Chefinfo Magazin 3-23

3/2023 | CHEFINFO | 33 32 | CHEFINFO | 3/2023 FOTOS: WAKOLBINGER WIRTSCHAFT ENERGIEZUKUNFT. Leonhard Schitter ist seit Anfang des Jahres Vorstandschef der Energie AG. Im Interview spricht er über die Folgen des Energiepreisschocks, die Energiewende als Gemeinschaftsprojekt und die E-Mobilität. INTERVIEW: Klaus Schobesberger CHEFINFO: Nach demWechsel von Salzburg zur Energie AG nach Linz: Was unterscheidet die beiden Landesenergieversorger von den Herausforderungen? Leonhard Schitter: Die Herausforderungen sind für alle Unternehmen aus der Energiewirtschaft sehr ähnlich. Wir haben multiple Krisen zu managen. Uns beschäftigen Klimawandel, Klimakrise und die Teuerungen der Energiepreise, bedingt durch Russland und dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Hinzu kommen Energiewende und große Herausforderungen demografischer Art. Alleine bei der Energie AG geht in den nächsten zehn Jahren etwa ein Drittel der Mitarbeiter in Pension. Was die Energie AG von meinemVorgängerunternehmen unterscheidet, ist das zusätzliche Standbein im Entsorgungs- und Umweltbereich. Ich finde das spannend, denn damit können wir stärker die Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft verfolgen. Ein Jahr Energiepreisschock. Was hat sich in der Energiepolitik und in unserem Denken verändert? Schitter: Die wichtigste Erkenntnis ist wohl, dass die Abhängigkeit von russischem Gas gelöst werden muss. Das funktioniert nur, indem wir den Weg in Richtung Unabhängigkeit und die Erzeugung erneuerbarer Energien forcieren. Nur damit kommen wir weg von Preisausschlägen, wie wir sie im Vorjahr erlebt haben. Der Wunsch, in Erneuerbare zu investieren, ist auch bei unseren Kunden deutlich gestiegen. 2020 waren etwa 55 Prozent der befragten Österreicher der Meinung, dass Erneuerbare ausgebaut werden sollen. Zwei Jahre später und nach diesen Erfahrungen mit den extremen Strompreisen sind es nahezu 80 Prozent. Das ist ein klares Signal. „Keine Entwarnung“ Bis 2030 werden zwei Milliarden Euro in den Ausbau Erneuerbarer und der Netze investiert. Ziel des Unternehmens ist es, sich noch nachhaltiger zu positionieren. Wir werden bis 2030 deutlich mehr Strom benötigen und trotzdem soll alles aus Erneuerbaren kommen. Wie ist das zu schaffen? Schitter: Es ist nicht nur das politische, sondern auch das klare gesellschaftliche Ziel, bis 2030 hundert Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Dieses Ziel ist absolut zu unterstützen. Ich sage aber auch dazu: Bis 2030 wird dieses Ziel nicht zu erreichen sein, weil die Erzeugungskapazitäten in dieser Schnelligkeit nicht gebaut werden können. 50 Prozent mehr an Ökostrom bedeuten, zusätzliche Kraftwerkseinheiten, Infrastruktur und Speicher zu errichten. Weil nach wie vor die Verfahrensdauern zu lange sind und weil nach wie vor die Zahl der Beeinspruchungsmaßnahmen zu hoch ist. Sie haben angekündigt, zwei Milliarden Euro in den Ausbau Erneuerbarer und der Netze zu investieren. Wie wichtig ist die beschlossene UVPNovelle in diesem Zusammenhang? Schitter: Die Energiewende ist ein Gemeinschaftsprojekt, das nicht nur Politik und Wirtschaft fordert, auch die Bevölkerung hat ihren Teil zu erfüllen. Wenn wir das erkannt haben, geht es um die Frage, welche Maßnahmen wir für einen rascheren Ausbau setzen. Da ist in den letztenMonaten von Bundesseite viel passiert. Das ist anzuerkennen. Ein Thema ist das UVP-Gesetz – und es ist ein erster guter Wurf. Mehrere müssen noch folgen. Es ist deshalb ein guter Wurf, weil das Verfahren klarer und damit schneller strukturiert ist. Es ist deshalb ein guter Wurf, weil verbindliche Verfahrensdauern vorgegeben sind, innerhalb derer zu entscheiden ist. Zusätzlich wird von Behörden in Entscheidungsgremien Personal aufgestockt. Da sind gute Schritte. Aber nach wie vor ist es ein Gesetz, mit dem wir alleine noch nicht schnell genug in die Umsetzung kommen. Es braucht noch weitere Maßnahmen. Eine der spannendsten Entwicklungen ist die Transformationen in Richtung E-Mobilität. Welchen Anteil hat der Bereich am geplanten Leitungsausbau? Ist flächendeckender Betrieb von E-Mobilität in OÖ möglich? Schitter: E-Mobilität macht für mich wirklich Sinn, aber sie macht nur dann Sinn, wenn sie mit Ökostrom betrieben wird. Die E-Mobilität ist ein Mittel zur Dekarbonisierung im Verkehr, der für 28 Prozent CO2-Ausstoß verantwortlich ist. Derzeit beträgt der Anteil der E-Fahrzeuge etwa 2,2 Prozent an der Gesamtzulassung. Wenn dieser Anteil bis 2030 verzehnfacht wird, dann wird man etwa drei Terawattstunden (TWh) zusätzlich benötigen. Bei einem Anteil von 100 Prozent E-Antrieb bei zugelassenen Autos würden wir etwa zehn bis 15 TWh zusätzlich benötigen. Österreich erzeugt derzeit 77 TWh Strom. Würden wir also die gesamte Pkw-Flotte in Österreich umstellen, fragen sich viele: Ist das machbar? Ja, es ist machbar. Ist es eine große Anstrengung? Ja, natürlich ist es die. Weil die Netze ertüchtigt werden müssen. Genau deshalb investieren wir eine Milliarde in neue Stromnetze, um E-Mobilität in Oberösterreich und darüber hinaus ermöglichen zu können. Diese Netze sowie der gesamte Ausbau im Zeichen der Energiewende werden sichtbar sein, wie Eisenbahnen im 19. Jahrhundert als Zeichen des Fortschritts sichtbar wurden. Diese Investitionen sichern unseren Wohlstand ab. Wie sehen Sie die mittel- und langfristige Entwicklung der Strom- und Gaspreise? Schitter: Industrie und Versorger haben im Vorjahr massiv Gas eingespeichert, um die Abhängigkeit von Russland zu mini- Ô g N Leonhard Schitter Vorstandschef Energie AG Der Wunsch, in Erneuerbare zu investieren, ist auch bei unseren Kunden deutlich gestiegen. ZUR PERSON Leonhard Schitter, Jahrgang 1967 und Salzburger, ist seit 1. Jänner CEO der Energie AG und folgte damit Werner Steinecker, der in den Ruhestand ging. Schitter war zuvor elf Jahre lang Chef der Salzburg AG. Der promovierte Jurist sammelte nach seinem Studium Erfahrungen sowohl in der Industrie als auch in der Politik als persönlicher Referent zweier Landeshauptmänner.

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