Chefinfo Magazin 1-23

Last Christmas? Nicht für die Erben Doch nicht nur Geld, Immobilien oder andere Besitztümer lassen sich vererben, auch Urheberrechte. Vielleicht schielte der Autor Nick Hornby 1998 heimlich in Richtung George Michael, Sänger der britischen Band Wham, als er „About a boy“ schrieb. Der Protagonist, im Film dargestellt von Hugh Grant, erbt die Tantiemen eines Weihnachtssongs, den sein Vater schrieb und lebt daher ohne finanzielle Sorgen. Als der kinderlose George Michael 2016 starb, erbten seine Patenkinder und Verwandten unter anderem auch die Tantiemen an seinen Songs. Songs, von denen einer besonders heraussticht: Das Weihnachtslied „Last Christmas“. Da Michael sowohl Komponist und Autor war „klingelingelingen“ die Kassen, sobald der Song im Radio, Fernsehen oder im Supermarkt läuft. Geschätzte 500 Millionen Mal wird das Stück Jahr für Jahr rund um den Erdball gespielt. Das bringt den Erben allein für diesen Song Einnahmen von rund neun Millionen Euro jährlich. Und zwar „alle Jahre wieder“ bis 2086, dann erst – 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers – geht der Song ins Allgemeingut über. Wer erbt meine Daten? Und schließlich poppte in den letzten Jahren ein komplett neues Thema auf: Das digitale Erbe. Wem gehören Daten oder Social-Media-Accounts im Falle des Ablebens? Ein noch immer umstrittenes Thema, gilt doch etwa ein Facebook-Konto als höchstpersönlicher Besitz. Doch nicht nur das: E-Mail-Konten, Mobilfunkverträge, Chatverläufe und vieles mehr bringen eine Unmenge an Daten mit sich. Die Abwicklung dieser komplexen Thematik wird in den USA von Spezialisten übernommen, auch in Deutschland kam mit „Pacem Digital“ der erste Dienstleister dieser Art auf den Markt. Streit vorprogrammiert: Brauchen wir eine Erbschaftssteuer? Auch die Politik ist in letzter Zeit vermehrt mit dem Thema Erben und Vererben beschäftigt. In Österreich gibt es seit 2007 keine solchen Steuern mehr. Der Verfassungsgerichtshof hob diese auf. Die Bewertung von Grundvermögen mit veralteten Einheitswerten sei verfassungswidrig. Die Steuer wurde nicht repariert, sondern abgeschafft, obwohl rund zwei Drittel aller EU-Staaten eine solche Steuer vorsehen. Modelle wie die Schaffung eines Freibetrags, indem kleinere Verlassenschaften steuerfrei bleiben, werden diskutiert. Unter anderem wird diese Diskussion auch von Erben riesiger Vermögen angefacht, etwa vonMarlene Engelhorn. Sie weist darauf hin, dass hauptsächlich Reiche an Reiche vererben. Nur einer von drei Haushalten in den unteren 90 Prozent der Bevölkerung würde erben. Dieses Erbe beträgt im Schnitt 120.000 Euro. Bei den oberen 10 Prozent erben drei von vier Haushalten im Schnitt bereits 830.000 Euro. Das reichste Prozent erhält sogar 3,4 Millionen Euro. Egal wer was und wie viel erbt, erben kann das Leben im Positiven und Negativen verändern und so manche Lebensplanung auf den Kopf stellen oder – wie es der Komiker Danny Kaye ausdrückte: „Mit Vegetariern muss man diskutieren, sobald sie eine Wurstfabrik geerbt haben.“ n FOTOS: GÜNTHER PICHLKOSTNER/FIRST LOOK/PICTUREDESK.COM, NEIL MUNNS / EPA / PICTUREDESK.COM 24 | CHEFINFO | 1/2023 1/2023 | CHEFINFO | 25 FOTO: SDSP / ANWALTSSOCIETÄT Gernot Sattlegger rät, bei der Erstellung eines Testaments juristische Beratung einzuholen, um Formfehler und damit die Nichtigkeit des Testaments zu vermeiden. INTERVIEW. Der Anwalt Gernot Sattlegger über Formfehler von Testamenten, Vererbung von Unternehmen und Gründe für oft jahrelang dauernde Prozesse aufgrund von Erbstreitigkeiten. CHEFINFO: Was sollte in einem Testament alles geregelt sein? Gernot Sattlegger: Im Testament muss eine Erbeinsetzung erfolgen, das heißt eine bestimmte Person ist zu einer bestimmten Quote – oder zum Alleinerben – als Rechtsnachfolger des Erblassers zu bestimmen. Ein Testament ist grundsätzlich schriftlich herzustellen und unterliegt – in den letzten Jahren durch die Judikatur und die Gesetzgebung verschärften – Formvorschriften. Will man einzelnen Personen bestimmte Vermögenswerte vererben, sogenannte „Vermächtnisse“ oder „Legate“, ist darauf zu achten, dass diese ausreichend klar bestimmbar sind. Gibt es Grundregeln, wie ein Testament aussehen sollte? Sattlegger: Man unterscheidet im Wesentlichen eine eigenhändige, handschriftliche und eine fremdhändig geschriebene, letztwillige Verfügung, wobei bei einem fremdhändigen Testament der Erblasser die sogenannte „Nuncupatio“, also die Erklärung, dass es sich um seinen letzten Willen handelt, selbst mit der Hand neben der Unterschrift niederschreiben muss. Bei mehrseitigen Testamenten muss nach der neuen Judikatur des Obersten Gerichtshofs „Urkundeneinheit bestehen“. Lose Blätter, auch wenn sie geheftet sind, sind in aller Regel formungültig. Sie sind demnach zu binden, zu kleben oder zu nähen. Wie sieht es aus, wenn man ein Unternehmen vererbt? Sattlegger: Beim Vererben eines Unternehmens ergeben sich zumeist Probleme der Bewertung. Wie alle anderen Vermögenswerte, die der Verstorbene zum Zeitpunkt seines Ablebens in seinem Eigentum hat, sind Unternehmen und Unternehmensbestandteile Teile der Aktiva der Verlassenschaft. Sie sind zum Todeszeitpunkt zum Verkehrswert zu bewerten, was in der Regel durch einen gerichtlich beeideten Sachverständigen erfolgt, wenn nicht im Gesellschaftsvertrag zulässige Abfindungsklauseln enthalten sind. Was passiert bei einem EinPersonenUnternehmen, wenn es vererbt wird? Sattlegger: Oftmals besteht bei einem solchen Unternehmen – so etwa bei einer Ein-Personen-GmbH oder einer eingetragenen Unternehmung – auch das faktische Problem, dass beim Ableben des Unternehmers für längere Zeit Stillstand in der Firma eintritt, da die Abwicklung eines Verlassenschaf t sverfahrens zumeist mehrere Monate in Anspruch nimmt. Rechtlich ist in dieser Zeit kein Vertreter des Verstorbenen vorhanden. Abhilfe kann man dadurch schaffen, dass einerseits im Unternehmen beispielsweise Prokuristen bestellt werden und andererseits auch dadurch, dass man als erbantrittsberechtigter Erbe die vorläufige Verwaltung der Verlassenschaft ausübt. Weiters dient es oftmals der Beschleunigung des Verfahrens, wenn man die Verlassenschaft – unterstützend durch einen selbst beauftragten Rechtsvertreter – auch auf schriftlichem Weg abwickeln lässt. Was wird in diesem Prozess geprüft bzw. was läuft bei den Gerichten ab? Sattlegger: Unklarheiten, wie beispielsweise bei mehreren Testamenten oder Streitigkeiten über deren Gültigkeit – etwa, weil behauptet wird, der Erblasser hätte aufgrund seines Gesundheits- und vor allem Geisteszustandes nicht mehr über sein Vermögen bestimmen können –, oder sonstige Unstimmigkeiten unter den Erben führen dazu, dass der Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens lange dauert. Streitigkeiten, die dann vor den Gerichten stattfinden und beispielsweise mittels Klage eingeleitet werden, können auch Jahre dauern. ABWICKLUNG kann mehrere Monate dauern Gernot Sattlegger Anwalt, Partner SDSP Streitigkeiten, die vor den Gerichten stattfinden und beispielsweise mittels Klage eingeleitet werden, können auch Jahre dauern. Marlene Engelhorn könnte von ihrer Großmutter 2,45 Milliarden Dollar erben, und sie will 90 Prozent davon abgeben, denn: „Ich habe für mein Erbe keinen Tag gearbeitet. Besteuert mich endlich.“ Neun Millionen Euro verdienen die Erben von George Michael pro Jahr, allein durch die Tantiemen des Songs „Last Christmas“. COVERSTORY COVERSTORY

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