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9/2022 | CHEFINFO | 75 74 | CHEFINFO | 9/2022 wenig berechenbarer macht es der Wiener Physiker Wolfgang Ernst Pauli, der mit dem Pauli-Prinzip eine quantenmechanische Erklärung zum Aufbau eines Atoms lieferte. Er bekam dafür 1945 den Nobelpreis. Ein „Quantum Prost“ also auf diese Pioniere von Schrödinger zu Pauli, zu Zeilinger. Doch wie lassen sich die Teilchen, auf der unsere gesamte Welt basieren, vorhersagen, ja gar „domestizieren“? Und was kann ein Quantencomputer? Eine Sekunde statt 9.000 Jahre Quanten lassen sich nicht beherrschen, ihr Verhalten ist aber nicht ganz un„berechenbar“, denn es gibt mathematische Modelle, die auf Wahrscheinlichkeiten beruhen und sie so nutzbar machen. Google etwa besitzt bereits einen Quantencomputer namens Sycamore. Der löste ein mathematisches Problem in drei Minuten und 20 Sekunden. Google behauptete, dass ein klassischer Computer dafür 10.000 Jahre benötigen würde. Chinesische Wissenschaftler widerlegten diese These und lösten auf einem herkömmlichen Supercomputer die Aufgabe in 15 Stunden. Ist Quantencomputing wirklich so gut? Tatsächlich ist es erst dreimal gelungen, eine Quantum Advantage zu erreichen, sprich Quantencomputer schlugen konventionelle Supercomputer, zuletzt in Kanada. Der Quantencomputer Borealis des Unternehmens Xanadu benötigte eine Sekunde für eine Aufgabe, für die der schnellste Supercomputer 9.000 Jahre gebraucht hätte. Quanten als Simulanten Quanten sind eben launisch. Dass sie solche Höchstleistungen schaffen können, liegt daran, dass sie sich nicht am binären System orientieren. Herkömmliche Computer nutzen Nullen und Einsen als Informationsträger. Das kann der Quantencomputer auch, allerdings mit allen Werten dazwischen. Aus Bits, werden Qubits. Was man sich von der neuen Technologie verspricht, ist, vor allem Simulationsaufgaben in kürzest möglicher Zeit zu berechnen. Wir könnten die Auswirkungen des Klimawandels simulieren, um so Gegenmaßnahmen zu treffen, oder es könnte die pharmazeutische Entwicklung vorangetrieben werden. Statt unzähliger Tests könnten Quantencomputer diverse Rezepte simulieren und so die richtige Dosierung finden. Und noch etwas werden sie können: Alle herkömmlichen Verschlüsselungen könnten in Bruchteilen von Sekunden geknackt werden. Welche Auswirkungen das haben könnte, verrät Prof. Robert Wille im Interview (siehe nächste Seite). Newtonsche Physik reicht nicht mehr aus Er verrät auch, warum es so schwierig ist, in die Quantenwelt einzudringen. „Licht ist manchmal ein Photon, manchmal eine Welle. Ich kann mit Licht in Wellenform einiges erklären, was ich als Photon nicht erklären kann.“ Die newtonsche Physik reicht da nicht mehr aus. „Wären wir 2D-Geschöpfe, würden wir links gehen und irgendwann einmal am Ursprungsort landen, weil wir nicht wissen, dass die Erde rund ist. Wir leben in der 3D-Welt. In der Quantenphysik kommt die vierte Dimension – die Zeit – dazu.“ Anton Zeilinger, der diese Zeitsprünge genau untersuchte, meinte: „Wir können davon ausgehen, dass die Welt tatsächlich so verrückt ist, wie Einstein hoffte, dass sie es nicht ist.“ Weltformel ante portas? Zeilinger und ein Team der Universität Wien fanden 2012 heraus, dass zukünftige Handlungen vergangene Ereignisse beeinflussen. So lange man Teilchen nicht misst, sind verschränkte Teilchenpaare, etwa zwei Photonen, über beliebige Distanzen miteinander verbunden. Sie verlieren dabei ihre Einzeleigenschaften. Wenn man sie aber misst, haben sie wieder exakt dieselben. Zeilinger meinte damals in einem Interview mit der APA: „Das bedeutet letztlich, dass ein Quantencomputer in der Vergangenheit mit einem Problem zu rechnen beginnen kann, das von einem Input stammt, der erst in der Zukunft existiert.“ Für Robert Wille wäre das Knacken des Quantenverhaltens gleichbedeutend mit der Weltformel: „Die große Weltformel haben wir noch nicht gefunden oder wir sind zu blöd dafür. Elektronen erscheinen manchmal als newtonsches Element und dann wieder als eines, das wir nur mit Wahrscheinlichkeiten beschreiben können.“ Bis zur Weltformel wird es also noch dauern, der Quantencomputer könnte aber schon bald seinen Durchbruch feiern. FOTO: WOLFGANG PATERNO / PICTUREDESK.COM IT & MORE Ist der Nobelpreis an Anton Zeilinger ein Quantensprung? Nein, denn im Gegensatz zur landläufigen Verwendung dieses Begriffs ist der Quantensprung die kleinste bekannte räumliche Bewegung überhaupt. Ein Nobelpreis hingegen kann Großes in Gang setzen, etwa die Aufmerksamkeit auf die Quantenwelt und ihre Möglichkeiten richten. „Wir“ sind also wieder einmal Nobelpreis. „Wir“ sind in diesem Fall sogar wir Oberösterreicher, denn Anton Zeilinger wurde in Ried im Innkreis geboren. In der Quantenwelt, in der Zeilinger zu Hause ist, ist das sowieso egal. Denn er hätte in den unendlichen Paralleluniversen an jedem Ort der Welt geboren werden können. Jene Quantenwelt, die wir Österreicher, nicht unwesentlich mitpräg(t)en. Es ist wohl dem komplexen Gegenstand geschuldet, dass es kaum bekannt ist, dass die Alpenrepublik ein absoluter Big Player in der Quantenphysik und dem von ihr abgeleiteten Quantencomputing ist. Zeilinger, auch gerne als „Mr. Beam“ bezeichnet, macht das nun wieder deutlich. Die berühmteste Katze der Welt Österreich hat eine große QuantenGeschichte. Schon 1933 gab es einen Nobelpreis für Physik, und der ging an Erwin Schrödinger, Begründer der Quantenmechanik. Die berühmteste Katze der Welt – Schrödingers Katze – zeigt populär auf, wie sich Quanten verhalten, nämlich unberechenbar. Ein „Wir sind Nobelpreis“: Der gebürtige Rieder Anton Zeilinger wird gerne als „Mr. Beam“ bezeichnet und ist einer der führenden Quantenforscher weltweit. Quäntchen und Anton QUANTENCOMPUTER: Der Physik-Nobelpreis an Anton Zeilinger richtete die Aufmerksamkeit auf den Quantencomputer und die Quanten- welt an sich. Eine wirre Welt, in der österreichische Wissenschaftler federführend auf der Suche nach der Weltformel sind. TEXT: Jürgen Philipp Anton Zeilinger Nobelpreisträger für Physik Wir können davon ausgehen, dass die Welt tatsächlich so verrückt ist, wie Einstein hoffte, dass sie es nicht ist. Ô Könnten wir uns die Quantenwelt erklären, hätten wir die Weltformel. FOTO: JACKIE NIAM / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS

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