Chefinfo Magazin 3-23

Bytes statt Benzin Wie groß der Wandel in der Automobilindustrie ist, zeigt sich an der steigenden Bedeutung des Softwarethemas. Das „digitale Auto“ wird inzwischen auf der Consumer Electronic Show (CES) in Las Vegas präsentiert und es braucht eine 5G-Datenautobahn, um schnell unterwegs zu sein. Das einzelne Fahrzeug wird ein Datenpunkt im Worldwide Web und kann jederzeit mit neuen Updates versorgt werden. Derzeit gibt Tesla den Ton in diesem Bereich an: Deutsche Hersteller geben unumwunden zu, dass die Amerikaner einen Vorsprung von fünf bis sieben Jahren bei der Software haben. Bis zum Ende des Jahrzehnts hoffen BMW, VW und Mercedes, dass sich ihre Digital- und Softwarearchitekturen durchgesetzt haben. Neue Driver-Experience Im Bereich Elektronik geben die E-Modelle bereits den Takt vor. So kommen wichtige Elemente des voll digitalen Cockpits im neuen Porsche Cayenne direkt vom Elektrosportwagen Taycan. Auch die „In-CabinExperience“ wird immer wichtiger – vor allem in Asien wollen Leute im Auto Karaokesingen oder mit ihrem Avatar reden. Apropos Porsche: Der Sportwagenbauer hat im Vorjahr ein Rekordergebnis erzielt und will den 911er so lange wie möglich mit Verbrenner bauen. In Chile arbeitet das Stuttgarter Unternehmen daher an einer Fabrik für synthetische Kraftstoffe. Mit massenhaft Windstrom von der Magellanstraße soll der synthetische Sprit produziert werden und dafür sorgen, dass Verbrennerautos dann doch noch eine Zukunft haben – aber eben klimaneutral betrieben. Für Freunde des luftgekühlten Boxermotors gibt es offenbar in Zukunft keine echte Emotion ohne die Kraft von acht Zylindern im Rücken. FOTOS: VKULIEVA / PSYCHOBEARD / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, SCIENCE PHOTO LIBRARY / PICTUREDESK.COM, HELMUT LEITGEB / MARXRIESER COVERSTORY COVERSTORY 3/2023 | CHEFINFO | 23 22 | CHEFINFO | 3/2023 DIENSTLEISTER. Thomas Marxrieser betreibt zwei Reifen- servicebetriebe sowie zwei Autowerkstätten. Der Unternehmer macht sich Gedanken über Europa und Nachhaltigkeit. CHEFINFO: Sie haben vor einem halben Jahr bereits Ihre Zweifel an einem „Burn-out“ des Verbrenners auf Ihrer Homepage angemeldet. Thomas Marxrieser: Heute werden meine Fragezeichen in den Medien als Überraschungen präsentiert, als ob einem das nicht der Hausverstand sagt. Denn eigentlich gibt es mit dem Zugeständnis für E-Fuels kein Verbrenner-Aus. Was mir Sorgen bereitet, ist nicht mein Betrieb. Wir sind klein und wendig genug, dass wir uns an die Veränderungen schnell genug anpassen können. Was mir Sorgen bereitet, ist die Frage: Schafft es Europa, ein Kompetenzzentrum für Elektromobilität zu werden, oder wird diese Chance wieder vermasselt? Letztlich geht es doch um Nachhaltigkeit, oder? Marxrieser: Genau das ist es ja, das mir sauer aufstößt. Wir reden immer von Nachhaltigkeit und meinen: „Hinter mir die Sintflut.“ Es ist ein schönes Wort, das die Leute entweder nicht verstehen oder sie verbiegen es für ihre Zwecke. Nachhaltigkeit hat für mich drei Säulen: ökonomisch, ökologisch und sozialverträglich. Spätestens beim letzten Punkt geht es sich nicht mehr aus. Die breite Masse kann sich die E-Mobilität in der Form, wie sie uns heute vorgegaukelt wird, nicht leisten. Die Anschaffungskosten sind zu hoch. Das ist nicht sozial nachhaltig. Und ist es wirklich ökonomisch, wenn ganze Industriezweige abgedreht werden und nichts mehr entwickeln können? Wird sich das E-Auto durchsetzen? Marxrieser: Alle, die daran zweifeln, unterliegen demselben Irrtum, wie jene Leute, die vor 30 Jahren gesagt haben, das Internet sei nur eine vorübergehende Erscheinung. Ich bin kein Pessimist. Die Technologie wird besser, die Reichweite größer. Aber wer kauft sich aktuell in Österreich ein E-Auto? Nahezu ausnahmslos Personen, hinter denen Firmen stehen, die einen steuerlichen Vorteil generieren. Privatpersonen kann ich an einer Hand abzählen. Der Kipppunkt, an dem das E-Auto massentauglich wird, kommt sicher. Was wird Ihrer Meinung nach aus dem Werkstättengeschäft? Marxrieser: Das wird diesen Umfang nicht mehr haben. Man wird die Dienstleistung an den Kunden vermehrt in den Vordergrund stellen müssen. Wenn schonWerkstatt, dann einen möglichst bequemen Aufenthalt bieten. Von Hol- und Bringservice bis zur Aufbereitung. Die Probleme um die gesamte moderne Elektronik, die in einem E-Auto verbaut ist, werden nicht weniger werden. Es wird andere Techniker brauchen: in Hochvolttechnik ausgebildete Diagnostiker statt Schrauber in ölverschmierten Overalls. Ja, es wird anders, aber ich mache mir keine Sorgen um meine beiden Betriebe. „Meine Betriebe bereiten mir keine Sorgen“ Schafft es Europa, ein Kompetenzzentrum für Elektro- mobilität zu werden oder wird diese Chance wieder vermasselt? Thomas Marxrieser Unternehmer Thomas Marxrieser Unternehmer 6,8 Milliarden Euro Gewinn erzielte der Sportwagenbauer Porsche im Vorjahr. Entwicklungsteam bei einem E-Auto. Derzeit sind die meisten E-Autosparten der einzelnen Hersteller nicht profitabel und müssen vom Verbrenner gestützt werden. Ô

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