierlichen Prozess der Professionalisierung. Heute gibt es spezielle Ernährungsberatung für die Spieler, ja, sogar Schlafberatung, es wird die Laufintensität gemessen, ebenso wie expected goals bis hin zur Fan-Experience – es hat sich fast alles im Spitzenfußball verändert. Je komplexer das wird, desto größer ist die Gefahr, dass man Fans auf dieser Reise verliert. Deshalb ein klares Ja zur Professionalisierung und zur Transformation, gleichzeitig braucht es aber eine Verwurzelung bei den Fans. Diese Verwurzelung wird aber immer volatiler. Kinder tragen einmal ein Liverpool-Trikot, dann eines von Bayern oder Barcelona. Peschek: Der mediale Fokus liegt heute mehr auf den internationalen Ligen. Es gibt eine leichtere Teilhabe durch diverse TV-Angebote, dazu kommt das Thema der Migration und der familiären Fanverbindungen. Natürlich ebenso dass Fußballspieler über Social Media eine deutlich höhere Einzelrelevanz haben als noch vor einigen Jahren. Man ist nicht mehr nur Fan von Vereinen, sondern auch von Spielern, und die Menschen bewegen sich mit den Spielern auch zum jeweiligen Verein. Umso wichtiger ist es, als Fußballklub bei dieser Fantransformation Schritt zu halten. Das ist kein Selbstläufer. Es bedarf aktiver Fanarbeit. Es gab in den letzten Jahren eine gewaltige Transformation bei der Athletik der Spieler und den Spielsystemen. Ist das Potenzial nicht irgendwann einmal ausgereizt? Peschek: Fußball ist ein Spiegel der Gesellschaft und der gesellschaftlichen Entwicklungen. Diese immer größer werdende Dynamik erlebt man auch im Spiel, in der Intensität am Feld, und im Drumherum. Wann man am Ende der Fahnenstange angelangt ist, kann ich nicht beantworten, aber durch die Verwissenschaftlichung des Fußballs kommen neue Erkenntnisse dazu, bis hin zu wissenschaftlichen Analysetools, wo man alles messen kann. Der Fußball wird sich daher sicher weiterentwickeln. Wohin könnte diese Weiterentwicklung führen bzw. wie weit kann sich der Fußball noch transformieren? Peschek: Ich sehe Chancen und Risiken – wie immer im Leben. Die Ökonomisierung des Fußballs wird voranschreiten, doch dabei sollte man nie die Nachvollziehbarkeit, die Verwurzelung und Erdung in der Gesellschaft vernachlässigen. Es gab schon eine spannende Diskussion rund um die WM in Katar. Ich halte es für wesentlich, dass der Fußball so einfach wie möglich bleiben muss, gleichzeitig werden die Professionalisierung und die damit verbundene Transformation weitergehen. Verwurzelung ist immer identitätsstiftend, und das gibt einen unglaublichen gesellschaftlichen Mehrwert. FUSSBALL. Der Fußball ist ein Spiegel unserer Gesellschaft und steht, wie sie selbst, in einem Transformationsprozess. Christoph Peschek, Geschäftsführer von FC Blau-Weiß Linz, erklärt, warum es „geerdete“ Transformation braucht. „Transformation braucht Wurzeln“ Ich halte es für wesentlich, dass der Fußball so einfach wie möglich bleiben muss, gleichzeitig werden die Professionalisierung und die damit verbundene Transformation weitergehen. Christoph Peschek Geschäftsführer FC Blau-Weiß Linz Christoph Peschek sieht eine Transformation des Fußballs zu mehr Professionalität, doch: „Verwurzelung ist immer identitätsstiftend, und das gibt einen unglaublichen gesellschaftlichen Mehrwert.“ Tradition trifft Moderne: Dort, wo sich 1935 der erste Platz des SV Austria Tabak befand, zieht der FC Blau-Weiß in wenigen Wochen in eines der modernsten Stadien ein.

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