Chefinfo Magazin 3-23

66 | CHEFINFO | 3/2023 FOTOS: JKU / DILOK KLAISATAPORN / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS PERSONAL PERSONAL ARBEITSZEIT. Mario Derntl, Geschäftsführer zukunft.lehre.österreich am Institut für Arbeitsforschung an der JKU, im Interview über Teilzeittrend, Arbeitszeitverkürzung und die Hebel der Politik. INTERVIEW: Jürgen Philipp CHEFINFO: Wie erklären Sie sich den Trend zu immer kürzeren Arbeitszeiten? Mario Derntl: Das ist keine ganz unlogische historische Entwicklung. Mit dem Beginn der Industrialisierung arbeitete man 50 bis 60 Stunden und mitunter bis in den Sonntag hinein. Über die Jahrzehnte wurde die Arbeitszeit immer mehr verkürzt. Das Phänomen der 40- bzw. 38,5-Stunden-Woche ist kein Rezept für die Ewigkeit. Befeuert wird die Situation aktuell durch die Pensionswelle der Babyboomer. Das spitzt sich natürlich zu. Doch es gibt ein paar Stellschrauben, wie die zu hohe Teilzeitquote, die vor allem Frauen, etwa aufgrund fehlender Betreuungsplätze, trifft. Frank Schirrmacher beschrieb schon 2004 in „Methusalem-Komplott“, was heute passiert. Warum ist man dann so überrascht? Derntl: Statistiker und Demografen haben schon lange gewarnt. Es kommen nicht zuletzt aufgrund des höheren Bildungsstandes weniger Kinder zur Welt. Die Dynamik der Generation, die jetzt kommt, ist auch kein Geheimnis. Fakt ist auch, dass für die Generation Z das Gehalt keine so tragende Rolle mehr spielt. Früher hat man in großen Maßen mehr gearbeitet, um sich etwas zu schaffen, jetzt geht es um die Erfüllung. Sinnstiftende Arbeit ist einer der größten Hebel, den wir haben. Es gibt eine Studie, die Berliner Müllmänner beobachtet hat. Fakt ist, dass sie sagen, dass ihr Job eine wunderbare Aufgabe sei. Sie sorgen dafür, dass es sauber ist und dass die Menschen das Gefühl haben, sie leben in einer sauberen Welt. Sie sahen ihre Arbeit als Teil des großen Ganzen. Wie müssen Führungskräfte auf diesen Wertewandel eingehen? Derntl: Die Führungskultur der 1990erJahre des „Law and Order“ hat in einer Realität von heute nichts verloren. So kann man Menschen nicht mehr führen. Es war bisher undenkbar, dass Lehrlingsausbilder und Lehrlinge per Du waren. Jetzt geht es mehr in Richtung einer Kultur des Miteinanders, und die muss zum Unternehmen passen. Fulltime kannman nicht verordnen. Der Wunsch nach kür- „Der Trend wird bleiben“ zeren Arbeitszeiten wird bleiben. Das hat schon einen Grund, warum immer mehr Unternehmen in größeren Schritten die Viertagewoche umsetzen. Unternehmen müssen sich aber auch fragen, ob sie nicht die Arbeitsumgebung anders gestalten können, um mehr herauszuholen. Wie kann die Politik gegensteuern bzw. welche Stellschrauben hat sie? Derntl: Wenn die Politik nicht viel zum Thema qualifizierte Zuwanderung beiträgt, wird es nicht gehen. Die USA sind ein Land, das auf Basis von qualifizierter Zuwanderung aufgebaut wurde, und sie holen sich nach wie vor Exzellenz ins Land. In Spanien gibt es eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, aber nach Österreich will keiner kommen. Es wird kein Weg daran vorbeiführen, neue Arbeitszeitkonzepte aufzustellen, die Arbeitsqualität anders zu bewerten. In den 1980er-Jahren wurde Arbeitsqualität noch daran gemessen, wie lange jemand im Büro sitzt. Was es braucht, ist ein offenes Mindset, das ist der Schlüssel zum Erfolg. Ich bin Optimist und überzeugt, dass es uns auch dieses Mal gelingen wird. Dieser Wandel wird in den Personalbüros Dinge möglich machen, die vor Kurzem undenkbar waren. Covid hat bewiesen, dass die Leute daheim im Homeoffice nicht nur den ganzen Tag Netflix-Serien schauen. Ein weiterer Hebel wäre, nach der Pension noch zu arbeiten. Doch die hohe Abgabenlast macht das nicht sonderlich attraktiv. Wie sehr können Handwerksbetriebe mit diesem Wertewandel mithalten? Derntl: Es gibt immer mehr junge Leute, die Handwerker werden wollen. Da sehe ich vor allem im DACH-Raum mit dem erfolgreichen Modell der Lehrlingsausbildung einen kleinen Wettbewerbsvorteil. Das Handwerk ist lange nicht sehr ernst genommen worden, der Lehrberuf wurde schlechtgemacht, weil wir jahrzehntelang gesagt haben, du musst Matura machen und studieren, nur das würde zählen. Das war natürlich falsch. n Mario Derntl forscht zu Generationen in der Arbeitswelt und Lehrlingen. Der aktuelle Wertewandel bleibt kein vorübergehendes Phänomen. Mario Derntl Geschäftsführer zukunft.lehre.österreich Früher hat man in großen Maßen mehr gearbeitet, um sich etwas zu schaffen, jetzt geht es um die Erfüllung. RECRUITING. „Das hat unsere Dienstleistung verändert.“ Christian Klement, Geschäftsführer des Recruitingunternehmens epunkt, fasst den Wandel vom Arbeitgeber- zum Kandidatenmarkt zusammen: „Früher haben wir Kandidaten in erster Linie ‚ausgewählt‘, heute müssen wir sie vor allem suchen und finden.“ Tipps zur erfolgreichen Mitarbeitersuche: n Kennen Sie Ihren USP. Wie sieht Ihre DNA als Arbeitgeber aus? Wie sehen Ihre Unternehmensmission, -werte, -vision und -kultur aus? n Stellen Sie sich Schmerzfragen: Warum bewirbt sich niemand auf unsere Stellenausschreibungen? Was wollen die Fachkräfte, die wir suchen? Ein ehrlicher Blick auf den Status quo zeigt, wo es Entwicklungspotenzial gibt. n Ihre Karriereseite gehört zu den besten Employer-Branding-Tools. Aufbau und Nutzung müssen intuitiv sein, alle wichtigen Informationen kompakt und übersichtlich dargestellt werden. Dazu gehören: alle offenen Stellen, Videos, Kontaktdaten, eine direkte Onlinebewerbungsmöglichkeit. n Menschen lieben Geschichten. Erzählen Sie Ihre Unternehmensgeschichte – mit Bildern, Videos, Blogbeiträgen, Slideshows. Lassen Sie interne „JobBotschafter“ Social-Media-Beiträge posten. n Gestalten Sie das beste Onboarding, das der Kandidat je erlebt hat. Gutes Recruiting hört nicht beim unterschriebenen Dienstvertrag auf. Vorab-Kennenlernen des Teams, Willkommensfrühstück, Buddy-System, fixfertig eingerichteter Arbeitsplatz, Feedbackgespräche. Neugierig auf mehr? www.epunkt.com/r/recruiting-wissen So wird die Mitarbeitersuche erfolgreich ANZEIGE FOTO: NINA DANNINGER PHOTOGRAPHY 3/2023 | CHEFINFO | 67

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