Chefinfo Magazin 1-23

FOTOS: JONATHAN NACKSTRAND / AFP / PICTUREDESK.COM, DEEPBLUE4YOU / E+ / GETTY IMAGES 22 | CHEFINFO | 1/2023 1/2023 | CHEFINFO | 23 FOTO: SUSANNE AIGNER / LUDWIG PULLIRSCH PHOTOGRAPHY INTERVIEW. Die Anwältin Susanne Aigner erklärt, was passiert, wenn kein Testament vorliegt, welche Rolle der Gesellschaftsvertrag bei der Vererbung von Unternehmen spielt und was es mit Pflichtteilen auf sich hat. CHEFINFO: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Fehler beim Vererben? Susanne Aigner: Ein großer Fehler ist es, sich nicht mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen und alles auf die Nachkommen zukommen zu lassen. Dann könnte jemand erben, der nicht erben sollte, und es können sich Streitigkeiten auftun. Der zweite Fehler ist, dass ein Testament formpflichtig ist und ein Laie diese Formpflichten oft nicht kennt. Schreibt man sein Testament am Computer und unterschreibt es, ist es ungültig, denn es muss handschriftlich verfasst werden. Ein weiterer Fehler ist, wenn man das Testament nicht registrieren lässt. Wenn es registriert ist, weiß der Gerichtskommissär, dass es ein Testament gibt. Es kann daher nicht von jemandem entwendet werden, der nicht vom Erbe bedacht wurde. Was sind die häufigsten Gründe von Testamentsanfechtungen bzw. wer erbt, wenn es kein Testament gibt? Aigner: Ein hoher Prozentsatz geht auf Formfehler zurück. Sind die Formpflichten eines Testaments nicht eingehalten, wird es als nicht vorhanden angesehen. Gibt es kein Testament, gilt das gesetzliche Erbrecht. Klassischer Fall: Gibt es einen Ehepartner und zwei Kinder, dann wird gedrittelt. Mit einemTestament kann ich frei verfügen, wer erbt, allerdings ist das durch den Pflichtteil beschränkt. Pflichtteilberechtigt sind Nachkommen und Ehegatten, diese Personen kann ich grundsätzlich nicht gänzlich vom Erbe ausschließen. Der Pflichtteilsanspruch beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbrechts. Was passiert im Hintergrund, wenn jemand stirbt, bzw. wie läuft das Verfahren ab und warum kann es oft so lange dauern? Aigner: Nach dem Tod eines Menschen wird der Staat automatisch aktiv. Das Standesamt erstellt die Sterbeurkunde und verständigt das Bezirksgericht. Das wiederum bestellt einen Notar als Gerichtskommissär. Der muss viel prüfen, etwa welche Erben es gibt, wie hoch das Verlassenschaftsvermögen bzw. die Verlassens cha f t s s chu l - den sind. Es gibt hier viel zu recherchieren. Der Gerichtsk omm i s s ä r lädt dann die Erben zur Todesfallaufnahme. Er stellt die Erbberechtigten fest. Diese können das Erbe annehmen oder ausschlagen. Der Notar erstellt ein Protokoll und das Gericht erlässt einen Beschluss, den alle Erben bekommen. Welche Schwierigkeiten könnten sich beim Vererben eines Unternehmens ergeben? Aigner: Beim Übertragen von Unternehmen werden auch noch gesellschaftsrechtliche Regelungen schlagend. Auch wenn ich jemandem meine Anteile vererbe, kann es sein, dass dies aufgrund des Gesellschaftsvertrags nicht möglich ist. Wenn jetzt jemand seine Anteile an seine fünf Kinder vererbt, dann hätte ich statt eines Gesellschafters fünf. Deshalb sollte im Gesellschaftsvertrag bereits ein Aufgriffsrecht vorgesehen sein, damit die anderen Gesellschafter den Erben ihre Anteile abkaufen können. Daher sollte man schon bei einer Unternehmensgründung solche Dinge andenken, denn ein Gesellschaftsvertrag lässt sich nur einvernehmlich ändern. UNTERNEHMENSGRÜNDUNG Schon bei der das Erbe andenken Susanne Aigner Anwältin Ein großer Fehler ist es, sich nicht mit dem eigenen Tod und den sich daraus ergebenden rechtlichen Folgen auseinanderzusetzen. Anwältin Susanne Aigner rät, schon bei der Unternehmensgründung erbrechtliche Dinge anzudenken, da sich ein Gesellschaftsvertrag nur einvernehmlich ändern lässt. Zufügen schweren seelischen Leids oder verschwenderischer Lebensstil. „Dann kann ich diese Personen enterben und das Erbe geht auf dessen Kinder über.“ Ein weiterer Grund ist auch die Vereitelung des letzten Willens, sprich das Entwenden eines Testaments. „Ein Testament, das beim Notar aufgesetzt wurde, kann nicht gestohlen werden. Es wird im Safe hinterlegt und der Inhalt wird im zentralen Testamentsregister gespeichert. Auf das kann der Notar zugreifen, der die Verlassenschaft abwickelt. Es kann also nicht mehr verschwinden, das gilt genauso für Pflichtteilverzichte.“ Diese Pflichtteilverzichte, die notariatspflichtig sind, kommen beimVererben von Immobilien oder Unternehmen oft zum Einsatz. Eine Person erbt alles und verpflichtet sich dazu, die anderen Erben, die auf ihren Pflichtteil verzichtet haben, auszuzahlen. Damit bleibt etwa die Manövrierfähigkeit eines Unternehmens gewährleistet, gilt aber auch für Immobilien. In Deutschland werden 72 Prozent der ererbten Immobilien selbst bewohnt oder vermietet, nur 28 Prozent verkauft. Alfreds „nob(e)les“ Erbe wäre fast ungültig gewesen Doch es sind meist schnöde Dinge, die zu Erbstreitigkeiten führen. Hauptproblem: Es gibt kein Testament oder wenn es eines gibt, ist es unvollständig. Ein prominentes Beispiel dafür ist Alfred Nobel. Sein Nobelpreis ist sein Erbe an die Menschheit. Doch so genial Nobel auch war – er meldete 355 Patente an –, so schlampig war sein letzter Wille. Nobels Beispiel wurde von Dietrich Ostertun in der FAZ akribisch beleuchtet. Kurzfassung: Bertha von Suttner, die einige Zeit für Nobel arbeitete, animierte den Chemiker, einen Friedenspreis zu stiften. Nobel nahm diese Idee in sein Testament auf, das er 1895 mit anwesenden Zeugen verfasste. Ein Jahr später starb Nobel. Beinahe sein ganzes Vermögen soll in eine Stiftung fließen, die jährlich fünf Preise für den Nutzen der Menschheit vergeben sollte. 94 Prozent seines Nachlasses im Wert von 30 Millionen Kronen sollten in diese Stiftung gehen. Die Verwandten und Freunde des kinderlosen Nobels bekamen kaum etwas. Nobels Meinung dazu: Geerbter Reichtum mache faul. Doch sein Testament ließ einiges im Unklaren. Ist die Stiftungsgründung nach seinem Tod überhaupt rechtens? Wer sitzt in der Jury? Wie ist der Fonds gestaltet und dotiert? Was passiert mit dem Kapital und wer ist dafür überhaupt zuständig? Nobel hatte mehrere Wohnsitze, weshalb nicht einmal der Gerichtsstand geklärt war, etwa in welchem Land Erbschaftssteuern zu entrichten seien. Es kam zu einem heftigen Streit – die Nachkommen fochten das Testament an – den der schwedische König schließlich mit einem Vergleich beendete. Seit 1901 werden Nobelpreise vergeben. Nobles Erbe: Beinahe hätte es keine Nobelpreise gegeben. Alfred Nobels Testament hatte viele Formalfehler und wurde angefochten. Ô Erbe von A bis Z Der vermögende Portugiese Luis Carlos de Noronha Cabral de Camara wusste nach seinem Tod nicht, wer sein Vermögen erben sollte, und doch machte es 70 Lissabonner glücklich. Per Zufallsprinzip wurden 70 Menschen aus dem Telefonbuch der portugiesischen Hauptstadt als Erben erkoren. KURIOSES COVERSTORY COVERSTORY

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